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Inland
Verfassungsbeschwerde mit Antrag auf einstweilige Anordnung
Nur das Volk kann die Schulden annullieren
Von Marianne Grimmenstein

Die unabhängige Bürgerinitiative INITIATIVE VOLKSENTSCHEID hat am 1. Dezember 2011 eine Verfassungsbeschwerde wegen der ungelösten Finanzkrise mit Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Mit der Initiative Volksentscheid haben bisher über 350 Bürgerinnen und Bürger die gleiche Beschwerde erhoben. Die Staatsverschuldung droht außer Kontrolle zu geraten, weil die Zinsbelastung für die Schulden der Vergangenheit die heutige Verschuldung noch mehr in die Höhe treibt. Dies gefährdet die Zukunft unserer Kinder und der künftigen Generationen.

Cartoon: Kostas Koufogiorgos
 
Deshalb hat die Initiative Volksentscheid beim Bundesinnenminister am 31.10.2011 einen Antrag auf Durchführung einer bundesweiten Volksabstimmung nach Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz eingereicht, der abgelehnt wurde. Zu der folgenden Frage sollen sich die Bürgerinnen und Bürger schnellstens entscheiden können: "Wollen Sie, dass Deutschland sich das von ihm benötigte Geld zinslos selber erschafft, statt es von Privatbanken gegen Zins zu leihen?" 
 
Der Bundesinnenminister lehnte diesen Antrag mit Schreiben, vom 3.11.2011 ab. Die Initiative Volksentscheid erhob mit Schreiben von 13.11.2011 begründeten Widerspruch mit der Rüge versagter Anhörung. Daraufhin erließ der Bundesinnenminister den Bescheid von 16.11.2011, der erneut jedes rationale Eingehen auf den Antrag der Initiative Volksentscheid vermissen lässt. Gegen die Bescheide des Bundesinnenministers richtet sich jetzt die Verfassungsbeschwerde.
 
Die Wichtigkeit der gestellten Volksabstimmungsfrage
 
Der Bundesinnenminister kann die Ablehnung der Volksabstimmungsfrage nicht damit begründen, dass die Frage zu unbedeutend im Verhältnis zum Aufwand einer Volksabstimmung ist oder es zu wenig Unterstützer gibt. Aus vielen kürzlich durchgeführten Meinungsumfragen ist allgemein bekannt, dass etwa 80% der erwachsenen Deutschen Rettungsschirme (= staatliche Zinszahlungen an Privatbanken) ablehnen, so dass eine voraussichtlich bejahende Volksabstimmung für die BRD eine Einsparung von jährlich etwa 40 Milliarden € ergeben würde.  
 

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich
NRhZ-Archiv
Volksabstimmungen müssen auch nicht unbedingt immer notwendig vom Volk angestoßen und eingeleitet werden, vielmehr ergibt sich aus der verfassungs-rechtlichen Gleichwertigkeit von Wahlen und Volksabstim-mungen, dass sie auch von den anderen Verfassungsorganen initiiert werden können und auch sollten. Z.B. wenn eine schwie- rige Lage die richtung-weisende Entscheidung des obersten Verfassungsorgans Volk gebietet oder bekannt wird, dass sich ein Verfassungsorgan bei seiner Staatsgewaltausübung von der Auffassung der Volksmehrheit
                                                                   entfernt hat.
Die gegenwärtige Bankenkrise ist so ein Fall, da das dem Volk nachgeordnete Verfassungsorgan Bundesregierung von den Privatbanken mit ihrer Systemrelevanzlüge zu lobbygünstigen und volksschädlichen Maßnahmen erpresst wird.. Die Amtseide der Bundeskanzlerin und des Bundesinnenministers bleiben unerfüllt, weil sie die ihnen abgepressten Maßnahmen als alternativlos ausgeben müssen, diese aber nur subjektiv, nicht aber objektiv sind.

Als sich z.B. Papandreou weigerte, seine Erpressung als alternativlos anzusehen und das Volk über die Bankenrettung abstimmen lassen wollte, herrschte bei den Erpressern und den bereits Erpressten blankes Entsetzen, weil die Erpressung von Millionen Griechen natürlich unmöglich gewesen wäre, der Erpressungstatplan zur Bankensubvention also wahrscheinlich gescheitert wäre. Der deutsche Bundesinnenminister müsste also wissen, dass er mit seiner Sabotage der Volksabstimmung die Mehrung des Volkswohls verhindert und nur noch das Volk selber sein Wohl erkennen und mehren kann (siehe Immanuel Kant, Schriften v. 1790 bis 1796, Berlin 1914, S. 378: „Nur sich selbst kann niemand Unrecht tun“), zumal außer dem Bundespräsidenten kein anderes Verfassungsorgan ans Gemeinwohl gebunden ist.

Bankrettungen führen in die Oligarchie

Michael Hudson, der renommierte Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Missouri in Kansas City, beweist in seinem Artikel „Was sind Schulden?“ in der FAZ vom 3.12.2011 ganz klar, dass Bankrettungen in die Oligarchie führen und der Finanzsektor eine neue Art der Kriegsführung betreibt. „Sie verlangen, dass der Staat spart, und fordern sogar die Privatisierung staatlichen Vermögens. Damit verlegt sich die internationale Finanzwelt auf eine neue Art von Kriegsführung, die dasselbe Ziel verfolgt wie in früheren Zeiten die militärische Eroberung: die Aneignung von Land und Bodenschätzen, die Übernahme staatlicher Infrastrukturen und die Erhebung von Tributzahlungen… Die organisierte Bankrettung ist heute für den größten Teil der wachsenden Staatsverschuldung verantwortlich. Diktiert wurde all das von den Vertretern des Finanzsektors… Weder Banken noch staatliche Stellen (noch auch Mainstream-Akademiker) haben berechnet, wie viel die Wirtschaft realistisch zahlen kann – das heißt, ohne zu schrumpfen… Schlicht und einfach gesagt: Das Ergebnis ist eine Ramsch-Ökonomie, deren Ziel ist, staatliche Kontrolle unmöglich zu machen und die Planungsgewalt in die Hände der Hochfinanz zu legen, weil es angeblich effizienter sei als eine staatliche Regulierung… Der Staat soll eine Schuldenlast tragen, die nicht wie in früheren Zeiten aufgenommen wurde, um das Land im Krieg zu verteidigen, sondern um der reichsten Schicht des Landes durch eine Übertragung der Verluste auf die Steuerzahler Vorteile zu bescheren.“
 
Nach Professor Hudson besteht die Alternative zu den gemeinwohlschädlichen Bestrebungen des Finanzsektors nur darin, die Schulden abzuschreiben und gar zu annullieren, die man zurzeit nur durch eine Volksabstimmung erreichen könnte, und die Regulierung der Finanzmärkte zu verstärken. Es müsste jedem klar sein: Schulden, die nicht bezahlt werden können, sind keine. Hier muss noch unbedingt darauf hingewiesen werden, dass Professor Hudson der erste und einzige war, der den genauen Zeitpunkt voraussagte, zu dem die amerikanische Immobilienblase platzen sollte. Er sah auch die verheerenden Folgen für die gesamte Wirtschaft kommen.
 
Bürger sind genauso gut informiert wie Abgeordnete
 
Bekanntermaßen existiert die Auffassung, bundesweite Themen seien dermaßen komplex, dass sie nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ bei einer Volksabstimmung zu erfassen sind. Daraus schließt man, alle Themen auf Bundesebene im Rahmen der Stellvertreterdemokratie durch Legislative und Exekutive zu entscheiden. Das ist eine sinnverändernde (= verfassungswidrige) Auslegung. Im Grundgesetz ist ausdrücklich von der Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk UND durch entsprechende Organe (Bundestag, Regierung, Rechtsprechung) die Rede. Die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk erfolgt laut Grundgesetz durch Wahlen UND Abstimmungen. Die im Grundgesetz genannten zwei Fälle zwingend notwendiger Volksentscheide stellen keine abschließende Aufzählung dar. Das heißt, das Grundgesetz enthält bereits jetzt die Voraussetzung einer bundesweiten Volksabstimmung. Die Initiative Volksentscheid mit den zahlreichen Beschwerdeführern greift mit ihrem Antrag auch nicht in die Gesetzgebungskompetenz des Bundestages oder die Verwaltungsbefugnis der vollziehenden Gewalt ein, da die Volksabstimmung lediglich eine Grundsatzentscheidung beinhaltet. Die konkrete Umsetzung der getroffenen Entscheidung erfolgt dann durch Gesetze oder Verordnungen, die der Deutsche Bundestag oder die Bundesregierung entsprechend ihren Aufgaben zu beschließen haben.
 
Des Weiteren muss festgestellt werden, dass die Bundestagsabgeordneten auch über Gesetze abstimmen, deren Inhalt sie nicht ausreichend kennen. Es besteht also häufig kein Unterschied im Grad der Informiertheit zwischen Abgeordneten und Volk. Daher entspricht es dem Wesen der Demokratie und dem Wortlaut und Sinn des Grundgesetzes, Volksabstimmungen durchzuführen. Es handelt sich nur um die Umsetzung der bereits jetzt im Grundgesetz enthaltenen Möglichkeiten.
 
Bestätigung der Grundsätze der Demokratie
 
Selbst das Bundesverfassungsgericht bestätigt im Urteil des zweiten Senats zum Lissabon Vertrag (BverG, 2 BvE 2/08) vom 30.6.2009 die Unveränderlichkeit der Grundsätze der Demokratie, welche die Durchführung von Wahlen und Abstimmungen bedeuten:   
 
„Absatz 211
b) Das Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, ist der elementare Bestandteil des Demokratieprinzips. Der Anspruch auf freie und gleiche Teilhabe an der öffentlichen Gewalt ist in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) verankert. Er gehört zu den durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG als unveränderbar festgelegten Grundsätzen des deutschen Verfassungsrechts.
 
Absatz 212
aa) Soweit im öffentlichen Raum verbindliche Entscheidungen für die Bürger getroffen werden, insbesondere über Eingriffe in Grundrechte, müssen diese Entscheidungen auf einen frei gebildeten Mehrheitswillen des Volkes zurückreichen. Die vom Grundgesetz verfasste Ordnung geht vom Eigenwert und der Würde des zu Freiheit befähigten Menschen aus. Diese Ordnung ist rechtsstaatliche Herrschaft auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit in Freiheit und Gleichheit (vgl. BVerfGE 2, 1 <12>). Die Bürger sind danach keiner politischen Gewalt unterworfen, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen.
 
Absatz 213
bb) Für die vom Grundgesetz verfasste Staatsordnung ist eine durch Wahlen und Abstimmungen betätigte Selbstbestimmung des Volkes nach dem Mehrheitsprinzip konstitutiv.“
 
Die Initiative Volksentscheid beantragte auch die einstweilige Anordnung, die zur Vermeidung schwerer Nachteile, zur Verhinderung möglicher Gewalt und zur Förderung des gemeinen Wohls dringend erforderlich ist.
 
LeserInnen dieses Artikels können noch der Verfassungsbeschwerde beitreten. Das Beitrittsformular und den kompletten Verfassungsbeschwerdetext finden Sie auf der Homepage der INITIATIVE VOLKSENTSCHEID www.initiative-volksentscheid.de. Dort können Sie auch den kostenlosen Newsletter abonnieren. (PK)


Online-Flyer Nr. 331  vom 07.12.2011

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