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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
Berliner Renditegarantie durch Änderung in der Wassertarifordnung abschaffen!
Großer Erfolg für den Berliner Wassertisch
Vom Sprecherteam

Die nunmehr dritte Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamtes muss umgesetzt werden. In einer Entscheidung vom Dienstag, dem 5. Juni 2012, ordneten die Kartellwächter an, dass das Entgelt für Wasser in Berlin in diesem Jahr um 18 Prozent und in den kommenden drei Jahren um 17 Prozent niedriger sein muss als 2011.

Die Behörde lässt noch offen, ob es außerdem eine rückwirkende Preissenkung für die Jahre 2009 bis 2011 verfügen wird. Zur Begründung geben die Richter an, dass die Preise in Berlin im Vergleich zu anderen Großstädten deutlich überhöht seien. Dabei wurden in dem Urteil
ausdrücklich die Kosten für die Sanierung des Ost-Berliner Wassernetzes berücksichtigt.

Doch auch dieses Mal, zum Dritten, könnten die Wasserbetriebe gegen die Entscheidung klagen. Sie behaupten, dass das Kartellamt nicht zuständig sei. Erst im April hatte die Behörde - vier Monate nach einer ersten Abmahnung - die Berliner Wasserbetriebe erneut für ihre Tarifpolitik gerügt.

Wassertisch-Sprecherin Ulrike von Wiesenau kommentiert: "Damit geht der Kampf des Bundeskartellamts um die bundesweite Kontrolle der Wasserpreise in eine neue Runde, es sieht ganz danach aus, dass die oberste Kartellbehörde im Falle der Berliner Wasserbetriebe ein Exempel statuieren will. Das notorische Klagen der BWB mit Argumenten wider besseres Wissen - wie die Behauptungen einer Nichtzuständigkeit der obersten Kartellbehörde, von längst berücksichtigten Kosten für die Sanierung der Ost-Berliner Wassernetze, Tricksereien um den Tatbestand von Preisen oder Gebühren - lassen schwere Zweifel an der Seriosität des Klägers aufkommen, der Verdacht drängt sich auf, dass das Unternehmen unlauter auf Zeit spielt, zum Schaden der Berlinerinnen und Berliner, denn bis zum Urteil wird sich nichts an den überhöhten Wasserpreisen ändern".

Wirtschaftsexpertin Gerlinde Schermer verweist auf die bundespolitische Bedeutung der amtlichen Feststellung von Preismissbrauch beim größten Wasserversorger Deutschlands. "Gerade wird in Bundesrat und Bundestag der Regierungsentwurf der 8. Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (8. GWB-Novelle) beraten. Am 27. Juni 2012 ist eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages vorgesehen. Es geht um die Frage einer möglichen kartellbehördliche Missbrauchskontrolle von Unternehmen, die Gebühren erheben, und um die besondere Preismissbrauchsaufsicht beim Wasser.Das Inkrafttreten der GWB-Novelle sei weiterhin für den 1. Januar 2013 geplant."
 
Zu Meldungen in heutigen Zeitungen, der Wissenschaftliche Parlamentsdienst (WPD) habe die Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe als verfassungskonform bezeichnet, erklärt der Berliner Wassertisch:
 
1. Ein Gutachten des WPD kann eine gerichtliche Prüfung nicht ersetzen. Es ist nie gerichtlich festgestellt worden, dass die jetzige gesetzliche Regelung der Teilprivatisierung mit der Verfassung von Berlin vereinbar ist. Ein WPD-Gutachten ersetzt weder eine gerichtliche Prüfung noch eine Prüfung durch von Senat und Abgeordnetenhaus unabhängige Experten. Eine solche Prüfung durch unabhängige Fachleute verlangt aber das im
Volksentscheid angenommene Offenlegungsgesetz.
 
2. Erst durch die Veröffentlichung der Verträge konnte nachgewiesen werden, dass in ihnen eine Renditegarantie für die privaten Anteilseigner enthalten ist. Diese Renditegarantie wird durch das Betriebegesetz und die Wassertarifordnung gesichert. Folglich müssen Betriebegesetz und Wassertarifordnung geändert werden, um die Renditegarantie abzuschaffen. "Das haben uns die 666.000 Wasserverbraucher aufgegeben, die im Volksentscheid für unser Gesetz gestimmt haben", erklärte Gerhard Seyfarth vom Sprecherteam des Berliner Wassertischs.

Finanzsenator Nußbaum setzt ruinösen Weg fort

Seit ein senatsinternes Papier in die Öffentlichkeit gelangte, besteht die spannende Frage, ob die Abgeordneten von SPD und CDU diesmal verstehen, welche Auswirkungen mit dem durch Senator Nußbaum eingefädelten Rückkauf der RWE-Anteile verbunden sind, oder ob sie sich wieder wie 1999 von der damaligen Finanzsenatorin Fugmann-Heesing unter

Zeitdruck hinters Licht führen lassen. Der Schuldenstand des Landes Berlin hat sich seit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe entgegen allen Absichten und Versprechungen verdoppelt und liegt nun bei über 60 Mrd Euro. 

„Rekommunalisierung“ nennt Senator Nußbaum den teuren Rückkauf der RWE-Anteile bei den Berliner Wasserbetrieben. „Tatsächlich versucht er aber, einer Anfechtung und Rückabwicklung der offen gelegten Verträge zuvor zu kommen“, meint Wirtschaftsexpertin Gerlinde Schermer. „RWE soll noch schnell die vertraglich bis 2028 garantierten Gewinne in Höhe von ca. 650 Mio Euro fürs Nichtstun zugeschoben bekommen. So will Herr Nußbaum der Aufklärung durch den Sonderaussschuss des Abgeordnetenhauses und einer juristischen Aufarbeitung zuvor kommen. Eiligst sollen die versprochenen Gewinne dem Atom-Konzern RWE noch gesichert werden.“ 

Senator Nußbaum schreibt in dem „Eckpunktepapier“ vom 23. Mai 2012, dass die Sachlage für einen „möglichst schnellen Vollzug“ spräche. „Dieses Vorgehen kennen wir noch gut aus dem Jahr 1999, als die BWB von der damaligen Finanzsenatorin teilprivatisiert wurden,“ erinnert sich Gerlinde Schermer, die als Abgeordnete 1999 dabei war. „Plötzlich musste alles ganz schnell gehen. Die Abgeordneten von CDU und SPD stimmten in Unkenntnis der Gewinngarantie den Verträgen zu. Und später war der Katzenjammer groß. Es wurde beteuert, dass man solche Verträge nie wieder abschließen würde. Aber Senator Nußbaum will diesen Fehler keineswegs korrigieren, sondern zementieren! Jetzt ist die spannende

Frage, ob die Abgeordneten merken, dass die von Herrn Nußbaum vorgestellten Modelle zum Rückkauf der RWE-Anteile bedeuten, dass die Wasserpreise nicht sinken können und die Möglichkeit zu wirklich niedrigeren Wasserpreisen verbauen. Damit bleibt die Beutegemeinschaft zwischen Senat und Veolia bestehen.“ 

Zur Einschätzung des Senators über die Auswirkungen des Rückkaufs sagt Michel Tschuschke, Mitglied des Wassertisch-Sprecherteams: „Es ist ein Märchen, wenn Senator Nußbaum behauptet, dass der Erwerb der RWE-Anteile keine Belastung für die Berliner Wasserkunden darstelle. Selbstverständlich sind die Gewinne der privaten Konzerne bzw. die Auszahlungssumme für den Rückkauf bereits im Wasserpreis einkalkuliert. Die Wasserkosten könnten stärker sinken, wenn der Senat endlich die Verträge anfechten und das Abgeordnetenhaus das Betriebe-Gesetz ändern würde.“ 

In seinem Papier äußert sich Senator Nußbaum auch zur Transparenz. Das kommentiert Gerhard Seyfarth: „Senator Nußbaum wäre zu einem Rechtsbruch bereit, wenn die privaten Anteilseigner ihre Zustimmung zur Veröffentlichung der neuen Verträge verweigern sollten. Wenn er meint, ohne Zustimmung des privaten Vertragspartners die Verträge nicht veröffentlichen zu müssen, plant er bewusst einen Verstoß gegen das Gesetz zur Offenlegung.“ (PK)


 


Online-Flyer Nr. 357  vom 06.06.2012

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