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Inland
Deutscher Freidenker-Verband spricht O2/TELEFÓNICA-Chefs "unselig"
Model Vanessa Hessler ist nicht mehr Alice
Von Peter Kleinert

"Der Deutsche Freidenker-Verband hat - angeregt von der segensreichen Praxis der Konkurrenz - beschlossen, seinerseits verdiente Persönlichkeiten mit einer Unselig-Sprechung oder einer Scheinheilig-Sprechung zu würdigen. Unsere Würdenträger genießen den Vorteil, dass sie noch lebendig sind und diese Ehrung zu Lebzeiten genießen dürfen, während der Vatikan ja ausnahmslos Verblichene in ihrem vermeintlichen Leben nach dem Tod beehrt. René Schuster und Albert Fetsch haben die Voraussetzung der Unselig-Sprechung - den authentischen Ruf der Unseligkeit und Wundertätigkeit - mit wunderlichen Taten begründet, die hier gewürdigt werden sollen", heißt es in einer Mitteilung des DFV (1).
 

Gefeuertes Model -
Schauspielerin Vanessa Hessler
Beide Herren hatten Probleme mit zumindest einer Frau, nämlich Vanessa Hessler, ihres Zeichens Model und Schauspielerin. Sie diente bislang beiden Herren als Werbemaskottchen der Telefonmarke Alice. Telefónica O2 hatte den Festnetzbetreiber Hansenet mit rund 2,2 Millionen Kunden Ende 2010 für 900 Millionen Euro von Telecom Italia mit der Vereinbarung übernommen, die Marke Alice zwei weitere Jahre zu nutzen und dann schrittweise vom Markt zu nehmen. Dabei wurde auch Vanessa Hessler als das werbewirksame "Gesicht von Alice" mit eingekauft, sie hätte aber erst zum Vertragsablauf Ende 2012 "vom Markt genommen" werden können.
 
Warum "Unselig-Sprechung"?
 
Die Herren René Schuster und Albert Fetsch, ihres Zeichens Chief Executive Officer, respektive Leiter Externe Kommunikation der Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, werden vom Deutschen Freidenker-Verband im Namen der dreieinigen Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit "unselig“ gesprochen. Begründung: "Sie haben Vanessa Hessler, die bisher als Model und Werbemaskottchen der Firmenmarke gedient hat, fristlos entlassen. Die Schauspielerin hatte es gewagt, zu Libyen, zur Familie Ghaddafi und zum Vernichtungsfeldzug gegen das nordafrikanische Land ihre persönliche Meinung in einem Interview zu äußern."
 

Albert Fetsch - Leiter Externe
Kommunikation der Telefónica O2
Telefónica O2 selbst teilte auf seiner Werbehomepage lediglich mit: "Wie in den Medien berichtet, sind die Aussagen des Modells Vanessa Hessler (unserer bisherigen Werbefigur) zum ehemaligen libyschen Regime für uns als gesellschaftlich verantwortliches Unternehmen nicht tragbar. Die Zusammenarbeit zwischen ihr und Telefónica Germany wurde deshalb zu Anfang November beendet."
 
Tatsächlich hatte Vanessa Hessler sich, so die Redaktion von red globe (2) Ende Oktober in einer Pressekonferenz in Rom positiv über Muammar Gaddafis Sohn Mutassim geäußert, der gemeinsam mit seinem Vater von den Aufständischen in Libyen ermordet worden war und mit dem die Schauspielerin vier Jahre lang liiert war. Sie kritisierte offen die Waffen- und Finanzhilfen der westlichen Staaten für die Rebellen in Libyen, denn diese "wissen nicht, was sie tun". Davon nahm Vanessa Hessler auch nach dem Wirbel um ihre Äußerungen nichts zurück, sondern postete auf ihrem Facebook-Kommentar ein Faksimile des kompletten Interviews in der Zeitschrift Dipiù sowie den Kommentar "Ich danke allen, die ihre Solidarität mir gegenüber ausgedrückt haben. Herzlichen Dank von Vanessa"
 

René Schuster - Chief Executive
Officer von Telefónica O2
Doch die mediale Gleichschaltung konnte nicht einmal diese Einzelstimme pro Libyen und gegen die NATO und deren Helfershelfer im Lande dulden. Laut DFV "ein typischer Fall von Zensur, die bekanntlich in staatlicher Form verboten ist, aber legal und effektiv durch Akteure der so genannten Zivilgesell-schaft geübt wird. In diesem Falle der Unselig-Sprechung geht es also keineswegs um die NATO-Politiker oder Militärs, die sich durch den Angriffskrieg gegen Libyen schwerster völkerrecht-licher Verbrechen schuldig gemacht haben. Um diese Tätergruppe hätte sich eine ihres Namens würdige Strafjustiz zu kümmern. Auch handelt es sich hier nur mittelbar um die Kriegsjournaille, die gegen Libyen als vierte Waffengattung funktioniert hat. Mit jenen Journalisten, die zu gewaltsamer Einmischung in fremden Ländern trommeln, sollen sich Kollegen auseinandersetzen, wenn der schreibenden Zunft noch an beruflichem Ansehen und Berufsethos gelegen ist. Nein, es handelt sich bei dieser Unselig-Sprechung um ganz gewöhnliche Menschen, eben subalterne Geschäftemacher, die – auch ihrer Profitlogik folgend – vor dem herrschenden Meinungsterror moralisch eingeknickt sind. Wie darauf reagieren?
 
Nazi-Kollaborateur und Erzbischof
 
Hier hat die Katholische Kirche Anregung zu bieten. Sie praktiziert seit fast zwei Jahrtausenden die Selig- und Heiligsprechung. Einzelne Figuren sollen religiös verehrt werden, als Vorbilder zur Stärkung des Moralbewusstseins beitragen. Selbstverständlich im Sinne der Kirche. Aber dieser Kult bedeutet in heutigen Zeiten, da Antikommunismus und Fortschrittsfeindlichkeit in die Barbarei führen, dass auch Nazi-Kollaborateure wie der kroatische Erzbischof Aloisius Viktor Stepinac oder der Gründer des reaktionären Ordens Opus Dei, Josefmaria Escrivá, zu moralischen Vorbildern der Kirche avancieren.
 
Die Anpassung des Vatikans an den Zeitgeist hat das ganze Geschäft der Vermehrung von Seligen und Heiligen auf Touren aber auch in Verruf gebracht. Ganz allgemein sind vorbildliche Persönlichkeiten überhaupt rar geworden. Hier wirkt die "Dialektik der Entzivilisierung“ (Werner Seppmann), die der kapitalistischen Widerspruchsentwicklung eigen ist. Soll unter diesen Umständen über Fragen der Ethik und Moral Klarheit geschaffen werden, so scheinen manchmal auch neue Formen angebracht. Warum nicht an Beispielen moralisch verwerflichen Verhaltens über das Richtige und Gebotene aufklären?
 
Die Methode ist alt, neu ist das Verfahren, das eine alte kompromittierte Institution karikieren und im dialektischen Sinne "aufheben“ will. Die Religionskritik der Freidenker ist Gesellschaftskritik. Dem soll auch das neu geschaffene Institut der Unselig- und Scheinheiligsprechung dienen." Zum erstmaligen Fall seiner Anwendung mehr auf der Webseite des Deutschen Freidenker-Verbands (1).
 
Kündigungsgrund: Positive Äußerung über Gaddafi
 
Telefónica O2 selbst teilt auf seiner Werbehomepage kurz und knapp mit: "Wie in den Medien berichtet, sind die Aussagen des Modells Vanessa Hessler (unserer bisherigen Werbefigur) zum ehemaligen libyschen Regime für uns als gesellschaftlich verantwortliches Unternehmen nicht tragbar. Die Zusammenarbeit zwischen ihr und Telefónica Germany wurde deshalb zu Anfang November beendet."
 
Tatsächlich hatte Vanessa Hessler sich Ende Oktober in einer Pressekonferenz in Rom positiv über Muammar Gaddafis Sohn Mutassim geäußert, der gemeinsam mit seinem Vater von den Aufständischen in Libyen ermordet worden war und mit dem die Schauspielerin vier Jahre lang liiert war. Sie kritisierte offen die Waffen- und Finanzhilfen der westlichen Staaten für die Rebellen in Libyen, denn diese "wissen nicht, was sie tun". Davon nahm Vanessa Hessler auch nach dem Wirbel um ihre Äußerungen nichts zurück, sondern postete auf ihrem Facebook-Kommentar ein Faksimile des kompletten Interviews in der Zeitschrift Dipiù sowie den Kommentar "Ich danke allen, die ihre Solidarität mir gegenüber ausgedrückt haben. Herzlichen Dank von Vanessa"
 
Um ihre Zukunft braucht sich Vanessa Hessler keine Sorgen zu machen. In den letzten Tagen feierte sie im italienischen Fernsehen Erfolge als Schauspielerin in dem Film "La ragazza americana". Außerdem wurde nur wenige Tage nach ihren Gaddafi-Kommentaren bekannt, dass sie im kommenden Jahr das neue Gesicht der italienischen Modemarke Replay werden soll. (PK)
 
(1) http://www.freidenker.org/cms/dfv/index.php
(2) http://www.redglobe.de/


Online-Flyer Nr. 330  vom 30.11.2011

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