NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 21. Dezember 2024  

zurück  
Druckversion

Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Demokratie mit Schweigegesetz und Gedankenpolizei
Von Evelyn Hecht-Galinski

Amos Schocken, Herausgeber der israelischen Tageszeitung Haaretz, fühlte sich verpflichtet, einen Artikel zu Übereinstimmungen Israels mit Südafrika als "Apartheidstaat" zu schreiben. Er kritisierte die neuen Pressegesetze und griff auch das Oberste Gericht und die "Jüdische Lobby" an. Er griff die Gesetze gegen die Menschenrechtsorganisationen und die Pressefreiheit an und verglich diese mit ähnlichen Anfängen wie in "Nazi-Deutschland."
 
Was hat diesen Zeitungsherausgeber dazu bewogen, die Zustände so zu kritisieren? Er griff auch die Siedler mit ihrer Gush Emunim-Ideologie an, die Israel für Juden "rein" halten wollen. Ich drücke es noch drastischer aus, es gibt keine gemäßigten Zionisten. Es gibt auch keine "Umweltorganisation" Keren Kayemed", es gibt auch keine ausgestreckte Hand Israels, die Frieden will, es gibt nur eins: Israel will den Palästinensern alles nehmen, alles vorenthalten und letztlich die Palästinenser so mürbe machen, dass sie freiwillig das Feld räumen.
 
Allerdings auf dem Weg dahin werden täglich neue Gesetze verabschiedet, die auch in Israel selbst den letzten Anschein eine Demokratie zu sein beenden. Mit dem neuen Pressegesetz wird sich jeder Journalist oder Redakteur zweimal überlegen ob er kritischen Journalismus, oder etwas Kontroverses schreiben und veröffentlichen wird. Denn wer kann es sich schon leisten, für einen Artikel bis zu 60.000 Euro zu bezahlen.
 
Sollte sich ein Bürger, oder Politiker durch eine Sendung oder einen Artikel verunglimpft fühlen, auch ohne dass ihm ein Schaden entstanden ist, muss er nicht einmal einen Nachweis erbringen, dass ihm Schaden entstanden ist. Diese sogenannte Novelle des Anti-Diffamierungsgesetz wird als Reform ausgegeben, Reform von was? Reform eines Gesetzes das widerrechtlich die Meinungsfreiheit der Presse einschränkt? Man will - und das wird immer klarer - das Ende der offenen Debatten mit den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Gerade auch, weil die Verknüpfung von Wirtschaft, Oligarchen und Regierenden in Israel so stark ist.
 
Wird nicht - als ein Beispiel unter vielen - das Hausblatt von Netanjahu "Hajom", das täglich 200.000mal kostenlos verteilt wird, von einem US Mäzen finanziert? Dieser Mäzen wäre besser beraten an die 46 Millionen US Amerikaner zu denken, die von Lebensmittelgutscheinen leben müssen. Die faschistische Gedankenpolizei hat schon "Kol Haschalom" geschlossen, einen von israelischen und palästinensischen Friedensaktivisten gemeinsam betriebenen Radiosender, dessen Sendemast in Ramallah stand. Sie wurden vor die Alternative gestellt, entweder dicht zu machen, oder ein Verfahren wegen Betreibens eines Piratensenders an den Hals zu bekommen. Ein Likud-Abgeordneter namens Danny Danon räumte ein, dass es in Wahrheit um die Inhalte der Sendungen ging!
 
Was trennt Israel angesichts dieser Repressalien eigentlich noch von einem "Regime"? Die Wahlsieger in Marokko werden als "gemäßigt islamistisch" bezeichnet - welch ein Ausdruck! Haben wir es bei der israelischen Regierung nicht mit einem "ungemäßigt judaistischen" Regime zu tun?
 
Hilfsorganisatinen sollen keine Gelder mehr erhalten dürfen, Redakteure sollen mit drakonischen Strafen abgehalten werden die Wahrheit zu berichten, der Palästinensischen Regierung werden die ihr zustehenden Gelder vorenthalten, nur als Strafe und Vergeltung für den Gang vor die UNO und zu einem Versöhnungsgipfel mit der Hamas.
Es ist dringend an der Zeit, dass die deutsche Außenpolitik sich besinnt und Israel von diesem Kurs abbringt. Zeigten sich Außenminister Westerwelle und Innenminister de Maizière nicht offen für Friedensgespräche mit den "radikal -islamischen" Taliban und sprachen Afghanistan betreffend die weisen Worte: "In dieser Situation kann der Westen nicht einfach sagen: Ihr seid die Bösen, mit euch verhandeln wir nicht. Und: "Aussöhnung findet nicht zwischen Freunden, sondern zwischen bisherigen Gegnern statt".
 
Hört, hört, sollten diese Worte nicht auch für den Dialog zwischen der Hamas und dem Westen gelten? Oder haben wir - wie schon viel zu oft - zweierlei Maß, wenn es um Israel und seine Menschenrechtsverletzungen und seine "Verhandlungs-Unbereitschaft" geht? Wann hört das endlich auf? Wie weit lässt man Israel noch gehen? Bis alles in Trümmern liegt, wie jetzt schon Gaza? Diese Entmenschlichung der Palästinenser und die Unterdrückung nimmt in einem unbeschreiblichen Maße zu, ohne - und das ist der eigentliche Skandal - ohne wirklich zur Kenntnis genommen zu werden. Es ist eine Missachtung des palästinensischen Volkes, eine nicht endende Nakba.
 
In Großbritanien wird auf Druck der Israel-Lobby eben mal die Electronic Intifada, eine der wichtigsten und angesehensten Internet-Zeitungen von Ali Abunimah von der Berichterstattung über die Israel-Konferenz in Manchester ferngehalten. Der Druck auf die Pressefreiheit nimmt zu, insbesondere wenn es um eine faire und ANGEMESSENE Israel-Berichterstattung geht.
 
In Frankreich trifft sich Sarkozy wieder mit dem CRIF (Conseil representatif des Institutions juives de France), dem französischen Pendant zum Zentralrat der Juden, um Solidarität mit Israel und der jüdischen Lobby zu beweisen und alle Missverständnisse auszuräumen. Obwohl doch eben mal der französische Konsul in Gaza bei israelischen Angriffen mit seiner Tochter leicht verletzt wurde und seine im zweiten Monat schwangere Frau das Kind verlor.
 
Warum liest man nicht in deutschen Medien die unsäglichen Aussagen von Netanjahu, dass er die westlichen Staaten für den Sturz Mubaraks angreift und sich um Israel wegen Ägypten sorgt. Baut Israel deswegen mit Hochdruck an einer monumentalen Grenzanlage zu Ägypten? Reicht nicht schon eine Apartheidmauer im Apartheidstaat Israel? Netanjahu meinte: "Bei Mubarak wusste man was man hat". Die Menschen auf dem Tahrir Platz interessieren ihn ebenso wenig wie die Palästinenser. Auch die israelischen Demonstrationen haben ihn nicht wirklich interessiert, wusste er doch ganz genau, wie man von diesen wieder schnell ablenken konnte. Ich muss es also wiederholen: die israelischen Proteste sind einzig und allein soziale, ohne Empathie für die Palästinenser und ohne Interesse an einem Frieden mit den Palästinensern. Denn in Israel fehlt im Gegensatz zu Ägypten eine Zivilgesellschaft, die sich gegen diesen zionistisch-rassistischen Staat aufbäumt. Man wählt diese Regierung immer noch mit großer Mehrheit, und das ist das besonders Erschreckende: auch bei der Jugend ist sie sehr beliebt!
 
Leute wie Netanjahu und Lieberman und andere haben Israel seit Regierungsantritt in einen faschistischen, rassistischen Staat verwandelt, und die Siedler und ihre Helfer haben mit dazu beigetragen, aus Israel einen totalen Apartheidstaat für jüdische Belange zu machen. Um "jüdische" Belange ging es auch als Ex-Premier Olmert kürzlich seinen Vortrag in der Jüdischen Gemeinde in Bochum hielt. Ich frage, warum konnte dieser unter Korruptionsverdacht stehende Kriegsverbrecher so ungehindert in Deutschland einreisen, anstatt an der Grenze verhaftet zu werden? Warum - und das ist der eigentliche Skandal - führte der ehemalige deutsche Botschafter und SPD-Sozialminister Rudolf Dreßler – einst ein engagierter als links geltender IG Druck und Papier-Gewerkschaftsfunktionär – Olmert auch noch höchst freundlich ein und würdigte dessen politisches Wirken und seine Bemühungen, Frieden mit den Palästinensern herbei zu führen? Ein Skandal, dass einem Kriegsverbrecher und Hauptanzettler des Libanon-Krieges und der Gaza-Offensive so unkritisch der Hof gemacht wurde.

Zur Abrundung des "Hofjournalismus" durfte Richard Chaim Schneider, der Israel-Korrespondent der ARD und Leiter des ARD-Studios Tel Aviv auch noch ein Interview mit Olmert führen. Ein, wie ich meine, erschreckender Philosemitismus, der auch und gerade in den Medien um sich greift. (PK)
 
Evelyn Hecht-Galinski ist Publizistin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Mit diesem Kommentar setzt sie ihre Serie fort, die sie "vom Hochblauen", ihrem 1186 m hohen "Hausberg" im Badischen, schreibt.
 


Online-Flyer Nr. 330  vom 30.11.2011

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FILMCLIP



Video von Georg Maria Vormschlag
FOTOGALERIE