Lokales
Kommunale Rettungsschirme für den trudelnden RWE-Konzern?
Mülheim RWE-Stadt forever?!
Von Lothar Reinhard
November 2011 - Zwei richtungweisende Entscheidungen pro RWE in Mülheim a.d. Ruhr: Es wird eisig in der RWE-Stadt Mülheim mit ihren kommunalen Rettungsschirmen für den trudelnden Energiekonzern! Von wegen "VoRWEg gehen"! Der Essener Energiekonzern ist aufgrund fundamentaler Management-Fehler in einer schweren Krise. Er setzte derart massiv auf Atom und Kohle, dass er arg ins Hintertreffen geraten ist. Ausbleibende Milliarden aus der mit Fukushima gestorbenen AKW-Laufzeitverlängerung und gigantische Fehlinvestitionen in zukunftslose Projekte werden den Konzern noch über Jahre belasten
RWE-Chef Großmann
NRhZ-Archiv
Vor dem Start von Öko-smart und smart meter – Mülheims OB Dagmar Mühlenfeld und Dr. Jürgen Großmann
Quelle: www.muelheim-ruhr.de, Foto: Walter Schernstein
Neben dem Atomkurs setzt/e RWE weiter massiv auf heimische Braunkohle und billige Importkohle, ist also einsame Spitze als Europas Klimakiller Nr. 1. Um sich dafür Verschmutzungsrechte zu sichern, baute RWE u.a. für sage und schreibe 120 Mio. € das weltweit größte Werk für Holzpellets in Georgia, USA (vgl. WAZ vom 14. Mai 2011). Dafür sollen im ganz großen Maße amerikanische Sumpfkiefern verarbeitet werden, um dann die Pellets nach Europa zu schicken - zur Verfeuerung in niederländischen und britischen Kohlekraftwerken, was in Deutschland verboten ist. Nahe der deutschen Grenze am Rande des Nationalparks Wattenmeer baut RWE dafür u.a. in Eemshaven für Milliarden ein riesiges Kohlekraftwerk, dessen Genehmigung aber vom höchsten holländischen Verwaltungsgericht verworfen wurde.
Eine riesige ökologische Katastrophe
RWE möchte so vorerst viele Mio. € weniger für CO2-Verschmutzungsrechte aus Kohle bezahlen, weil Kiefern als nachwachsende Rohstoffe (noch) als CO2-neutral bewertet werden. Doch das Ganze ist eine riesige ökologische Katastrophe, deren Bevorzugung sicher in wenigen Jahren beendet werden wird. Dieser ökologische Wahnsinn wird den maroden RWE-Konzern zudem finanziell noch weiter in Turbulenzen reißen.
Aus ähnlicher Motivation heraus setzte das RWE ferner auf CCS, die unterirdische Lagerung des u.a. bei der Kohleverbrennung erzeugten klimaschädlichen CO2, um auch so Verschmutzungsrechte in großem Umfang nicht zahlen zu müssen. Österreich hat die ungeklärte CCS-Technik bereits verboten, und auch der deutsche Bundestag hat vor kurzem alles erst einmal auf Eis gelegt. Gut so für die Allgemeinheit, aber auch das schlecht für RWE, das eben nicht auf wirkliche Zukunftstechnologien gesetzt hat, sondern nur auf Verlängerung von Atom und Kohle und einzig auf zentralisierte Konzepte. Das rächt sich nun deutlich und massiv. Gut so für die Allgemeinheit, aber schlecht für das RWE. Das rächt sich nun deutlich.
Werbekampagne „VoRWEg gehen"
Auch die Versuche, mit seiner Modellstadt Mülheim ("Prof. Dr. Mülheim") im Markt der „smart meter“ („intelligente“ Stromzähler) und in den e-mobility-Markt über Elektro-Smarts vorweg zu gehen, scheiterten recht kläglich bzw. bewegten sich in ihrem unausgegorenen Schneckentempo eher hinterher als vorweg oder aber getreu des leicht abgewandelten RWE-Mottos IrRWEg gehen", was die RWE-Unternehmenspolitik der letzten Jahre besser beschreiben würde als VoRWEg gehen!
Leidtragende sind die Teile des Konzerns, die profitabel wären, und die Aktionäre, die über längere Zeit deutlich weniger Dividende zu erwarten haben. Im Gas- und Stromgeschäft hat RWE gemerkt, dass man nicht weiter arrogant als Abzocker auftreten darf, will man nicht noch mehr Kunden verlieren. Deshalb läuft seit Wochen die groß angelegte Werbekampagne zu stabilen Preisen von „VoRWEg gehen“. Doch auch das kommt arg spät, nachdem viele Hunderttausende sich vom RWE abmeldeten. Und dann bleiben noch die vielen Kommunen, in denen das RWE bisher seine treuesten Verbündeten hatte und hat. Als Aktienbesitzer müssen sie bereits große Einbußen hinnehmen. Immer mehr Kommunen wollen Teile der Stadtwerke, der Netzkonzessionen, der Wasserwerke u.ä. rekommunalisieren, wohl wissend, dass genau das die einzig krisensicheren Einnahmequellen sind, die zudem die Daseinsvorsorge beinhalten, die die Kommunen ohnehin sicherstellen müssen.
Kampf um die Kommunen
Nachdem der Traum von den Atom-Milliarden fast ohne Gegenleistung vom Tsunami in Japan hinweggeschwemmt wurde, nachdem auch die RWE-Strategie zur Reduktion der hohen Kosten für Verschmutzungsrechte für immerhin Europas größten CO2-Produzenten ebenfalls ins Trudeln geriet, hat sich der Kampf um die Kommunen und deren Daseinsvorsorge intensiviert. Eine Schlüsselstellung dabei hat die Stadt des RWE-Gründers Stinnes, in der nicht zufällig auch der jetzige RWE-Chef wohnt (in der ehemaligen Thyssen-Villa), deren OB Dagmar Mühlenfeld im RWE-Aufsichtsrat sitzt, die im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten RWE-Aktien hält und wo sich der Energiekonzern in der Vergangenheit auch günstigst in viele andere Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge einkaufen konnte: ins Gas-, Fernwärme, Müll- und vor allem das Wassergeschäft, seitdem das RWE 80% des regionalen Wasserversorgers RWW mit Sitz in Mülheim hält. Müllabfuhr und Straßenreinigung hat das RWE längst an Remondis weiter verkauft und auch das RWW wird bei der selbst erzeugten Problemlage des Konzerns auf Dauer ebenfalls verkauft werden, wenn es finanziell gänzlich ausgeschlachtet und für den Weiterverkauf deutlich aufgehübscht worden ist.
Vor allem Mülheim baut mit am RWE-Rettungsschirm
In Mülheim/Ruhr, der kleinen Großstadt genau zwischen Düsseldorf, Duisburg, Essen und Oberhausen, weiß das angeschlagene RWE sich auf sicherem Terrain: Die SPD-OB Mühlenfeld als Aufsichtsrätin, die SPD-NRW-Ministerpräsidentin im Rücken, ein ex-RWE-Mann als wichtiger Chef der Beteiligungsholding und inzwischen fast unverkäufliche Millionen von RWE-Aktien machen die Stadt gefügig, zumindest solange, wie die CDU mitspielt, denn ohne CDU findet die Mülheimer SPD keine Mehrheit pro RWE. So gelang es mit der CDU nun zwei wichtige Weichen im Sinne des RWE zu stellen: Zur Stromkonzession knickte die CDU wieder ein und zum Wasser-„System“preis half sie kräftig mit, eine öffentliche Diskussion gar nicht erst aufkommen zu lassen. So baut die Stadt Mülheim kräftig mit am RWE-Rettungsschirm.
Heute war der WAZ zu entnehmen, dass alle Mitbewerber um die Stromkonzession sich abgemeldet haben, nachdem selbst der halb-kommunale Versorger medl verzichtet hatte. (1) Mit der vorzeitigen Verlängerung der Mülheimer Stromkonzession ist leider auch eine Vorentscheidung gegen alle denkbaren städteübergreifenden Modelle im Stromsektor zumindest des westlichen Ruhrgebiets schwierig geworden, wenn sie nicht unter RWE-Federführung stehen. In etlichen Nachbarstädten laufen in den nächsten Jahren die Konzessionsverträge nämlich aus. Das Mülheimer RWE-Gebiet mittendrin blockiert dann aber logischerweise etliche zukunftsweisendere Lösungen unabhängiger vom RWE.
Auch Wasser soll teurer werden
Zum geplanten RWW-Wassertarif (Umstellung vom „Zählermaßstab“ auf den „Wohneinheiten-Maßstab“ und Erhöhung der Grundgebühr von 20 auf 50% auch noch pro Wohneinheit und nicht mehr pro Wasserzähler) stimmten gestern SPD, CDU und FDP gar den MBI-Antrag von der TO des Umweltausschusses, womit die ökologischen Auswirkungen dieses Vorhabens thematisiert werden sollten. So also kann das RWW ab Januar sein Risiko bei sinkender Einwohnerzahl minimieren und gleichzeitig die Mutter RWE den RWW-Verkaufspreis deutlich erhöhen.
Leidtragende sind in beiden Fällen zuallererst die Mülheimer Verbraucher, die ja bereits die Millionenverluste durch den städtischen Aktienbesitz tragen müssen. In zweiter Linie betroffen sind die Verbraucher vieler Nachbarstädte und -gemeinden, ob wie in Recklinghausen, Dorsten oder Sonsbeck nur als Wasserverbraucher oder in Oberhausen, Bottrop bzw. Gladbeck als Wasser- und Stromverbraucher oder in Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, aber auch Düsseldorf, als Stromkunden.(PK)
(1) http://www.derwesten.de/staedte/muelheim/nur-rwe-bleibt-im-rennen-um-die-konzession-id6066176.html
Lothar Reinhard ist MBI-Fraktionssprecher im Mülheimer Stadtrat
Online-Flyer Nr. 328 vom 16.11.2011
Druckversion