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Erfurter Familienbetrieb perfektionierte Verbrennungsöfen in Auschwitz
Sie nannten es "Arisierung“
Von Uwe Pohlitz und Peter Kleinert
Das ehemalige Firmengelände der Erfurter Unternehmerfamilie Topf & Söhne ist seit einem Jahr offizieller Erinnerungsort zur Problematik Verstrickung der deutschen Industrie mit dem NS-Regime. Durch die zielgerichtete Weiterentwicklung ihrer Verbrennungsöfen für in verschiedenen Konzentrationslagern Ermordete diente sich die Firma bei der Verbrecherorganisation SS regelrecht an. Auschwitz in seiner gigantischen und unvorstellbaren Grausamkeit wurde damit auch durch die mittelständische Firma aus Erfurt ermöglicht. Die Firmengeschichte kann man an diesem Erinnerungsort genau nachvollziehen, und die jüngste rassistische Entwicklung im Lande zeigt deutlich, wie solche historischen Ereignisse in die Gegenwart hineinwirken.
Online-Flyer Nr. 328 vom 16.11.2011
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Erfurter Familienbetrieb perfektionierte Verbrennungsöfen in Auschwitz
Sie nannten es "Arisierung“
Von Uwe Pohlitz und Peter Kleinert
Das ehemalige Firmengelände der Erfurter Unternehmerfamilie Topf & Söhne ist seit einem Jahr offizieller Erinnerungsort zur Problematik Verstrickung der deutschen Industrie mit dem NS-Regime. Durch die zielgerichtete Weiterentwicklung ihrer Verbrennungsöfen für in verschiedenen Konzentrationslagern Ermordete diente sich die Firma bei der Verbrecherorganisation SS regelrecht an. Auschwitz in seiner gigantischen und unvorstellbaren Grausamkeit wurde damit auch durch die mittelständische Firma aus Erfurt ermöglicht. Die Firmengeschichte kann man an diesem Erinnerungsort genau nachvollziehen, und die jüngste rassistische Entwicklung im Lande zeigt deutlich, wie solche historischen Ereignisse in die Gegenwart hineinwirken.
Topf & Söhne-Herren Julius, Johann Andreas und Ludwig Topf
Fotos: Ausstellung "Arisierung in Thüringen“
In den 1940er Jahren entschloss sich die Unternehmensleitung von Topf & Söhne zur Zusammenarbeit mit dem Reichssicherheitshauptamt, das die Konzentrationslager verwaltete. Dabei wurde kein Druck von oben ausgeübt. Allerdings hatte sich die Liquidität des Unternehmens mit Kriegsbeginn verschlechtert; im April 1941 erreichte der Schuldenstand mit 497.000 RM einen Höhepunkt. Im Oktober 1941 begann die Zusammenarbeit mit Karl Bischoff, dem Bauleiter der SS in Auschwitz, für die Errichtung des Krematoriums II mit fünf "Dreimuffelöfen" im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Schon vorher waren Krematoriumsöfen nach Dachau, Gusen, ins Stammlager von Auschwitz und nach Mogilev geliefert worden. (1)
Verbrennungsöfen in Auschwitz
Quelle: Wikipedia
Außergewöhnlich war die Kapazität der Anlagen in Auschwitz-Birkenau für insgesamt 4.416 Leichen pro Tag. Die Anlagen wurden von Ingenieuren des Unternehmens vor Ort installiert und auch repariert. Außerdem wurden auch Entlüftungsanlagen in den Gaskammern von Auschwitz eingebaut, die eine schnellere Entgasung und damit auch eine schnellere Abfolge der Ermordungen ermöglichen sollten. Mitarbeiter des Unternehmens Topf & Söhne hatten durch ihre Tätigkeit im Vernichtungslager Einblick in die Verbrechen. So waren namentlich Heinrich Messing und Karl Schultze vor Ort, als es am 14. März 1943 zum ersten Massenmord im Krematorium II kam. Auch Aufzeichnungen, in denen Arbeiten im „Auskleidekeller“ beschrieben sind, oder die Beschaffung von gasdichten Fenstern und Türen sowie Anzeigegeräten für Blausäure-Reste beweisen eine Mitwisserschaft.
Ehemaliges Bürogebäude des Unternehmens Topf & Söhne
Der DDR-Politiker Bruno Baum zitiert die „Zentralkommission zur Untersuchung der Naziverbrechen in Polen“ wie folgt: " Anfang 1943 übergab die Firma der Lagerleitung vier große neuzeitliche Krematorien, deren wesentlichster Bestandteil die Gaskammern waren. Die Krematorien waren mit den römischen Ziffern II, III, IV und V bezeichnet. Die Krematorien II und III besaßen je zwei unterirdische Kammern, in den Bauplänen Leichenkeller 1 und 2 genannt, die zusammen eine einzige für Menschen bestimmte Vergasungseinrichtung bildeten."
Ausstellungen und Vorträge, welche als themenrelevant zu betrachten sind, haben in dem früheren Verwaltungsgebäude von Topf & Söhne Priorität. Die Ausstellung zur "Arisierung“ in Thüringen führt BesucherInnen zielgerichtet in die ersten Jahre des Nazistaates. Das Haus erhält damit noch einmal eine besondere Symbolkraft.
Bereits mit der Machtübernahme der deutschen Faschisten im Jahr 1933 hatte eine massive Hetze und Verunglimpfung der jüdischen Bürger in allen Bereichen des öffentlichen Lebens begonnen. Das wurde von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung akzeptiert und auch unterstützt. Die Bürger des Landes mit der "unvollendeten Demokratie" verspürten in den ersten Jahren der Naziherrschaft einen gewissen Aufschwung im persönlichen Wohlstand. Das führte zu einer allgemeinen Zustimmung zur Politik der Nazis. Mitten hinein in diese Zeit führt uns eine historische Fotoausstellung als Teil des Gesamtprojektes "Arisierung in Thüringen“ im Erinnerungsort "Topf und Söhne“ in Erfurt.
Ausstellung "Arisierung in Thüringen"
Der Betrachter dieser Fotos erahnt die Begeisterung und den Fanatismus der verblendeten
Menschen. Aus Erzählungen meiner Eltern und Großeltern habe ich persönlich auch Kenntnisse über die damalige Zeit. Kinder und Jugendliche aus entfernten Dörfern liefen stundenlang zu Fuß, um Hitler im Erfurter Stadion zu sehen und zu hören. Sie kamen aufgeputscht und verhetzt von den Veranstaltungen der braunen Horden nach Hause. Das Volk wurde systematisch reif gemacht für Hitlers "Vorsehungen“.
Erfolgreich auch bei Kindern - Naziaufmarsch in Erfurt 1933
Nur etwa ein Prozent der damaligen Bevölkerung hatte im weitesten Sinne des Wortes etwas mit Widerstand zu tun. So fiel es den Nazis leicht, die geplante Ausrottung der deutschen und dann der europäischen Juden zu beginnen. Neid und Mißgunst waren dabei beste Partner. Also wurden zuerst das Vermögen und der Erfolg der Juden an den Pranger gestellt. Bereitwillige Juristen schufen die entsprechenden Gesetze, um das Vermögen der jüdischen Bürger offiziell zu konfiszieren. Dazu wurde der Begriff "Arisierung“ erfunden.
Hetzplakat an der Erfurter MohrenApotheke
Gierig stürzten sich deutsche Unternehmer auf das geraubte Vermögen. In der Ausstellung finden wir bekannte Firmennamen wieder. Viele Haushaltsgeräte, Kunstgegenstände, Pelze und Möbel wurden zu Gunsten der Staatskasse versteigert. Auf den Grundstücken und in den Häusern jüdischer Familien machten sich Nazibonzen breit. Das war noch der vergleichsweise "milde“ Anfang aller nachfolgenden Verbrechen. Das Vorgehen der Nazis war so öffentlich, dass keiner behaupten konnte, nichts davon gewußt zu haben. Diese Erkenntnisse führt uns die von Jenaer Studenten erarbeitete Ausstellung mit aller Deutlichkeit vor Augen. Eine weitere Schlußfolgerung: “Kein Zurückweichen vor faschistischen Denken und Handeln sowie keinen Platz für neue, alte Nazis zulassen.“ Es ist dringend notwendig, an all diese Ereignisse und Verbrechen zu erinnern. Die jüngste Entwicklung im Zusammenhang mit den "Döner-Morden" zeigt mit aller Deutlichkeit wie schnell sich so etwas wiederholen kann. (PK)
Werbung für ein arisiertes jüdisches Kaufhaus in Erfurt
Online-Flyer Nr. 328 vom 16.11.2011
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