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Aktueller Online-Flyer vom 13. Dezember 2024  

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Sport
Lok-Torfrau rettet Dreier im Ostderby, Turbine liegt drei Punkte vor Frankfurt
„Indian Summer“ in der Bundesliga
Von Bernd J.R. Henke und Annemarie Fischer

Nach einem grauen Sommer markiert ein ungewöhnlich farbenfroher gelb-orange-roter „Indian Summer“ einen Sonntag des Umbruches in der Fußball-Bundesliga der Frauen. Ursprünglich begünstigte dieses Farbenspiel der Natur die überraschenden Angriffe der nordamerikanischen Ureinwohner, die, noch vom warmen Spät-Sommer berauscht, vor Wintereinbruch die schläfrigen Siedler im Nordwesten überraschten. Diese umwälzende Verquickung von Natur und Politik beschreibt der US-amerikanische Historiker und Pulitzer-Preisträger Daniel J. Boorstin in „The Americans: The Colonial Experience“. Umgemünzt auf den Frauenfußball – die Liga wird von unten aufgemischt.

Marie-Louise Herrmann: 1. Bundesligator für Leipziger Studentin
Foto: Bernd Scharfe, Leipzig
  
Es war ein denkwürdiger achter Spieltag mit überraschenden Tragödien und Triumphen, der einen Wendepunkt in der sonst recht gleichförmigen Frauenbundesliga markiert. Die Zu-Null-Torfabriken aus Frankfurt, Potsdam und Duisburg erfuhren spürbar-kalten Gegenwind. Der späte Herbst kürte Außenseiter wie Lok Leipzig, SC Freiburg und den SC 07 Bad Neuenahr zu rühmlichen Siegern; Favoriten wie Rekordmeister FFC Frankfurt und den FCR 01 Duisburg stürzten bei warmen Temperaturen mit einer Kulisse von strahlend-blauem Himmel und gold-schillernder Blattverfärbung in eine Niederlage. Im Kampf unterlagen die Spitzenmannschaften gegen unterschätzte und medial wenig beachtete „Bundesliga-Indianer“ vor dem Einsetzen der Winterpausenstarre.
 
Lok im Bundesliga-Bahnhof angekommen
 
Im Kampf um den Bundesliga-Klassenerhalt ist den Frauen des 1. FC Lokomotive Leipzig ein Erfolg gegen einen unmittelbaren Konkurrenten geglückt: Das Team von Trainer Jürgen Brauße gewann auswärts beim Ost-Derby gegen den USV Jena mit 1:0 (1:0) und verdrängte damit die Thüringerinnen vom neunten Tabellenplatz.
 
Die Lok ist mit ihrem zweiten Auswärtssieg nach Enttäuschungen in den Heimspielen im Bahnhof der ersten Bundesliga angekommen. Im Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld feierte die Leipziger Betreuerbank schon nach 25. Minuten das erste und auch sinnigerweise einzige Tor an diesem Tage. Der Erstsemester-Studentin der Sportwissenschaften an der Universität Leipzig und Lok-Aufbauspielerin Marie-Louise Hermann gelang nach Vorarbeit der ungarischen Nationalspielerin Gabriella Toth ein unhaltbarer schneller Schuss in die Maschen des FF USV Jena, nachdem sie sich nach geschickter kurzer Ballannahme von der Jenaer Abwehrkette freigelaufen hatte. Überglücklich rannte sie über die blaue Tartan-Laufbahn in Richtung Cheftrainer Jürgen Brauße, der mit erfahrener Gelassenheit und tief emotionaler Bewegung den Dank der gesamten im roten Auswärtstrikot gewandeten Mannschaft annahm. Alle Betreuer tanzten mit, freuten sich über die glänzende Flanke der international erfahrenen Ungarin Gabriella Toth, deren Über-Zuspiel die ganze Jenaer Hintermannschaft aus den Ankern riss.
 
„Als Spieler machst du dir keinen Kopf darüber, ob es das entscheidende Tor ist. Du freust dich einfach, wenn du triffst. Das sind einfach Gefühle, die man in diesem Moment kaum beschreiben kann“, so die besonnene Marie-Luise Hermann nach dem Spiel im Interview mit der Neuen Rheinischen Zeitung. „In solchen Momenten weiß man aber, wofür man jede Woche beim Training auf dem Platz steht. Wenn das erste Bundesligator dann noch zum Sieg verhelfen kann, dann ist das natürlich ein wunderbares Gefühl.“ Auch für die mitgereisten Leipziger Fans boten sich bewegende Augenblicke: „Diese Unterstützung freut uns sehr, und hilft auf dem Platz enorm, denn jeder war klar, worum es ging“, so Herrmann.
 
Die Erstsemesterin in Sportwissenschaften pendelt täglich zwischen ihrer Fakultät an der Jahn-Allee und ihrem Training am Bruno-Plache-Stadion. „Nach dem Bachelor möchte ich, wenn es gut läuft, gleich einen Master draufsatteln. Die Sport-Forschung ist mein Ziel für meinen späteren Job, denn allein vom Fußball kann man als Frau nicht leben“, so die zielstrebige Lok-Spielerin. „Meine Trainer unterstützen mich auf jeden Fall.“ Ihre Kommilitonen finden es „cool“, in ihren Vorlesungsreihen eine Fußballerin aus der ersten Bundesliga zu haben, und fragen montags immer, wie die Lok gespielt hat.

Die „Akademischen Kurve“ der Lok im „Bruno“-Heimstadion
Foto: Annemarie Fischer, Leipzig (Archiv)
 
Akademische Kurve
 
Kommilitonin Anja Hädrich (22), Absolventin des Bachelor-Studiums der Germanistik und Slawistik an der Universität Leipzig, wurde in dieser Saison zum zweiten Mal unter Cheftrainer Brauße in die 1. Mannschaft berufen. Noch im Vorjahr einzige Studentin im Team der Zweitliga-Aufsteigermannschaft, rannte sie mit Elan von der rechten Seite diagonal über das ganze Feld. Die gebürtige Zeitzerin und bekennende Männer-Basketball-Liebhaberin kam schon 2006 über die ehemalige Frauenmannschaft des FC Sachsen Leipzig zum Verein nach Probstheida. Das Spannungsfeld von Sport und Studium löst sie, so wie sie spielt: mit Ausdauer, Kampfgeist und Auge fürs Spiel. Ihre kämpferische Moral in der Lok-Abwehr gehörte zu den Grundfesten der Aufstiegsjahre. Für Studentin Anne van Bonn – sie studiert seit ihrem Umzug nach Sachsen an der Technischen Universität Dresden im Fernstudium Bautechnik – war dieses frühe Tor eine Genugtuung. Nach ihrem Wechsel vom erfolgreichen Spitzenclub FCR 01 Duisburg in den kalten Fahrtwind eines Aufsteigers bekam sie endlich einen heißersehnten Wunsch erfüllt: Mit ihrer neuen Mannschaft in einem wichtigen Spiel Punkte einzufahren. Ihr Mienenspiel – ein befreiendes Lachen und euphorische Freude – sprach Bände. Die auffallend mannschaftsdienliche und erfahrene Spielweise der 25-jährigen gehörte zu den letztlich entscheidenden Kräften der Lokomotive, um das frühe Tor gegenüber den in der zweiten Halbzeit weiter vehement anstürmenden Thüringerinnen zu verteidigen.

Hochkarätige Lok-Torfrau Carolin-Sophie Härling
Foto: Annemarie Fischer, Leipzig (Archiv)
 
Junge Leipziger Versicherung
 
Prof. Dr. Werner Riebel, Vizepräsident des Frauenfußball Universitätssportvereins Jena e.V. witterte Unheil im VIP-Raum. Trotz klarer Überlegenheit wieder keine Tore. Er ahnte den Grund. Wenn seine Fußball-Studentinnen in aussichtsreicher Position zum Schuss kamen, dann war noch die Torhüterin, die erst 20-jährige Torfrau Carolin-Sophie Härling, zu überwinden. Um im Vokabular des bekanntesten deutschen Frauenfußballmanagers zu bleiben: Carolin-Sophie war die „Junge Leipziger Lebensversicherung“. Härling, erst vor einem Jahr zur Lokomotive gewechselt, wuchs in diesem Spiel über sich hinaus. Brauße meinte am Ende des Spieles gegenüber der gegnerischen Cheftrainerin Voss-Tecklenburg: „Ein großes Lob gebührt natürlich unserer Torhüterin, die fünf, sechs Hochkaräter entschärft hat.“

Jenaer Trainerin Martina Voss-Tecklenburg
Foto: Jan Kuppert, Potsdam
 
Killer-Instinkt
 
Auf der anderen Seite der Betreuerbänke stand im weißen Trainingsoverall eine der wenigen verantwortlichen Trainerinnen der Frauenbundesliga – die ehemalige Nationalmannschaftsspielerin und Chefredakteurin des Frauenfußball-Magazins FF, Martina Voss-Tecklenburg, die mit voller Energie ihren sichtlich enttäuschten Spielerinnen aufmunternde Worte zurief. Voss-Tecklenburg ist Trainerin aus und mit „Leidenschaft“, der sie sich „voll und ganz“ widme, „egal, ob es um Titel oder gegen den Abstieg geht.“ An mangelnder Motivation fehlte es der Jenaer Elf nicht – sie waren das bestimmende, feldüberlegende Team mit den größeren Spielanteilen. Aber es fehlte den Spielerinnen im Angriff der notwendige „Killer-Instinkt" im Abschluss, wie Voss-Tecklenburg anschließend in der Pressekonferenz treffend feststellte. In einem einfühlsamen „Fansoccer“-Interview mit Steffen Langbein bemerkte sie hinsichtlich der schlechten Chancenverwertung des FF USV Jena, dass ihre Mannschaft noch „generell zu wenig Torgefahr“ ausstrahle. Dennoch: „Wir haben eine Mannschaft, die die Qualität hat, in der Liga zu bleiben.“

Ost-Derby: USV Jena gegen Lok Leipzig
Foto: Lothar Weisner, Jena
 
Variierte Jenaer Anfangsformation
 
Für das Ost-Derby hatte sich FF USV Jena viel vorgenommen. Martina Voss-Tecklenburg setzte auf eine leicht veränderte Anfangsformation. Der akademischen Auswahl des Ausnahmevereins Jena, bestehend aus den Studentinnen Schroffenegger, J. Arnold, Utes, Radtke, Seiler, Schiewe in der Startformation und den vier Ersatzspielerinnen und Studentinnen Schmutzler, S. Arnold, Kraus (spielte nicht) und Milde, fand an diesem in Gelb-Rot strahlenden Sonntag kein probates Mittel, die als Altenpflegerin tätige Torfrau aus Leipzig-Probstheida zu überwinden.
 
Für Stephanie Milde und Sylvia Arnold spielten Lisa Seiler und Susann Utes. Jena begann druckvoll. Einen Steilpass von Carolin Schiewe erreichte Vivien Beil, die in den Strafraum eindrang, hinter ihren Schuss aus 15 Metern aber zu wenig Druck bringen konnte. Nachdem Schiewe den Ball vor dem gegnerischen 16er behaupten konnte, streckte sie ihn auf die startende Seiler durch, die das runde Leder in der 18. Minute aus halblinker Position nur knapp neben den Pfosten setzte. Nur drei Minuten später senkte sich ein Freistoß aus 37 Metern von Julia Arnold gefährlich aufs Leipziger Tor, konnte im letzten Moment aber von der überragenden Torfrau Härling noch über die Latte gelenkt werden. Die Gäste aus Leipzig, die in der Offensive bis dahin kaum in Erscheinung getreten waren, kamen in der 25. Minute zum überraschenden Führungstreffer. Gabriella Toth setzte sich auf der linken Seite gegen Laura Brosius durch und brachte den Ball in den Strafraum, wo Herrmann diesen unbedrängt annehmen und aus kurzer Distanz überwinden konnte.
 
Nur wenige Minuten später tauchte Toth wieder links frei durch und flankte auf die mitlaufende Leipziger Stürmerin Jobina Verena Lahr. Diese behauptete den Ball trotz Behinderung durch die Jenaer Abwehr, ihren Schuss parierte die italienische Nationaltorfrau Schroffenegger allerdings mit vollem Einsatz. Nach dem kurzen Schock weckte die jetzt im Mittelfeld agierende Julia Arnold den FF USV wieder auf. Sie fasste sich ein Herz und zog aus 20 Metern einfach mal ab. Ihr „Sonntagsschuss“ verfehlte jedoch knapp das Ziel (34.). Kurz darauf zwang die neuseeländische Nationalspielerin Amber Hearn Härling erneut zu einer Glanzparade, indem sie den Schuss von der Strafraumlinie noch um den Pfosten lenkte. Nun ging es im Ost-Derby Schlag auf Schlag. Leipzig fuhr einen Konter und tauchte frei vor dem Jenaer Tor auf, scheiterte jedoch erneut an Schroffenegger. Kurz vor dem Halbzeitpfiff kam Beil unmittelbar vor dem Leipziger Tor an den Ball, schoss die gegnerische Keeperin aber nur an.

Lok-Jubel und Fan-Danke
Foto: Bernd Scharfe, Leipzig
 
Fußball-Stoff
 
Nach dem Seitenwechsel brachte Voss-Tecklenburg mit Sylvia Arnold eine neue Offensivkraft für Hearn in die Partie. Die ersten fünfzehn Minuten des zweiten Spielabschnitts gab es jedoch auf beiden Seiten keine Torchancen zu verzeichnen. Erst in der 62. Spielminute prüfte Leipzigs Kapitänin Anne Heller mit einem Fernschuss Jenas Torfrau, die jedoch sicher zur Ecke abwehren konnte. Jena erhöhte nun wieder das Tempo und kam über Arnold, die aus spitzem Winkel scheiterte, zur ersten Tormöglichkeit im zweiten Spielabschnitt (65.). Kurz darauf stoppte Schiewe den Ball vor dem Strafraum und legte auf Schmutzler zurück, deren Schuss nur knapp am linken Pfosten vorbeistrich. Wenige Minuten später tankte sich Schmutzler im 16-Meterraum durch, konnte mit ihrem Schuss aus kurzer Distanz aber auch nicht die starke Torfrau der Gäste bezwingen. Seiler köpfte eine Flanke von Milde knapp neben das Tor, und eine weitere Chance von Sylvia Arnold wurde von Lok-Keeperin Härling vereitelt. In den letzten Minuten gelang es dem FF USV nicht mehr, gefährlich vors Tor zu kommen. Zwar gab die Mannschaft nicht auf und kämpfte bis zum Schluss, konnte jedoch keine Möglichkeiten zum sicherlich verdienten Ausgleich mehr erarbeiten.
 
„Es war das erwartet schwere Spiel. Unser Weg führte über den Kampf zum Spiel“, zog Brauße sein Fazit. Voss-Tecklenburg fasste den Fußball-Stoff, aus dem Triumph und Tragödien gewoben werden, treffend zusammen: „Man hat am Ende keine Punkte und weiß nicht warum.“

Enttäuschung beim FFC-Duo Sven Kahlert und Siegfried Dietrich
Foto: A2Bildagentur Hartenfelser, Neu-Isenburg
 
Gekommen, um zu siegen
 
Sieben Männer saßen beim 1. FFC Frankfurt dicht gedrängt auf der Betreuerbank im Freiburger Möslestadion. Beim SC Freiburg war auf der Gegnerseite zwischen den beiden Betreuern viel Platz. Cheftrainer Milorad Pilipovic verfolgte das Geschehen gegen den Tabellenersten angespannt im Stehen. Die schwarz-martialische Mega-Mannschaft vereint im globalisierenden Frauenfußball Spielerinnen aus vier Kontinenten. Dass der FFC gekommen war, um zu siegen, zeigte sich nicht nur an der Betreuerdichte. Siebenmal deutscher Meister, achtmal Pokalsieger, drei internationale Titel – nach einem überzeugenden 3:0 Erfolg in der vergangenen Woche gegen den französischen Vizemeister Paris Saint-Germain (vom Rückspiel in Saint-Germain wird die NRHZ berichten) war das Team von Cheftrainer Sven Kahlert in den Breisgau gekommen, um mit seinem sehr gut besetzten Team den achten Sieg in Folge einzufahren. Ziel war es, im vom DFB-TV live übertragenen Spiel die Tabellenführung gegen die Rivalinnen aus Potsdam, die die Frankfurterinnen nächste Woche am Brentanobad empfangen werden, weiter auszubauen. Die Bundesliga-Bilanz glänzte – nur ein einziges Mal landete der Ball bislang im Tornetz von Nationaltorhüterin Nadine „Natze“ Angerer. Bis zur 89. Spielminute an diesem Sonntag, als dem SC Freiburg der Überraschungscoup gelang. Als erste Mannschaft in dieser Spielzeit besiegte das Team den FFC mit 1:0. Zwar mit Glück, „aber meine Mannschaft hat sich das Glück auch erarbeitet“, so der Freiburger Cheftrainer Pilipovic. Ernüchterung hingegen bei FFC-Manager Siegfried Dietrich und der FFC-Entourage.
 
Der „Indian Summer“ im Freiburger Möslestadion zeigte einen Aufsteiger, der als Heimmannschaft ohne Respekt gegen den Rekordmeister begann. Pilipovic wusste, dass seine Mannschaft dem amtierenden Pokalsieger und Bundesliga-Tabellenführer nur beikommen konnte, wenn ein stringentes Spielsystem den Gegner blockieren würde. Die jungen, unbekannten Freiburgerinnen gingen diese Aufgabe konzentriert an. Frühe Attacken, engagierte Zweikämpfe, und schnelles Umschalten in die Offensive nach erfolgreicher Balleroberung waren offensichtlich das richtige Rezept gegen die „Nonplusultra-Elf“ vom Main. Ständiges Pressing zermürbte die Laune der Nationalspielerinnen. Sogar Chancen erspielte sich der SC Freiburg. So verblüffte schon in der 6. Minute ein Eckball der Schwarzwälderin Juliane Meier direkt auf den Kopf der 31-jährigen Französin Stéphanie Wendlinger, die den Ball aber aus sechs Metern über das Tor setzte.
 
Alles, was dann die Weltklasse-Top-Spielerinnen Melanie Behringer, Kerstin Garefrekes und Fatmire Bajramaj an Torgefährlichkeit zustande brachten, entschärfte die Ersatztorhüterin Laura Benkrath, die die verletzte, charismatische Schweizer Nationaltorhüterin Marisa Brunner souverän vertrat. Die Profi-Kickerinnen aus Frankfurt verstärkten in der zweiten Hälfte das Tempo, der Druck auf Freiburgs Abwehr erhöhte sich merklich. Ein schweres Freiburger Foul ahndete Schiedrichterin Angelika Söder mit einem Foulelfmeter. Die routinierte Melanie Behringer trat an, doch Torhüterin Benkrath hielt. Ein Tor von Kerstin Garefrekes folgte, wurde aber wegen Abseitsstellung nicht gegeben. Die Freiburgerinnen gaben in ihrem Heimspiel nicht auf. Gegen Ende sahen sich die Frankfurter Spielerinnen sogar gezwungen, auf Remis zu spielen. Doch das Unterfangen misslang. Eine tragische Situation für eine an Dauererfolg gewöhnte Truppe.
 
„Bundesliga-Indianer“
 
Kurz vor Ende der regulären Spielzeit gelang dann der SC-Kapitänin Kerstin Boschert, was kaum jemand vor dem Spiel zu hoffen gewagt hatte: Nach einem Freistoß von Stammspielerin und SC-Mittelfeld-Ass Juliane Maier schob die 28-Jährige den Ball an Nadine Angerer vorbei ins Tor – und löste bei ihren Mitspielerinnen und den SC-Fans unter den 1600 Zuschauern einen kollektiven Freudenjubel aus. Die Sensation des „Indian Summer“ war perfekt. Nach Abpfiff stürmten auch die zwei Betreuer von der Bank zusammen mit Pilipovic jubelnd aufs Spielfeld. Die sieben mächtigen Männer auf der Betreuerbank des FFC Frankfurt verließen enttäuscht das Stadion. Die „Bundesliga-Indianer“ aus Freiburg nutzten die Gunst der Stunde. „Das war ein glücklicher, aber auch verdienter Sieg im Kampf um den Klassenerhalt“, erklärte der kantige 53-jährige Trainer Pilipovic. Kommentar des geschlagenen Kollegen Kahlert: „Der SC hat heute so gespielt, wie wir das erwartet haben. Meine Mannschaft hat allerdings nicht so gespielt, wie ich das erwartet habe. Deshalb bin ich nicht nur entsetzt, sondern maßlos enttäuscht.“ Die Fußballerinnen des SC Freiburg haben somit ein dickes Ausrufezeichen gesetzt. Für die SC-Frauen war es der vierte Sieg im achten Bundesliga-Spiel. „Das war heute eine geschlossene Mannschaftsleistung. Diesen Sieg hat sich die Mannschaft mit einer taktisch disziplinierten und engagierten Leistung erkämpft. Nach dem Spielverlauf können wir sicherlich nicht von einem verdienten, aber einem glücklichen Sieg sprechen. Wir haben uns das Glück in diesem Spiel erarbeitet, und Glück gehört im Sport nun einmal dazu.“ erklärte der Freiburger Cheftrainer.
 
Warnlampen
 
Kahlert ließ angesichts des anstrengenden Programms mit fünf Spielen in 14 Tagen rotieren. Die Stammkräfte Sandra Smisek, Saskia Bartusiak, Alexandra Krieger und Meike Weber blieben zunächst draußen, vor allem die Verteidigung wurde völlig neu zusammengestellt. Ausgerechnet Fußball-Weltmeisterin Saki Kumagai, die verbliebene Stammkraft im Abwehrverbund, machte Fehler. Zwei konnte Torfrau Nadine Angerer noch mit Glanzparaden in Eins-gegen-Eins-Situationen ausmerzen, beim Gegentor war sie machtlos. Beim 1. FFC Frankfurt stehen die Warnlampen auf Rot – spielerische Überlegenheit kann derzeit nicht in spielentscheidende Tore umgemünzt werden. Das Rotationskonzept zur Überbrückung personeller Überbeanspruchung in wichtigen Spielen führte den FFC Frankfurt in eine Sackgasse.

Die „Turbienen“ erobern die Tabellenspitze
Foto: Jan Kuppert, Potsdam
 
„Turbienen-Drive“
 
Besser als Frankfurt wurden die Spielerinnen des 1. FFC Turbine Potsdam beim 4:0 Sieg gegen Bayern München ihrer Favoritenrolle gerecht. In der 26. Minute legte Bianca Schmidt den Grundstein zur Eroberung der Tabellenspitze. Die Nationalspielerin setzte sich im Luftduell gegen Petra Wimbersky durch und erzielte die 1:0-Halbzeitführung. Nach dem Seitenwechsel erhöhte Genoveva Anonma vor 1580 Zuschauern mit einem Hattrick auf 4:0 (47., 67. und 70.) für die Gäste und ließ keinerlei Zweifel am „Turbine-Drive“ mehr aufkommen.
 
Siege für Wolfsburg und Essen-Schönebeck
 
Der VfL Wolfsburg besiegte Bayer Leverkusen 5:1 (3:0). Nadine Keßler (12. und 33.) sowie die erfahrene Conny Pohlers (22.) brachten die Wolfsburgerinnen schon vor dem Halbzeitpfiff deutlich in Führung. Im zweiten Durchgang steuerten Martina Moser (63.) und Lena Goeßling (69.) ihre Tore zum zwischenzeitlichen 5:0 bei. Kurz vor dem Ende betrieb Johanna Elsig noch eine Ergebniskorrektur und verkürzte aus Sicht der Gäste. Im Mittelfeld-Duell trennte sich die SG Essen-Schönebeck 1:1 (0:0) vom Hamburger SV. Nach einer torlosen ersten Halbzeit erzielte Sabrina Dörpinghaus das 1:0 (52.) für Essen-Schönebeck. Eine Viertelstunde später glich Maike Timmermann für die Hansestädter aus.
 
Duisburg patzt gegen Bad Neuenahr
 
Der bisherige Tabellenletzte SC 07 Bad Neuenahr sorgte für die ultimative „Indian-Summer“-Sensation beim 2:0 (0:0) über den FCR 2001 Duisburg. Für Bad Neuenahr, das wieder mit der Nationalspielerin Celia Okoyino da Mbabi auflaufen konnte, traf Sarah Gregorius vor 1104 Zuschauern in der 79. und 87. Spielminute ins Schwarze. Duisburg, das die erste Saisonniederlage kassierte, verpasst damit den Sprung auf Platz zwei, während Bad Neuenahr die Rote Laterne an Bayer Leverkusen weiterreichte.
 
„Heißer Herbst“
 
Aufsteiger 1. FC Lok Leipzig empfängt nun im nächsten Spiel die Mannschaft des SC 07 Bad Neuenahr. Nach dem Sieg gegen den FCR 01 Duisburg erscheint jedenfalls der SC 07 Bad Neuenahr in der Momentaufnahme stärker. Beide Teams haben nun die Chance, ihre Erfolge zu versilbern und sich ins untere Mittelfeld der Liga abzusetzen. Es bleibt insbesondere abzuwarten, ob Lok Leipzig seine bisher enttäuschende Heimbilanz ohne Tore und ohne Punkte nach den erfolgreichen Auswärtsgastspielen nun auch zu Hause beenden kann. Eine strategisch wichtige Auseinandersetzung um den Verbleib in der 1. Bundesliga steht in den verbleibenden Spielen vor der Pause an.
 
In der Mythologie beschreibt der „Indian Summer“ ein Aufbäumen und Aufblühen. Es bleibt abzuwarten, ob die Indianer einen „Heißen Herbst“ fußballern werden. (PK)

Steffi Jones, DFB-Direktorin für Frauen- und Mädchenfußball, bei ihrem Liga-Besuch im Leipziger Bruno-Plache-Stadion
Foto: Annemarie Fischer, Leipzig (Archiv)
 
Veranstaltungshinweis: Vortrag von Steffi Jones:
 
Im Rahmen der Vortragsreihe „Innovation & Zukunft“ spricht Steffi Jones, OK-Präsidentin der FIFA Frauen-WM 2011 und DFB-Direktorin für Frauen- und Mädchenfußball, am 30.11.2011 um 19 Uhr zum Thema „Rückblick auf die FIFA Frauen-WM 2011 und Auswirkungen auf den Frauen- und Mädchenfußball“ an der European Business School (EBS) in Wiesbaden. Die Veranstaltung ist kostenfrei.


Online-Flyer Nr. 327  vom 09.11.2011

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