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Globales
Gedanken nach einem Besuch von Mahmoud Ahmadinejad in Cuba
"Der Weltfrieden hängt am seidenen Faden"
Von Fidel Castro

Mitte 2006 erlitt Fidel Castro eine Darmblutung, woraufhin er einer komplizierten Operation unterziehen musste, in deren Folge er -  zunächst nur „vorläufig“, Anfang 2008 dann endgültig - von seinen politischen Ämtern zurücktrat. Er empfängt jedoch noch gelegentlich hohen Besuch aus befreundeten Staaten. Fast täglich setzt sich der seit 1959 – Abschluß-Datum der erfolgreichen Revolution – regierende 86jährige – von den Medien oft Máximo Líder (Größter Führer) oder Comandante en Jefe (Oberkommandierender) genannt – an seinen Schreibtisch und schreibt Reflexiones (Überlegungen) für seine Landsleute. Hier der Text vom 13. Januar.

Quelle: www.gisxxi.org/noticias/reflexiones
 
Gestern habe ich die Freude genossen, mich in aller Gelassenheit mit Mahmoud Ahmadinejad
unterhalten zu können. Ich hatte ihn seit September 2006 nicht mehr gesehen, d.h. seit mehr als fünf Jahren, als er unser Land besuchte, um am 14. Gipfeltreffen der Blockfreien Länder in Havanna teilzunehmen, wo Kuba zum zweiten Mal für die vorgesehene Frist von drei Jahren für die Präsidentschaft dieser Organisation gewählt wurde.
 
Ich war am 26.Juli 2006, einen Monat vor diesem Treffen erkrankt, und konnte mich kaum im Bett aufrichten. Mehrere der am Event teilnehmenden hervorragendsten Führungspersönlichkeiten waren so freundlich, mich zu besuchen. Chávez und Evo mehrere Male. An einem Mittag kamen vier, an die ich mich immer erinnere: Kofi Annan, Generalsekretär der UNO, Abdelaziz Buteflika, ein alter Freund, Präsident von Algerien;   Mahmoud Ahmadinejad, Präsident des Iran, und ein stellvertretender Außenminister der chinesischen Regierung und jetzt Außenminister dieses Landes, Yang Jiechi, in Vertretung von Hu Jintao, Parteivorsitzender der Kommunistischen Partei und Präsident der Volksrepublik China. Das war wirklich ein bedeutender Augenblick für mich, der ich damals gerade unter großen Anstrengungen meine rechte Hand heilgymnastisch behandelte, die beim Unfall, d.h. beim Sturz in Santa Clara ernsthaft Schaden erlitten hatte. Mit den Vier habe ich Aspekte jener Probleme kommentiert, welche die Welt zu jenem Zeitpunkt konfrontierten. Die sind übrigens immer komplizierter und schwieriger geworden.
 
Beim gestrigen Treffen sah ich den iranischen Präsidenten völlig gelassen und ruhig, vollkommen gleichgültig gegenüber den Drohungen der USA, im kompletten Vertrauen in die Fähigkeit seines Volkes, jeglicher Aggression zu begegnen, und auf die Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit der Waffen - die sie zum Großteil selbst herstellen, um den Aggressoren einen unbezahlbaren Preis abzuverlangen.
 
Das Kriegsthema wurde im Gespräch kaum berührt, sein Denken war auf jene, während seines Vortrags im Audimax der Universität Havanna dargelegten Ideen konzentriert, die auf den Kampf um das menschliche Wesen gerichtet waren: „Voranschreiten, bis der Frieden erreicht und bewirkt ist, und die Sicherheit, die menschliche Achtung und Würde, als ein Wunsch aller Menschen im Verlaufe der gesamten Geschichte.“
 
Ich bin sicher, dass seitens Iran keine unüberlegten, voreiligen Aktionen zu erwarten sind, die zum Ausbruch eines Krieges beitragen. Wenn dieser unweigerlich ausgelöst wird, dann wird dies als Ergebnis der Hitzköpfigkeit und angeborenen Unverantwortlichkeit des US-Imperiums geschehen. Ich bin der Meinung, dass die rund um den Iran geschaffene politische Situation, die alle verwickelt, und die aus ihr hervorgehenden Gefahren eines Atomkrieges in sich birgt – unabhängig davon, ob sie solche Waffen besitzen – äußerst heikel ist, da sie die Existenz unserer Gattung selbst bedroht. Der Mittlere Osten ist zur
konfliktreichsten Region der Welt geworden, und gleichzeitig zum Gebiet, wo die lebenswichtigen energetischen Ressourcen für die Weltwirtschaft erzeugt werden.
 
Die Zerstörungskraft und die starken Leiden großer Menschenmengen, die einige der im Zweiten Weltkrieg verwendeten Mittel verursacht hatten, haben eine starke Tendenz zum Verbot einiger solcher Waffen hervorgerufen, wie zum Beispiel der Atemgifte und anderer in jenem Krieg angewandter. Jedoch die Kämpfe um die gegensätzlichen Interessen und die riesigen Gewinne der Waffenproduzenten haben diese dazu geführt, immer grausamere und zerstörerischere Waffen herzustellen, bis die moderne Technologie jenes Material und jene Mittel lieferte, deren Anwendung in einem Weltkrieg zur Ausrottung und Vernichtung führen würde.
 
Ich vertrete die Meinung, die ohne Zweifel von allen jenen Menschen mit einem
elementaren Sinn für Verantwortung geteilt wird, dass kein einziges großes oder kleines Land das Recht hat, Atomwaffen zu besitzen.
 
Diese hätten niemals verwendet werden dürfen, um zwei wehrlose Städte wie Hiroshima und Nagasaki anzugreifen, hunderttausende Männer, Frauen und Kinder zu ermorden und mit schrecklichen und dauerhaften Auswirkungen radioaktiv zu bestrahlen, Städte eines Landes, das schon militärisch besiegt war.
 
Wenn der Faschismus die gegen ihn alliierten Mächte dazu gezwungen hat, mit jenem Feind der Menschheit bei der Herstellung solcher Waffen in Wettbewerb zu treten, so bestand nach Ende des Krieges und Schaffung der Organisation der Vereinten Nationen die oberste Pflicht jener Organisation darin, sie ohne Ausnahme zu verbieten. Aber die Vereinigten Staaten, stärkste und reichste Macht, haben der Welt die zu befolgende politische Linie auferlegt. Heute besitzen sie Satelliten, die vom Weltraum aus alle Bewohner des Planeten ausspionieren und überwachen. Ihre See-, Luft- und Bodenstreitkräfte sind mit tausenden Atomwaffen ausgerüstet, und sie steuern und manipulieren gleichzeitig über den Weltwährungsfonds nach Belieben die Finanzen und Investitionen der Welt.
 
Wenn man die Geschichte jeder einzelnen der Nationen von Lateinamerika analysiert, von Mexiko bis Patagonien, ohne Santo Domingo und Haiti zu übergehen, kann man feststellen, dass alle, ohne eine einzige Ausnahme während zweihundert Jahren, d.h. seit Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute, die schlimmsten Verbrechen erlitten haben, die die Macht, der Reichtum und die Gewalt gegen die Rechte der Völker begehen können, und sie erleiden dies auf die eine oder andere Art jedes Mal mehr.
 
Immer zahlreicher tauchen hervorragende Schriftsteller auf. Einer von ihnen, Eduardo Galeano, Autor von „Las venas abiertas de América Latina” („Die offenen Adern von Lateinamerika“), der das Vorangegangene beschreibt, weilt auf Einladung gerade hier, um als Anerkennung für sein wichtiges Werk den angesehenen Preis Casa de Las Américas zu erhalten.
 
Die Ereignisse folgen einander mit unglaublicher Schnelligkeit; aber die Technologie übermittelt sie dem Publikum noch schneller. An irgendeinem Tag, wie zum Beispiel dem heutigen, folgen mit außerordentlicher Schnelle wichtige Nachrichten aufeinander. Eine Agenturmeldung mit gestrigem Datum, also vom 11., gibt wörtlich folgende Nachricht wieder: „Der dänische Vorsitz der Europäischen Union bestätigte am Mittwoch, dass am 23. Januar eine neue Reihe an ernsthafteren europäischen Sanktionen gegen den Iran beschlossen werden wird, und zwar aufgrund seines Atomprogramms, und dass diese nicht nur auf die Erdölbranche sondern ebenfalls auf die Zentralbank gerichtet sein werden. 
 
„Wir werden dieses Mal weiter gehen, gleichzeitig bezüglich der Sanktionen im
Erdölbereich und gegen die Finanzstrukturen“, sagte Villy Soevndal, Chef der dänischen Diplomatie, während eines Treffens mit der ausländischen Presse. Es ist klar wahrnehmbar, dass - mit dem Ziel, die Verbreitung der Atomwaffen zu verhindern - Israel hunderte atomare Sprengköpfe anhäufen darf, während Iran kein 20% angereichertes Uran herstellen darf. Eine weitere Nachricht zum Thema. Eine bekannte britische Nachrichtenagentur führt folgendes an: „China machte am Mittwoch keine Anstalten, den US-Forderungen zur Verminderung seiner Käufe von iranischem Erdöl nachzukommen und bezeichnete die Sanktionen von Washington gegenüber Teheran als übermäßig…“.
 
Jedermann würde sich über die Unbekümmertheit wundern, mit der die Vereinigten Staaten und das zivilisierte Europa diese Kampagne mit einer unglaublichen und systematischen Terrorpraxis fördern. Diese, von einer weiteren bedeutenden europäischen Presseagentur übermittelten Zeilen sollen ausreichend sein: „Die am Mittwoch erfolgte Ermordung eines Verantwortlichen des Atomkraftwerks Natanz, in der Landesmitte von Iran, verfügt über drei Präzedenzfälle seit Januar 2010.“
Am 12. Januar jenes Jahres: „Masud Alí Mohamadi, ein international anerkannter Atomphysiker, Professor der Universität von Teheran, der für die Revolutionshüter arbeitete, starb durch die Explosion eines mit Sprengstoffen versehenen Motorrads vor seiner Wohnung…“.
„29. November 2010: Majid Shahriari, Gründer der Atomgesellschaft von Iran und beauftragt mit einem der großen Projekte der iranischen Atomenergieorganisation’ […] starb in Teheran durch die Explosion einer an seinem Auto befestigten Magnetbombe. Am selben Tag wurde Fereydoun Abasi Davani, ein weiterer Atomphysiker, zum Ziel eines Attentats unter identischen Verhältnissen, als er sein Auto vor der Universität Shahid Beheshti in Teheran stationierte, wo beide Männer als Professoren tätig waren.“ – Er wurde nur verletzt.
23. Juli 2011: Der Wissenschaftler Dariush Rezainejad, der an Projekten des
Verteidigungsministeriums arbeitete, wurde von Unbekannten durch Schüsse getötet, welche sich in Teheran auf einem Motorrad fortbewegten.“
„11. Januar 2012: - d.h., am selben Tag, als Ahmadinejad von Nicaragua nach Cuba reiste, um seinen Vortrag an der Universität Havanna zu halten – starb der Wissenschaftler Mostafa Ahmadi Roshan, der in der Anlage von Natanz arbeitete, deren kaufmännischer Direktor er war, in der Nähe der Universität Allameh Tabatabai, im Osten von Teheran bei der Explosion einer an seinem Auto angebrachten Magnetbombe“. Wie in den vorangegangenen Jahren „hat Iran erneut die Vereinigten Staaten und Israel beschuldigt.“ Es handelt sich um ein selektives Gemetzel von hervorragenden iranischen Wissenschaftlern, die systematisch ermordet werden. Ich habe Artikel von bekannten Sympathisanten Israels gelesen, die von Verbrechen sprechen, die von dessen Geheimdiensten in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und der NATO ausgeführt wurden, als ob das etwas ganz Normales wäre.
 
Gleichzeitig berichten die Nachrichtenagenturen aus Moskau Folgendes: „Russland hat heute darauf aufmerksam gemacht, dass in Syrien ein ähnlicher Schauplatz wie der von Libyen heranreift, warnte aber, dass dieses Mal der Angriff von der benachbarten Türkei ausgehen wird. Nikolai Patruschew, Sekretär des russischen Sicherheitsrates, behauptete, dass der Westen ‘Damaskus nicht so sehr wegen der Repression gegen die Opposition, als vielmehr wegen seiner Widerspenstigkeit, sein Bündnis mit Teheran zu unterbrechen, bestrafen’ will.…seiner Meinung nach reift in Syrien solch ein Schauplatz heran wie der von Libyen, aber dieses Mal werden die Angriffskräfte nicht aus Frankreich, Großbritannien und Italien kommen, sondern aus der Türkei…Er wagte sogar vorwegzunehmen, dass ‘es möglich ist, dass Washington und Ankara schon dabei sind, mehrere Optionen von Flugverbotszonen festzulegen, wo bewaffnete Armeen von syrischen Rebellen trainiert und konzentriert werden können’.“
 
Solche Nachrichten kommen nicht nur aus dem Iran oder dem Mittleren Osten, sondern ebenfalls aus anderen, dem Mittleren Osten nahe gelegenen Orten von Zentralasien. Dieselben ermöglichen uns, die Kompliziertheit der Probleme wahrzunehmen, die sich aus jener gefährlichen Zone ergeben können.
 
Die Vereinigten Staaten sind durch ihre widersprüchliche und absurde imperiale Politik vor ernsthafte Probleme in Ländern wie Pakistan geführt worden, dessen Grenzen mit Afghanistan, einem weiteren wichtigen Staat, von den Kolonialherren gezogen worden sind, ohne die Kulturen und Volksstämme zu berücksichtigen. In letzterem Land, das über Jahrhunderte seine Unabhängigkeit gegenüber dem englischen Kolonialismus verteidigte, hat sich die Rauschgiftproduktion seit der US-Invasion vervielfacht, und die europäischen Soldaten begehen mit Unterstützung unbemannter Flugzeuge und hoch entwickelter Waffentechnik der Vereinigten Staaten beschämende Gemetzel, die den Hass der Bevölkerung vermehren und die Friedensmöglichkeiten in weite Ferne schieben.
 
Dies und weiterer Schmutz und Dreck wird ebenfalls in westlichen Agenturmeldungen widergespiegelt:
„WASHINGTON, 12. Januar 2012 - Leon Panetta, US-Verteidigungsminister, hat am heutigen Donnerstag das Verhalten von vier Männern, die als US-Marineangehörige präsentiert wurden und in Afghanistan auf Leichen urinierten, was mit einem Video im Internet verbreitet wurde, als ‘äußerst bedauerlich’ bezeichnet.…Ich habe das Bildmaterial gesehen und finde das Verhalten (jener Männer) äußerst bedauerlich…‘Dieses Verhalten ist völlig unangemessen für ein Mitglied der US-Armee und widerspiegelt auf keinen Fall die Kriterien und Werte, die unsere Streitkräfte zu achten schwören’."
 
Aber es ist ebenfalls äußerst unmenschlich, dass Männer, Frauen und Kinder, oder ein afghanischer Kämpfer, der gegen die ausländische Besetzung kämpft, von Bomben aus unbemannten Flugzeugen ermordet werden. Etwas ebenfalls sehr Schwerwiegendes: Dutzende pakistanische Soldaten und Offiziere, die die Grenzen ihres Landes schützten, sind von jenen Bomben zerrissen worden. In Erklärungen von Karzai selbst, dem Präsidenten von Afghanistan, hat dieser verlautbart, dass die Schändung der Leichen „einfach unmenschlich" sei, und er bat die US-Regierung, „die härteste Bestrafung anzuwenden", unabhängig davon, Sprecher der Taliban erklärten, dass „in den letzten zehn Jahren hunderte ähnliche Akte stattgefunden haben, die nicht publik geworden sind".
 
Man spürt sogar Mitleid mit jenen Soldaten, die, getrennt von ihren Familienangehörigen und Freunden, tausende Kilometer von ihrem eigenen Land entfernt, zum Kämpfen in solche Länder geschickt werden, die sie als Schulkinder vielleicht nicht einmal nennen gehört haben, und wo man ihnen die Aufgabe erteilt, zu töten oder zu sterben, um transnationale Unternehmen, Waffenhersteller und skrupellose Politiker zu bereichern, die jedes Jahr jene Fonds verschwenden, die für die Ernährung und Bildung der unzähligen Millionen Hungrigen und Analphabeten auf der Welt benötigt werden. Nicht wenige jener Soldaten, Opfer der erlittenen Traumas, nehmen sich schließlich das Leben. Übertreibe ich etwa, wenn ich behaupte, dass der Weltfrieden an einem seidenen Faden hängt? (PK)
 
Wir danken der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V., Regionalgruppe Essen für die Übermittlung der offiziellen staatlichen Übersetzung dieser Reflexion vom 12. Januar 2012


Online-Flyer Nr. 337  vom 18.01.2012

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