SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Druckversion
Arbeit und Soziales
Nach der Tarifrunde: Branchenzuschlag für Leiharbeit in der Metallindustrie
KapitalistInnen zufrieden - LeiharbeiterInnen geleimt
Von Herbert Thomsen
Die Tarifrunde in der Metallindustrie ist vorbei, es gibt einen Abschluss für die festangestellten KollegInnen der Metall- und Elektroindustrie und einen zweiten für die dort beschäftigten LeiharbeiterInnen. Der von einigen traditionslinken Presseorganen herbeigeschriebene bevorstehende große Klassenkampf hat zum xten mal nicht stattgefunden. Und ganz erstaunlich, alle sind zufrieden, die IG Metall, die Unternehmerverbände und nicht zuletzt die Bundesregierung, die durch die EU Richtlinie zur Leiharbeit einem gewissen Handlungsdruck ausgesetzt war und sich diesem mit den Tarifabschlüssen entziehen zu können glaubt.
IG Metall-Chef Bertold Huber: „Ich
bin der Marktwirtschaft mehr als
zugeneigt“.
Es lohnt sich also ein genauer Blick auf das Ergebnis der beiden Tarifvereinbar-ungen. Für die Metallindustrie gab es einen Abschluss von 4,3 Prozent für 13 Monate, was einem Jahresergebnis von 3,9 Prozent entspricht. Immerhin kein Reallohnverlust, aber der Ertrag aus der Steigerung der Arbeitsproduktivität geht fast vollständig an die KapitalistInnen. Bei der Übernahme der Auszubildenden hat sich außer Rhetorik und Kosmetik nichts verändert. Die KapitalistInnen entscheiden weiterhin allein, ob und wie viele der Auszubildenden anschließend in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Und bei der Leiharbeit gibt es tarifliche Handha-bungen: Nach 24 Monaten Beschäf-tigung im Unternehmen soll der LeiharbeiterIn ein Übernahmeangebot in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis unterbreitet werden. Die Mitbestimmungs-regelungen der Betriebsräte beim Einsatz von Leiharbeit wurden geringfügig ausgeweitet.
Online-Flyer Nr. 357 vom 06.06.2012
Druckversion
Arbeit und Soziales
Nach der Tarifrunde: Branchenzuschlag für Leiharbeit in der Metallindustrie
KapitalistInnen zufrieden - LeiharbeiterInnen geleimt
Von Herbert Thomsen
Die Tarifrunde in der Metallindustrie ist vorbei, es gibt einen Abschluss für die festangestellten KollegInnen der Metall- und Elektroindustrie und einen zweiten für die dort beschäftigten LeiharbeiterInnen. Der von einigen traditionslinken Presseorganen herbeigeschriebene bevorstehende große Klassenkampf hat zum xten mal nicht stattgefunden. Und ganz erstaunlich, alle sind zufrieden, die IG Metall, die Unternehmerverbände und nicht zuletzt die Bundesregierung, die durch die EU Richtlinie zur Leiharbeit einem gewissen Handlungsdruck ausgesetzt war und sich diesem mit den Tarifabschlüssen entziehen zu können glaubt.
IG Metall-Chef Bertold Huber: „Ich
bin der Marktwirtschaft mehr als
zugeneigt“.
Parallel zu den genannten Vereinbarungen mit den Unternehmerverbänden der Metallindustrie gab es am 22.5.12 einen Tarifvertrag für einen sogenannten Branchenzuschlag für die in der Metallindustrie Beschäftigte ca. 250 000 LeiharbeiterInnen mit den beiden Unternehmerverbänden der Zeitarbeitsbranche (BAP und iGZ). Dieser Branchenzuschlag wurde denn auch von einigen als Lösung des Equal Pay Prinzips bejubelt.
So geht der Branchenzuschlag: Nach einer bestimmten Frist des Einsatzes in einem Entleihbetrieb (Einsatzort) gibt es einen prozentualen Zuschlag zum Stundenlohn, der mit den Unternehmen in der Leiharbeitsbranche vereinbart wurde.
Ab der 7. Woche 15 Prozent
Ab 4. Monat 20 Prozent
Ab 6. Monat 30 Prozent
Ab 8. Monat 45 Prozent
Ab 10. Monat 50 Prozent
Bejubelter Vertrag trifft auf Wirklichkeit
Zunächst ist der Tarifvertrag noch Fiktion. Er tritt zum 1. November 2012 in Kraft. LeiharbeiterInnen, die zu diesem Stichtag bereits 6 Wochen am selben Beschäftigungsort tätig sind, erhalten zum 1. November 2012 15 Prozent mehr. Nach weiteren 6 Wochen erfolgt die nächste Stufe. Frühestens im Juli 2013 kann folglich der Branchenzuschlagshöchstsatz von 50 Prozent erreicht werden.
Der Branchenzuschlag wird nur für die Tätigkeit im selben Entleihbetrieb (Arbeitsort) gewährt - so § 2 (2) des „bahnbrechenden“ Vertragswerks. Dies kann im Extremfall bedeuten, dass nach 5 Monaten Tätigkeit, verbunden mit dem Zuschlag von 20 Prozent, die Leiharbeitsfirmen einen neuen Arbeitseinsatz findet, so müsste LeiharbeiterIn wieder mit dem Normallohn (ohne Branchenzuschlag) von vorn beginnen. Dies kann nach den Bedingungen des Tarifwerks der IG Metall auch dazu führen, dass zum Beispiel eine bei Adecco beschäftigte LeiharbeiterIn nach 5 Jahren mit ständig wechselnden Einsatzorten in der Metallindustrie immer noch zum Mindestlohn der Verleihbranche (heute 7,89 € Brutto pro Stunde) abgespeist wird.
Wer kommt in den Genuss der 50 Prozent Höchstzulage?
Von den derzeit zu den Meldestichtagen zeitgleich erfassten fast eine Million LeiharbeiterInnen sind ca. die Hälfte nur bis zu drei Monaten bei der gleichen Verleihfirma angestellt. Nur knapp über 100 000 sind 10 Monate und länger am selben Einsatzort tätig. Also kommt der Branchenzuschlag-Höchstsatz von 50 Prozent nur einer kleinen Minderheit zu Gute, und noch deutlich kleiner wird die Zahl derer, die nach 24 Monaten ein Übernahmeangebot des Einsatzbetriebs erhalten sollen. Folglich geht der Branchenzuschlagstarif an den meisten LeiharbeiterInnen spurlos vorbei oder wird nur in kleinen Dosen verabreicht.
Wie hoch ist der Normallohn und wie hoch die Lohndifferenz
Der „wunderbare“ Tarifvertrag der IG Metall suggeriert, dass mit dem Höchstzuschlag auch der Lohn einer festangestellten KollegIn erreicht bzw. überboten werden könne. Für diesen Fall sieht der Vertrag eine Deckelung auf den Lohn der Stammbeschäftigten vor, siehe § 2 (4). Soweit dürfte es jedoch nur selten kommen.
Selbst bei Erreichen des Höchstzuschlages von 50 Prozent auf den Tarif der Leiharbeitsbranche bleiben die Stundenlöhne der LeiharbeiterInnen bei vergleichbaren Tätigkeiten noch immer zwischen 3 und 9 Euro unter den gezahlten Stundenlöhnen in der Metallindustrie. Von Equal Pay keine Spur.
Gültige Betriebsvereinbarungen, die vor allem in der Großindustrie, vor allem des PKW- und Maschinenbaus existieren, sehen zum Teil deutlich höhere Stundenlöhne für LeiharbeiterInnen vor. Damit profitieren die dort tätigen KollegInnen nicht von den Segnungen des Tarifvertrages. Sie laufen eher Gefahr, in Krisenzeiten oder bei zukünftigen Profitdellen auf das Niveau des neuen Tarifwerks herabgestuft zu werden.
Die Zahl der tatsächlichen NutzniesserInnen dieses Tarifwerks dürfte sehr überschaubar sein. Allenfalls in kleineren Metallbetrieben, die bei guten Auftragsbeständen auf spezialisierte Beschäftigte angewiesen sind und in denen bisher keine Betriebsvereinbarungen zur Besserstellung von LeiharbeiterInnen bestehen, dürften Lohnanhebungen erfolgen.
Ausbeuter sind anpassungsfähig
Bereits in den Jahren 2001 bis 2003 existierte durch das Job Aktiv Gesetz die Vorgabe, LeiharbeiterInnen im zweiten Jahr ihrer Tätigkeit am selben Arbeitsplatz den gleichen Lohn zu zahlen wie den Stammbeschäftigten. Um Kosten zu sparen verzichteten Ver- und Entleiher darauf, LeiharbeiterInnen länger als ein Jahr einzusetzen. Die entsprechende Gesetzespassage verkam zum Papiertiger. So lange genügend Arbeitslose vorhanden sind und die Jobcenter den nötigen Druck zur Annahme beschissener Arbeit aufbauen, ist ja stetiger Nachschub garantiert. Die Kündigungspraxis der Verleihfirmen ist ja auch hinlänglich bekannt. Im Regelfall erfolgt die Kündigung innerhalb der sechsmonatigen Probezeit bei Erkrankung. Verleihfirmen als weitgehend betriebsratsfreie Zone, machen es möglich.
Längerfristig werden die jetzt abgeschlossenen Regelungen zwar auf der einen Seite dazu führen, eine sehr kleine Zahl von LeiharbeiterInnen zu längerfristig beschäftigten Arbeitskräften zu machen und zwar dort, wo spezialisierte LohnarbeiterInnen notwendig sind. Auf der anderen Seite dürfte sowohl die Übernahmeregelung nach zwei Jahren, als auch der Anstieg der profitschmälernden Zuschläge dazu führen, die jeweilige Verweildauer an einem Einsatzort zu verkürzen. Dies dürfte auf die übergroße Zahl der LeiharbeiterInnen zutreffen und den Trend zur „Kurzzeitbeschäftigung“ erhöhen.
Wem nutzt dieser Tarifvertrag?
Wenn sich die Analyse zu den Auswirkungen des Tarifvertrages Branchenzuschläge überwiegend bewahrheitet, ist davon auszugehen, dass nur wenige der 250.000 LeiharbeiterInnen der Metallbranche vom Tarifergebnis materiell profitieren werden. Die Rechenmodelle in den Verlautbarungen der IG Metall ergeben zwar gigantische Lohnsteigerungen, treffen jedoch nur auf die allerwenigsten Leiharbeiterinnen zu. Auf diese Modellrechnung dürfte ebenfalls die Bezeichnung "Papiertiger" passen. Deshalb ist die Heranziehung der eigentlichen Zielstellung und deren Umsetzung notwendig. Das Ziel ist die Herstellung gleicher Entlohnungsbedingungen der LeiharbeiterInnen im Verhältnis zu den KollegInnen, die eine mit ihnen vergleichbare Tätigkeit ausführen. Dies ist der Maßstab für das Erreichte.
Die EU Richtlinie 2008/104/ EU gibt den Mitgliedsstaaten die Herstellung gleicher Lohnbedingungen (Equal Pay) auf. Nach Beschluss der Richtlinie im Dezember 2008 wurde hierfür eine Frist von 3 Jahren eingeräumt. Diese wäre am 5. Dezember 2011 abgelaufen. Das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz erlaubt jedoch, das Equal Pay Prinzip per Tarifvertrag zu unterlaufen. Die jetzigen Lohntarife für die Zeitarbeit liegen faktisch um 40 bis 50 Prozent unterhalb des Lohns vergleichbarer Tätigkeiten. In allen anderen Ländern der EU ist das Equal Pay Prinzip durchgesetzt. Somit ist neben der Anwendung von Stundenkonten, Leiharbeit eines der wesentlichen Elemente der KapitalistInnen geworden, mittels flexiblem Personaleinsatzes zu geringen Kosten die Ausbeutungsrate zu erhöhen. In den letzten 10 Jahren sind, vor allem durch Flexibilisierungsmodelle, die Lohnstückkosten in der deutschen Metall- und Elektroindustrie um 17 Prozent gesunken. Von Arbeitszeitkonten und Leiharbeit zum halben Lohn können die KapitalistInnen in Frankreich und Italien nur träumen.
Die DGB Gewerkschaften haben im Frühjahr 2010 Lohntarifverträge für die Leiharbeit mit einer Laufzeit von vier Jahren bis Ende 2013 abgeschlossen. Damit haben sie die Einführung des gleichen Lohns, zum Wohle der deutschen Kapitalistinnen um 2 Jahre über den 5. Dezember 2011 hinaus verschoben. Der so erzielte, von den KapitalistInnen kostenlos angeeignete Mehrwert, durch freiwilligen Lohnverzicht der DGB Gewerkschaften, dürfte sich im zweistelligen Milliardenbereich bewegen.
Auch der Branchenzuschlag ändert an der ungleichen Entlohnung wenig. Dazu der Vergleich des Leiharbeitstarifs mit durchschnittlichen Löhnen nach Flächentarifverträgen der Metallindustrie im Jahre 2013.
Leiharbeit Leiharbeit plus 50 % Flächentarife
Einfache Anlerntätigkeiten 8,19 12,29 15 bis 16 Euro
Längerfristige Anlerntätigkeit 8,74 13,11 17 bis 19 Euro
Facharbeitertätigkeiten 10,81 16,21 19 bis 25 Euro
Damit liegen Leiharbeitslöhne, auch nach der Einführung des Branchenzuschlags deutlich unterhalb der Löhne vergleichbarer Tätigkeiten nach den Flächentarifen der Metallindustrie.
Der Branchentarifvertrag hat jedoch eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2017. Damit gibt es für die Leiharbeitsbranche und die Metallindustrie eine Garantie, dass das Equal Pay Prinzip für weitere 6 Jahre nicht zur Anwendung kommt.
Niedriglohn in der Leiharbeit längerfristig verfestigt
Sowohl aus der eingangs erfolgten Bewertung der Struktur der Leiharbeitslöhne und der Einsatzdauer der LeiharbeiterInnen ist ersichtlich: Der Niedriglohn in der Leiharbeit wird mit diesem Tarifvertrag längerfristig verfestigt. Eine statistische Auswertung der Leiharbeitslöhne der Bundesagentur für Arbeit hat ergeben, dass zwei Drittel aller Löhne in der Leiharbeitsbranche dem Niedriglohnsektor zuzurechnen sind, also überwiegend die beiden unteren Lohngruppen von jetzt 7,89 und 8,53 Euro Brutto pro Stunde gezahlt werden. Der „Tarifvertrag über Branchenzuschläge“ in Verbindung mit den Lohntarifen in der Leiharbeit ist folglich ein Tarifvertrag zur Verhinderung von Equal Pay.
Der IG Metall Vorstand und die Unternehmerverbände der Leiharbeit haben sich in der Präambel des Tarifwerks verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass andere Gewerkschaften ebenfalls Branchentarifverträge abschliessen. Folgten sie diesem Beispiel der IG Metall, käme dies einer Verfestigung des Niedriglohns in der Leiharbeit für alle gleich. Im Organisationsbereich von verdi und NGG ist jedoch die Dauer des Einsatzes von LeiharbeiterInnen an einem Beschäftigungsbetrieb noch erheblich geringer als in der Metallindustrie. Entsprechend gibt es schon erste Kritik aus diesen Gewerkschaften am Verhandlungsergebnis der IG Metall. In Handel, Dienstleistungen oder Gastronomie wäre ein Tarifwerk analog dem der IG Metall noch wirkungsloser im Sinne von Gehaltsteigerungen.
Unternehmerlager ist voll zufrieden.
Die Staatsvertreterin Ursula von der Leyen forderte bereits: „Dieses gute Beispiel muss jetzt Schule machen und auf alle Branchen, die Zeitarbeit nutzen, übertragen werden“. Eine Presseerklärung von Gesamtmetall wurde mit der Überschrift versehen: „Debatte über Zeitarbeit beenden“. Und nicht zuletzt die Ansage der IG Metall in der Tarifrunde „Faire Leiharbeit“ erreichen zu wollen, kann ja nicht jetzt, unmittelbar nach den Tarifabschlüssen völlig verfehlt worden sein.
Sie sind sich alle einig, die VertreterInnen der KapitalistInnen und die Gewerkschaftsspitzen. Keine Debatte mehr um Niedriglohn in der Leiharbeit und Verfestigung der Niedriglöhne in der Leiharbeit selbst. Letzteres sichert auch längerfristig den Konkurrenzvorteil des Kapitals des Standorts Deutschland gegenüber seiner Konkurrenz.
Auf Kosten der Masse der LeiharbeiterInnen ist die IG Metall ihrem Ansinnen etwas näher gekommen, die Kernbelegschaften der Großbetriebe vor weiterer Aushöhlung (Übernahme nach 2 Jahren) zu schützen, ohne den Pakt mit der Exportindustrie zu deren Profitsicherung zu gefährden. Ohne Leistungsnachweis gibt es eben auch keine beitragzahlenden Mitglieder, und wenn man nichts vorzuweisen hat, muss man eben ein bisschen schönrechnen und in seinen Publikationen Lohnsteigerungen ausrechnen, die in Realität kaum stattfinden.
Am 20.12.2009 ließ IG Metall-Chef Bertold Huber die LeserInnen des Weser Kurier in Bremen wissen: „Ich bin der Marktwirtschaft mehr als zugeneigt“. Mit dieser Liebeserklärung an die kapitalistische Konkurrenzwirtschaft steht er in seiner Gewerkschaft nicht allein. Tausende, vor allem hauptamtliche Sekretäre der höheren Ebene und die Spitzen der Betriebsräte sitzen in den Aufsichtsräten Seit an Seit mit Fondsmanagern und Geldadel, um die Geschicke „ihres“ Unternehmens im globalen Konkurrenzkampf erfolgreich zu managen. Von manchen als Comanagement bezeichnet. Im Februar 2011 befand Huber denn auch Leiharbeit und Befristung vor allem als Gefahr für den Standort Deutschland „Wir müssen verlorene Ordnung am Arbeitsmarkt wieder herstellen.. Wir treten dafür ein, die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland heute zu sichern.“
Einschränkung des Streikrechts wird vorbereitet
Diese Schicht der Entscheider in der zentralistisch aufgebauten IG Metall bestimmt auch die Tarifpolitik der Gewerkschaft. Längst sind untere Ebenen wie Vertrauensleutekörper, Vertreterversammlungen und Ortsverwaltungen von realen Einflüssen auf die Entscheidungen „Ihrer“ Gewerkschaft entledigt. Lästerten DGB Gewerkschafter unlängst noch über die Gefälligkeitstarife von christlichen und anderen Pseudogewerkschaften, so trifft dies auf sie selbst inzwischen auch in aller Schärfe zu. Leider ist zur Zeit noch keine kämpferische Alternativgewerkschaft sichtbar, aber der DGB ist weitsichtig: gemeinsam mit dem Bundesverband der Arbeitgeberverbände wird an einer gesetzlichen Einschränkung des Streikrechts gearbeitet, um Alternativen schon im Keim zu ersticken.
Den jetzt von der IG Metall Führung Enttäuschten sei gesagt: Enttäuschung entsteht nur dann, wenn eine Hoffnung – und sei es nur die ganz bescheidene Erwartung, eine Gewerkschaft kämpft für Lohn und Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder gegen die KapitalistInnen – wiederholt nicht eingelöst wird. Nachdem die IG Metall seit der Agenda 2010 alle staatlichen Angriffe auf das Einkommen ihrer Mitglieder widerstandslos durchgehen ließ, seitdem der Streik für die 35 Stundenwoche in Brandenburg und Sachsen durch Vorstand und die BR-Vorsitzenden der großen Autokonzerne torpediert und abgebrochen wurde und Deutschland die geringste Streikhäufigkeit aller Industrieländer (Ausnahme Schweiz und Japan) aufweist, müssten eigentlich keine enttäuschten Hoffnungen nach einem miserablen Tarifabschluss entstehen.
Die IG Metall Spitze ist einerseits auf Co-Management in den Betrieben fixiert und geht damit, vertreten durch ihr Spitzenpersonal z.B. in den Aufsichtsräten ein festes Bündnis mit den jeweiligen KapitalistInnen ein und nimmt andererseits, bezogen auf die Mitgestaltung der Rahmenbedingungen (Agenda 2010, Hartz IV, Abwrackprämie, Niedriglohnsicherung durch den eingangs beschriebenen Tarifvertrag, usw.) eine Staatsfunktion zur Sicherung des Standorts Deutschland ein. In der Logik der Liebeserklärung ihres Vorsitzenden Huber zur Marktwirtschaft beinhaltet dies auch, den Konkurrenzvorteil des Kooperationspartners KapitalistIn durch Niedriglohn und flexible, weil profitable Arbeitsbedingungen zu seiner eigenen Sache zu machen und entsprechend in der Gewerkschaft durchzusetzen.
Wer nichts von der IG Metall erwartet wird nicht enttäuscht, wohl aber um Lohn zum Leben gebracht und wehrlos den Gewalttaten des Kapitals ausgeliefert. Alternativen sind machbar! (PK)
Herbert Thomsen, Jahrgang 1953, ehemals Werftarbeiter und IG Metall-Aktivist - heute Berater für Hartz IV und was dazu gehört, beim Bremer Erwerbslosenverband. Die IWW, Industrial Workers of the World – Allgemeine Ortsgruppe Bremen WOBBLIES BREMEN – ist "eine kleine aber dafür feine weltweite Gewerkschaft", die es nach seiner Kenntnis schon seit 1905 gibt. Mehr unter http://iwwbremen.blogsport.de/ und www.wobblies.de
Online-Flyer Nr. 357 vom 06.06.2012
Druckversion
NEWS
KÖLNER KLAGEMAUER
FOTOGALERIE