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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Arbeit und Soziales
Steakhouse-Kette Maredo will engagierte Betriebsräte los werden
Umzug wegen Überfüllung im Arbeitsgericht
Von David Paenson

Wegen der Kündigung von Betriebsräten und anderen Mitarbeitern der Steakhouse-Kette Maredo hat in Frankfurt ein Prozess begonnen. Die Maredo-Eigentümer wollen vor allem die Entlassung mehrerer unbequemer Betriebsratsmitglieder durchsetzen und werfen ihnen als Grund den Verzehr von Speisen und Getränken vor, ohne dies in die Kasse eingegeben zu haben. Außerdem hätten Mitarbeiter während der Arbeit auf Firmenkosten Alkohol getrunken. Insgesamt habe man über 1800 Fälle dokumentiert.

60 Unterstützer überfüllen den Gerichtssaal
Foto: David Paenson
 
Der Gerichtssaal war so voll, dass die Verhandlung ins Audimax des Frankfurter Arbeitsgerichts verlegt werden musste. Die 60 Unterstützer der Gekündigten passten einfach nicht alle rein. Unter ihnen auch der bekannte Frankfurter Saxophonist Heinz Sauer, ein alter Kunde von Maredo, der aber nicht mehr dort essen will, solange die KollegInnen und die Betriebsräte nicht alle wieder eingestellt werden. Mimoun Bouhout, gekündigter Vorsitzender des Betriebsrats, hatte in einem Interview im April die Kündigungen so erklärt: "Im Grunde genommen wollte die jetzige Maredo-Geschäftsleitung den Betriebsrat schon immer loswerden. Ihr ist es ein Dorn im Auge, dass sich unsere Mannschaft gewerkschaftlich organisiert und wir gemeinsam unsere Interessen vertreten. Am liebsten hätte man Maredo gewerkschaftsfrei oder zumindest betriebsratsfrei. Das ist der wahre Grund, warum die Mannschaft in unserer Filiale gekündigt wurde." (1)
 
"Haben die Parteien Platz gefunden?", fragt nach dem Umzug ins Audimax der Richter. "Ja, das kann ich zuordnen", meint er dann mit Blick auf die fünf adrett gekleideten Vertreter der Arbeitgeberseite. Eine willkommene Anerkennung, dass es so was wie Klassen gibt und man sie an ihrem Äußeren auch erkennen kann.

Kundgebung für die gekündigten Maredo-KollegInnen in der "Fressgass“ in Frankfurt am Main
NRhZ-Archiv
 
Die Verhandlung ist in drei Teile geteilt. Im ersten Teil geht es um Betriebsrätin Verka Milanisovic. Sie ist schwerbehindert, 60 Jahre alt, arbeitete als Mitarbeiterin im Rotationssystem seit 1984 bei Maredo, genauer bei der Maredo Restaurants Holding GmbH, einer laut wikipedia 1973 gegründeten Restaurantkette mit Sitz in Düsseldorf, die auf Steaks spezialisiert ist. Der Name setzt sich zusammen aus je zwei Buchstaben der drei Firmengründer Manfred Holl, Karl-Heinz Reinheimer und Udo Schlote. Mimout Bouhout:
"Jetzt gehört Maredo zum größten Teil dem Frankfurter Finanzinvestor ECM" [Anm. d. Redaktion: Equity Capital Management GmbH, eine Heuschrecke, wie sie im Buche steht].
 
Der Betriebsrätin wird vorgeworfen, gegessen, ohne richtig "boniert" zu haben. Der Rechtsanwalt der Betriebsratsseite wirft ein: "Wenn Sie mich fragen, ob Frau Milanisovic ein Stück Brot gegessen hat, dann sage ich, ja. Frau Milasinovic hat ein Stück Brot gegessen." "Es geht nicht um ein Stück Brot, sondern um welches Stück Brot", bafft einer der gegnerischen Anwälte zurück. "Und in welchen Mengen." Eine ganze Zeit lang geht es um ein Steak mit Spinat. Ja, das habe sie sich bestellt, und auch boniert. Die Gegenseite hat angeblich Beweise für das Gegenteil, nennt sie aber nicht. "Ja, wenn der Beleg nachträglich verschwunden ist, kann ich doch nichts dafür", meint Milanisovic. "Es wird immer der volle Betrag boniert, und mit der Unterschrift des Betriebsleiters erst später der Rabatt abgezogen." "Frau Milanisovic hat doch internalisiert, dass Mitarbeiter nicht das Eigentum des Arbeitgebers zu beschädigen haben", meint der Richter. Er schlägt eine Pause vor, weil er sieht, wie sehr Verka Milanisovic mitgenommen wird.
 

Solidaritätsplakat für die gekündigten KollegInnen
NRhZ-Archiv
Danach ist Betriebs-ratsmitglied Michael Weißenfeldt an der Reihe. Er habe Unregelmäßigkeiten wie eben das nicht richtige Bonieren gesehen, aber nicht interveniert. Außerdem habe er mal Kolle-ginnen was zu Trinken ausgegeben, auch ohne richtig zu bonie- ren. Weißenfeldt erwi- dert, das sei nicht in seiner Eigenschaft als Individuum geschehen, sondern als Betriebsleiterassistent. Im Sinne eines guten Arbeitsklimas habe er nach getaner Arbeit, "für Maredo als Dank für besonders gute Arbeitsleistung" bzw. wenn die Bedingungen besonders schlecht waren - beispielsweise durch Personalausfall - und die Umsätze dennoch ungewöhnlich hoch gewesen seien, mal "ein Getränk ausgegeben". Das sei ja von der Maredo-Leitung ausdrücklich erwünscht. Nein, er hätte "in jedem Fall vorher den Personalleiter anrufen müssen", erwidert die Gegenseite. "Um ein Uhr morgens?" "Nein, das war schon um 22.30 Uhr." Bei Maredo ist bekannt, dass für den Personalchef "das Wochenende heilig" ist.
 
Schließlich ist der Betriebsratsvorsitzende dran, Mimoun Bouhout. Er arbeitet ebenfalls schon sehr lange bei Maredo, seit 27 Jahren, hatte als 17-Jähriger dort angefangen. Er habe Fleisch und Fisch gegessen und Milch getrunken, wirft ihm die Klägerseite vor. Im Laufe der Verhandlung stellt sich heraus, dass es jedenfalls kein Maredo-Fleisch gewesen sein kann, weil er als Moslem nur Helal (geschächtetes Fleisch) isst. Die Arbeitgeberseite behauptet darauf, es habe bei Maredo auch solches Fleisch gegeben; die Schlachthöfe seien alle "helal-zertifiziert". "Niemals. Wenn es das gegeben hätte, wäre das im Menü vermerkt gewesen. Bei der ganzen Kundschaft aus Saudi Arabien wäre das gut angekommen." "Ein neues Geschäftsmodell", meint der Richter dazu. Er schmunzelt, die Arbeitgebervertreter sind nicht amüsiert. Eine ganze Zeit lang geht es dann um Milch, die Mimoun angeblich am Kaffeeautomaten aufschäumen ließ, um sie dann mit dem Kaffee aus der Mitarbeitermaschine zu vermischen. Wird Milch den KollegInnen zugestanden, ja oder nein, das ist die zentrale Frage, um die sich beide Parteien bis zum Schluss dieses ersten Termins streiten.
 
Im Interview vom April mit Tobias Dietrich hatte Mimoun Bouhout folgende Kündigungsgründe genannt: "Der eine Grund für den Rausschmiss war, dass der Betriebsrat zu engagiert war. Der zweite: Die Kollegen waren zu lange mit dabei und hatten eine gute Tarifgruppe. Und der dritte Grund: Die alte Mannschaft war zu einem hohen Maße gewerkschaftlich organisiert. Die neuen Mitarbeiter, die jetzt an unserer Stelle arbeiten, bekommen lediglich 7,50 Euro brutto die Stunde. Wir setzen uns als Betriebsrat auch für ihre Rechte ein und haben gegen ihre falsche Einstufung Widerspruch eingelegt."
 
Die nächste Verhandlung findet am 22. Juni um 13 Uhr statt - vorsorglich gleich im Audimax. (PK)
 
 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17714


Online-Flyer Nr. 354  vom 16.05.2012

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