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Aktueller Online-Flyer vom 24. November 2024  

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Inland
Der private Reichtum in Deutschland wächst unaufhaltsam, die Armut auch
Der politische Streik wird unverzichtbar
Von Franz Kersjes

In mehreren Branchen haben Tarifverhandlungen für höhere Löhne und Gehälter begonnen. Neben der Metall- und Elektroindustrie (3,6 Millionen Beschäftigte) verhandeln der öffentliche Dienst (1,9 Millionen), die Chemieindustrie (400.000), die Banken (250.000) und das Kfz-Gewerbe (280.000). Die gewerkschaftlichen Forderungen liegen zwischen 5 und 7 Prozent. Mit Reallohnkürzungen und der daraus resultierenden Binnenmarktschwäche in Deutschland soll endlich Schluss sein.
 

Seit 1996 Arbeitgeberpräsident -
Dieter Hundt
NRhZ-Archiv
Aber Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), hat die Forderungen der Gewerkschaften nach Einkommenserhöhungen bis 7 Prozent als völlig überzogen zurückgewiesen. Diese Forderungen „kommen aus dem Wolkenkuckucksheim und sind vollkommen illusionär“, sagte Hundt. Er sorgt sich sicherlich wegen der Angriffe auf die anhaltend wachsenden Profite der Kapitalbesitzer.
 
Die 30-Dax-Konzerne überweisen derzeit ihren Aktionären Dividenden von rund 27 Milliarden Euro. Das ist nach 2007 die zweithöchste Summe in der deutschen Firmengeschichte. Nach Berechnungen des Handelsblatts erhöhten die Dax-Konzerne in den vergangenen zehn Jahren ihre Dividenden um durchschnittlich 87 Prozent. Die Gewinne der Unternehmen haben aber die Beschäftigten erwirtschaftet und nicht die Aktionäre. Keiner der Aktionäre musste für die Dividenden irgendeine Leistung erbringen. Der Personalaufwand stieg dagegen nur um zwölf Prozent. Grund dafür sind geringe Lohnsteigerungen in Deutschland und die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins billigere Ausland. Und in vielen Unternehmen wurden Arbeitsplätze abgebaut, Arbeitszeiten kostenlos verlängert und atypische Beschäftigungsverhältnisse durchgesetzt. Die Zahl der Leiharbeitnehmer hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Außerdem gibt es immer mehr Werkverträge. 
 
Der private Reichtum wächst unaufhaltsam. Noch nie gab es in Deutschland so viele Wohlhabende wie heute. Etwa 17.000 Vermögensbesitzer haben jährlich ein Einkommen von mehr als einer Million Euro. Statistiker errechneten insgesamt 830.000 Vermögensmillionäre in Deutschland. Über 100 Milliardäre zählt das manager-magazin. Der „Global Wealth Report“ der Beratungsfirma Boston Cunsulting zählt aktuell 839 deutsche Haushalte mit einem Vermögen von mehr als 100 Millionen Dollar. Die Bundesrepublik steht damit auf Rang zwei, hinter den USA, aber vor Saudi-Arabien. 
 
Reichtum verursacht Armut
 
Der Unterschied zwischen Reich und Arm in Deutschland war noch nie so groß wie heute. Wie Statistiken des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegen, hat sich bei den Einkommen für die unteren 50 Prozent der Bevölkerung kaum etwas verändert. Oben wurde dagegen kräftig dazuverdient. Vom Wirtschaftswachstum haben fast ausschließlich die Reichen profitiert. Top-Vorstände haben sich beispielsweise ihre Einkommen um 122 Prozent erhöht. Verraten fühlen sich vor allem die 15,6 Prozent der Bevölkerung, das sind über 12 Millionen Menschen, die in Armut leben oder armutsgefährdet sind.
 
Der private Reichtum in Europa steigt immer weiter. Das private Geldvermögen nahm allein in Westeuropa zwischen 2010 und 2011 von 25 auf 27 Billionen Euro zu. Über die Hälfte dieses Vermögens ist im Besitz der zehn Prozent reichsten Menschen. Sie werden von den Regierungen geschützt und gefördert durch Steuerverzichte, Subventionen und Rettungsschirme.
 
Die Regierungen unterwerfen sich meistens den Diktaten der Vermögensbesitzer. Jede wirtschaftliche Krise wird ausnahmslos durch erzwungene Verzichte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bekämpft. Die Schulden der Staaten sollen stets von den arbeitenden Menschen bezahlt werden. EU-Kommissar Almunia zufolge haben die europäischen Staats- und Regierungschefs allein von 2008 bis 2010 mehr als 1.600 Milliarden Euro eingesetzt, um Banken zu retten. Das entspricht mehr als 13 Prozent des Bruttosozialprodukts der Länder in der Europäischen Union. Drei Viertel der gesamten Finanzhilfen, also rund 1.200 Milliarden Euro, sind als Garantien und zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Banken verwendet worden. Die restlichen 400 Milliarden Euro wurden für öffentliche Kapitalspritzen und zur Stützung von Anleihen genutzt. 
 
Die Europäische Zentralbank (EZB) stellte den Banken erneut Kredite von insgesamt 529,5 Milliarden Euro mit einer Laufzeit von drei Jahren und zum Minizins von einem Prozent zur Verfügung. Zusammen mit den 489 Milliarden, die schon Ende Dezember in einer ersten derartigen Aktion vergeben worden waren, ist damit nun über eine Billion Euro ins Finanzsystem gepumpt worden. In den Tresoren der europäischen Banken liegen nun etwa 1,13 Billionen Euro, mehr als sämtliche deutschen Arbeitnehmer in einem ganzen Jahr als Lohn erhalten (rund eine Billion Euro). Nun kann wieder gezockt und spekuliert werden. Eine Regulierung der Finanzmärkte hat bislang nicht stattgefunden.
 
Also: Geld ist genug vorhanden! Es ist nur falsch verteilt. Und deshalb gibt es keinen Grund, auf spürbare Lohn- und Gehaltserhöhungen erneut zu verzichten. Mit Tarifabschlüssen zwischen 3 und 4 Prozent ist es nicht getan. Es muss mehr erkämpft werden! Die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss deutlich gestärkt werden, damit der Binnenmarkt wieder in Schwung kommt. Darüber hinaus brauchen vor allem die Kommunen mehr Geld, damit sie ihre Aufgaben verantwortungsvoll erfüllen können. Die bislang fehlenden Finanzmittel dürfen nicht weiterhin durch Verzichte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ersetzt werden. Die Politiker haben die Verpflichtung, durch eine gerechtere Steuerpolitik, durch aktive Bekämpfung von Steuerflucht und eine verantwortungsvolle Vermögenspolitik die Voraussetzungen für soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
 
Der Auftrag unseres Grundgesetzes muss endlich erfüllt werden. Wenn das weiterhin nicht geschieht, wird der politische Streik der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unverzichtbar. (PK)
 
Franz Kersjes ist Herausgeber der Welt der Arbeit im Internet und war von 1980 bis 2001 Landesvorsitzender der IG Druck und Papier und der IG Medien in NRW. - www.weltderarbeit.de


Online-Flyer Nr. 354  vom 16.05.2012

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