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Lokales
Frankfurter Straße in Köln-Mülheim bleibt eine Automeile
Grüne stimmen gegen Tempo 30
Von Heinz Weinhausen

Im Rechtsrheinischen ist alles anders. Werden in der Kölner Innenstadt, nämlich in der Ehrenstraße, die Parkplätze gänzlich geräumt für die Fußgänger, können dort die Fahrradfahrer bald im Shared Space auf der Fahrbahn fahren, haben die Fußgänger auf der Severinstraße zumindest teilweise einen 5 Meter breiten Gehweg, wurden in der Bonner Straße Kreisverkehre eingeführt, muss es in Köln-Mülheim auf der "Geschäftsstraße Nummer 1" sogar schlimmer werden, als es jetzt schon ist.

Keine Verkehrsberuhigung - Frankfurter Straße bleibt Automeile
Alle Fotos: Heinz Weinhausen

Die Frankfurter Straße sollte zur Flaniermeile werden, aber das Gegenteil wurde nun auch im Stadtentwicklungsausschuss beschlossen. Anstatt Verkehrsberuhigung werden die Autofahrer weiterhin zu Tempo 50 Gas geben, anstatt Mischverkehr müssen Radfahrer - sich selbst gefährdend - auf dem Mini-Radstreifen fahren, anstatt Verbreiterung der Bürgersteige werden den Fußgängern die Gehwege verschmälert. Flanieren geht anders. Der geplante Umbau der Frankfurter Straße erinnert doch sehr an das traurige Bild der hektischen Venloer Straße, aber selbst die hat wenigstens Tempo 30.


"Vorbild" Venloer Straße: eng, laut, hektisch

Es zeigt sich: Mülheim muss ein Stadtviertel für den Durchgangsverkehr für die Messe und für die City bleiben. Kein Zurückbau des Clevischen Ringes (Stattdessen werden dort wegen der enorm hohen Feinstaubbelastung die Ampeln neu geschaltet.), keine Flaniermeile Frankfurter Straße, kein Zurückdrängen des Schwerlastverkehres auf der Straße Rendsburger Platz. Jedes Dorf in Deutschland hat inzwischen eine Umgehungsstraße, aber durch Mülheim müssen sich die Blechlawinen wälzen.
Rendsburger Platz: Im Stich gelassen von der Politik - AnwohnerInnen
fordern Tempo 30.


Kundgebung von Bürgern für Tempo 30 auf der Straße Rendsburger Platz

Es ist traurig, aber verwundert nicht so sehr, dass die ewiggestrigen Autoparteien von CDU, SPD und FDP den Blechlawinen huldigen, aber dass die Grünen in Köln inzwischen auch zur Autopartei mutiert sind, ist bemerkenswert. Nur Günter Hermkes rang sich in der Bezirksvertretung noch dazu durch, der Automeile die Stimme zu versagen. Zwar hat er nicht dagegen gestimmt, was das Sinnvollste gewesen wäre, aber immerhin hat er sich enthalten, weil er als Grüner nicht Tempo 50 auf der Frankfurter Straße zustimmen könne. Die anderen hatten keine Probleme, und einen Tag später stimmten auch die Grünen im Verkehrsausschuss - Manfred Waddey, Bettina Tull und Andreas Wolter - für die Automeile Frankfurter Straße. Selbst die Polizei in NRW ist inzwischen fortschrittlicher: Weil mehr Fußgänger im Verkehr starben, soll das Geschwindigkeitsniveau dort wo Fußgänger und Radfahrer gefährdet sind, verringert werden.

Gefahrstreifen auf der Bonner Straße - demnächst auch in Mülheim

Im Stadtentwicklungsausschuss am 7. Februar hätte Fraktionschefin Barbara Moritz den verkehrspolitischen Gau der Grünen noch verhindern können. Die politische Kraft dazu besitzt sie, wie sie im letzten Jahr beim Waidmarkt-Hochhaus zeigte. Sie wies die Verwaltung in die Schranken, von der sie sich getäuscht fühlte, als diese das Höhenkonzept im "Kleingedruckten“ umgehen wollte. Dies wäre nicht im Geist des Ratsbeschlusses gewesen. Und trotz einer drohenden Schadensersatzforderung von 20 Millionen Euro (!) wurde die Verwaltung beauftragt, das Höhenkonzept strikt einzuhalten. Auch bei der aktuellen Verwaltungsvorlage zum Umbau der Frankfurter Straße wurde gegen den Geist des Mülheim 2020-Programms verstoßen. Um dem Niedergang der Geschäftsstraße entgegenzuwirken, ist dort der Umbau zu einer Flaniermeile vorgesehen. Dem Geist des Beschlusses entspricht: Fußgänger zuerst, breitere Gehwege - Autoverkehr zurückdrängen, Tempo 30, keine hektische Straße, langsam fließender Verkehr.

Aber die Frankfurter Straße liegt eben nicht in der Innenstadt, und Mülheim ist nicht linksrheinisch. Da war zu erwarten, dass sich Frau Moritz nicht engagieren würde. So kam es denn auch: Schweigen im Walde. Einzig Michael Weisenstein von der Linken brachte zwei Argumente für Tempo 30 ein. Erstens bedeute langsameres Fahren weniger CO2-Ausstoss, zweitens würde der Lärm reduziert. Und die Frankfurter Straße hätte das bitter nötig gehabt. Sie wird in der NRW-Statistik mit 70 Dezibel und als eine der lautesten Straßen geführt. Vergebens. SPDCDUFDPGrüne winkten durch.


Armes Mülheim. Eine aufgehübschte Automeile nützt niemandem. Stattdessen sollte man die EU-Fördergelder besser für Soziales ausgeben und die Frankfurter Straße lassen wie sie ist. So bliebe auch den Geschäftsleuten der Umbaustress erspart. Jetzt können nur noch die Gerichte den Autowahn stoppen, eine Klage ist in Vorbereitung. Es stellt sich aber auch die Frage, ob hier nicht EU-Fördergelder zweckentfremdet werden. (PK)


Online-Flyer Nr. 341  vom 15.02.2012

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