Filmclips
Mumia Abu-Jamal
Von Peter Kleinert
Am 17. August 1995 sollte im US-Bundesstaat Pennsylvania der afroamerikanische Journalist Mumia Abu-Jamal hingerichtet werden. Sein Fall - einer von fast 3ooo Todeskandidaten in den USA - erregte internationale Aufmerksamkeit. Wir wollten durch einen Film die Solidaritätsbewegung in Deutschland verstärken. Die Drehgenehmigung wurde abgelehnt, doch der Hinrichtungsbefehl wurde zehn Tage vor dem Termin ausgesetzt. Danach bekamen wir endlich die Dreherlaubnis in Philadelphia.
Der Afroamerikaner Mumia Abu-Jamal, der schon als 15jähriger in der Black Panther Party aktiv und seit Anfang der 7oer Jahre für seine engagierte und bei US-Behörden wenig beliebte Radioberichterstattung bekannt geworden war, wurde 1982 in einem skandalös unfairen und rassistischen Prozeß zum Tode verurteilt, weil er angeblich einen Polizisten ermordet hatte.
Unser Film dokumentiert durch ein Interview mit Mumia, durch Gespräche mit Weggefährten, Familienangehörigen, Prozeßbeteiligten und durch Archivmaterial wesentliche Teile seiner Biografie, den Prozeßverlauf und den langen Kampf um ein Wiederaufnahmeverfahren - die einzige Möglichkeit, dem Tod durch die Giftspritze zu entgehen.
Staatsanwalt Joseph Mc Gill bleibt im Film bei seiner wahrheitswidrigen Version des Tathergangs, mit der er 14 Jahre zuvor im Prozeß eine überwiegend weiße Jury zum Schuldspruch bewegt hatte. Mumias damaliger Rechtsanwalt Len Weinglass nennt die Fakten und Zeugenaussagen, die schon 1982 Mumias Unschuld bewiesen hätten, wären sie damals Prozeßgegenstand geworden.
Zu Wort kommen u.a. auch der Präsident der rechtsradikalen
Polizeigewerkschaft "Fraternal Order of Police", die eine "elektrische Couch für Abu-Jamal und seine Unterstützer" gefordert hatte, und der Vorsitzende der "Gewerkschaft Schwarzer Polizisten", der von Abu-Jamals Unschuld überzeugt ist, der Schauspieler Ossie Davis, das MOVE-Mitglied Pam Africa aus der Solidaritätsbewegung, Lydia Wallace, Abu-Jamals Schwester und sein Sohn Jamal Ibu-Mumia.
Bis zum Jahr 2000 erhielten wir im deutschen Fernsehen keinen Sendeplatz für diesen Film. Die deutsche Fassung, dazu je eine englische, französische und spanische liefen auf internationalen Festivals und Veranstaltungen und im Stadtfernsehen von New York. Pressetexte zu Fernsehfilmen befassen sich in der Regel mit denselben - kurz vor oder nach der Sendung. Sie kritisieren oder loben. Das hängt vom Geschmack und von der politischen Haltung des Journalisten ab.
Der "Süddeutschen Zeitung" war es in ihrer Wochenendbeilage vom 16./17. März 1995 - kurz vor einem wieder einmal angesetzten Hinrichtungstermin - gelungen, durch einen Artikel mit der Schlagzeile "Solidaritäter" in Sachen Mumia Abu-Jamal eine bereits in Aussicht gestellte Sendung des Films in der WDR-Auslandsredaktion zu verhindern. SZ-Autor Burkhard Müller-Ulrich nannte den Prozeß "rechtsstaatlich", wußte von einem angeblichen Geständnis Mumias ("I shot the motherfucker and hope he dies."), unterschlug die zu diesem Zeitpunkt bekannten Entlastungszeugen Mumias, die Polizei und Staatsanwaltschaft entweder vor dem Prozeß unter Druck gesetzt oder an der Prozeßteilnahme gehindert hatten. Menschen, die sich für einen neuen, fairen Prozeß einsetzten, nannten er und die SZ in der Überschrift "Solidaritäter". Um einen ähnlichen Hetz-Artikel - diesmal im SPIEGEL - ging es in einem Interview mit dem Theater- und Filmschauspieler Rolf Becker, der Mumia später auch im Todestrakt besuchen durfte.
Bevor der SZ-Artikel erschien, waren wir in - zunächst positiv aussehenden - Verhandlungen mit den Kollegen im WDR gewesen. Danach wurde - unter Hinweis auf die SZ - entschieden: Diesen Film werden wir nicht senden. Versuche, die angeblichen Beweise aus der SZ in einem Gespräch mit der Redaktion oder vor dem Redaktionsausschuß zu widerlegen, wurden abgeblockt. Wir haben den Film also auf eigene Kosten gemacht und in Solidaritätsveranstaltungen gezeigt.
Anfang 2000 rief uns eine Redakteurin von 3sat an. Sie habe den Film in Frankfurt gesehen und würde ihn gern senden. Die FAZ vom 18.3.2000 kündigte die 3sat- Sendung an: "Der Film "Hinter diesen Mauern" kritisiert den Prozeß von damals, bei dem, wie der Strafverteidiger Leonard Weinglass sagt, Zeugen bestochen und andere gar nicht zur Aussage gebeten worden seien. Damit stehen die Dokumentaristen Jule Buerjes und Heike Klaffner(!) in einer Reihe mit internationalen Schauspielern, Autoren und Intellektuellen, etwa Jacques Derrida, die bereits gegen das Verfahren protestiert haben und damit schließlich Abu-Jamals Hinrichtung im August 1995 verhindert haben. Es scheint, angesichts der Unglaubwürdigkeiten und Lücken im Prozeß, auf die die Dokumentation hinweist, kaum möglich, daß das Urteil doch noch vollstreckt wird."
In der FR vom 18.3.2000 hieß es u.a.: "Kleffner und Buerjes haben einen brisanten Dokumentarfilm gedreht, in dem sie die Polizei- und Justizmethoden beleuchten, die Abu-Jamal in die Todeszelle brachten... Der Report ordnet Abu-Jamals Lebensgeschichte in die Zeitgeschichte ein und zeigt die Wut der schwarzen Befreiungsbewegung über einen korrupten und rassistischen Polizeiapparat, der 1981 als "Schlägerbande mit Weltklasseformat" Schlagzeilen machte... Voraussichtlich wird Abu-Jamals Fall im Mai auf Bundesgerichtsebene verhandelt." - Leider geschah dies damals nicht. So konnte Mumia Abu-Jamal erst jetzt, fast 30 Jahre nach dem Todesurteil, aus der Todeszelle in "Administrativhaft" verlegt werden, wie Jürgen Heiser in dieser NRhZ-Ausgabe berichtet.
Autorinnen: Heike Kleffner und Jule Buerjes
Auftraggeber: KAOS Film- und Video-Team Köln
Produktionsjahr: 1996
Länge: 67 min.
Kamera: Dieter Königsmann
Ton: Till Butenschön
Schnitt: Birgit Köster
Musik: Ali Farka Touré, Ry Cooder
Produktionsleitung: Peter Kleinert
Wenn Sie den Film auf DVD bestellen wollen, finden Sie alle nötigen Hinweise auf der Seite www.kaos-archiv.de in der Rubrik "Dokfilme" (PK)
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