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Lokales
Der Schienengüterverkehr im "UNESCO Weltkulturerbe" Oberes Mittelrheintal
Echter Horror für Anwohner und Gäste
Von Willi Pusch

Rund um die Uhr, vor allem nachts, donnern über 500 Züge durch den Rheingau und das Mittelrheintal (UNESCO Weltkulturerbe) mit einem Lärmpegel von über 100 Dezibel. In den nächsten Jahren soll sich laut DB Zukunftsplanung die Zahl auf über 700 Züge täglich steigern. Ein echter Horror für die Anwohner und Gäste. Die Folgen sind Wertverfall der Immobilien, Gesundheitsschäden und ein Niedergang des Tourismus. Verantwortlich für den staatlich geförderten Lärmterror sind der aktuelle Verkehrsminister Dr. Peter Ramsauer und der Chef der Deutschen Bahn Dr. Rüdiger Grube. Willi Pusch, Vorsitzender der "Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn e.V.", hat uns dazu einen Artikel geschickt. – Die Redaktion

Aktuelles Loreley-Bild von Jana Wendt Lierschied 2012 
Quelle: http://www.bahnlaerm-mittelrhein.de/
 
Die vor 150 Jahren gebauten rechts- und linksrheinischen zweigleisigen Bahntrassen führen mitten durch die Ortschaften. Oft beträgt der Abstand zu den Häusern der Anwohner nicht einmal 10 m. Güterzüge erzeugen dabei deutlich spürbare Erschütterungen und einen Lärmpegel von bis zu 110 Dezibel, das entspricht der Lautstärke eines Presslufthammers. Die verwendeten Waggons sind bis zu 40 Jahre alt und meist seitdem nicht mehr modernisiert worden. Betrachtet man die Schallentwicklung und -überlagerungen durch die links- und rechtsrheinische Strecke, wird dadurch ein unzumutbarer Dauerlärmpegel erreicht.
 
Die Lärmproblematik im Rheintal hat mittlerweile die Dimension der viel diskutierten Lärmsituation am Flughafen Frankfurt/Main deutlich überschritten. Trotzdem soll die Strecke mit moderner Elektronik so ausgebaut werden, dass bis 2017 die Abstände der Züge auf vier Minuten gesenkt werden - rund um die Uhr. Ferner ist geplant, die Länge der Züge zu erweitern. Hintergrund der Ausweitung des Güterverkehrs im Rheintal ist der Ausbau der transnationalen Güterzugstrecke zwischen den Seehäfen Genua, Rotterdam und Antwerpen. Eine große Rolle spielt dabei der sich im Bau befindliche Gotthard-Basistunnel in der Schweiz.
 
Statt den viertägigen Seeweg rund um Spanien zu nehmen, werden die Seeschiffe künftig im jeweiligen Hafen ausgeladen und die Güter per Bahn auf die Reise geschickt. Zum entsprechenden Ausbau der jeweiligen Streckenabschnitte haben sich die Schweiz, die Bundesrepublik Deutschland sowie die Niederlande verpflichtet. Für Deutschland heißt dies, dass fast der gesamte Nord-Süd-Bahnverkehr durch das enge Nadelöhr Rheintal geleitet wird. Betroffen sind u.a. das Rhein-Main-Gebiet, der Rheingau und das Mittelrheintal.

Die Folgen für das Tal, das im Abschnitt des Oberen Mittelrheintals aufgrund seiner Einmaligkeit und Anmut "UNESCO-Welterbe“ ist, und seine Bewohner sind dramatisch:

Besuch bei der SWR 4 Klartext-Redaktion am 14. Juni in St Goar
Quelle: http://www.bahnlaerm-mittelrhein.de
 
• Bereits heute schädigen der Lärm und die Erschütterungen massiv das Wohlbefinden und die Gesundheit der Anwohner. Von Schlafstörungen, Bluthochdruck bis hin zu Herzrasen reicht die Palette der Erkrankungen, die unter anderem in zahlreichen medizinischen Studien mit Lärm in Verbindung gebracht werden.
 
• Der für das Tal existentiell wichtige Tourismus ist seit Jahren rückläufig. Viele Touristen aus dem In- und Ausland, die die Gegend wegen ihrer Einmaligkeit besuchen, kommen kein zweites Mal. Reiseveranstalter meiden das Rheintal zunehmend. Und das obwohl es das Prädikat „UNESCO-Welterbe“ trägt.
 
• Immobilien verlieren rasant an Wert bzw. sind bereits unverkäuflich.
 
Kurzum: Das Rheintal als eine der schönsten Regionen Deutschlands blutet systematisch aus.
 
Diese Entwicklung muss umgehend gestoppt werden. Um die Akzeptanz des ökologisch bedeutsamen Verkehrsträgers Schiene nicht weiter zu gefährden, muss die Entwicklung des Schienenverkehrs umwelt- und anwohnerfreundlich gestaltet werden. Ziel der Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn e.V. ist es, mit ihren Forderungen bei den verantwortlichen Stellen der Deutschen Bahn AG sowie der Politik in Berlin und in den Bundesländern Gehör zu finden.
 
Unsere Forderungen:
 
• Einführung eines „lärmabhängigen Trassenpreissystems“, wonach das Entgelt für die Nutzung der Strecke vom erzeugten Lärm des jeweiligen Zuges abhängt. Je lauter der Zug, desto höher der zu zahlende Preis.
 
• Verlagerung der aus den Häfen Rotterdam und Antwerpen stammenden Güter sowie aller Gefahrguttransporte auf die Wasserstraße
 
• Einsatz von modernen, lärmarmen Zügen bzw. die entsprechende Umrüstung vorhandener Wagen.
 
• Ergreifung von Maßnahmen zur Verringerung der Erschütterungen, die von den Zügen ausgeht.
 
• Prüfung weiterer technischer Innovationen in einem Modellprojekt, um Lärm und Erschütterung weiter zu verringern.
 
• Planung und anschließender Bau einer zusätzlichen Nord-Süd-Eisenbahnstrecke als Entlastungsstrecke, wobei die Umsetzung eines solchen Vorhabens rund 25 Jahre dauert.
 
• Gründung eines Projektbeirats, in dem Vertreter der Deutschen Bahn AG, der Bundes- und der Landesregierungen, der Kommunen sowie der Bürgerinitiativen die Vorhaben diskutieren mit dem Ziel der Einbringung von Bürgerinteressen. (PK)
 
Willi Pusch ist Vorsitzender der Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn e.V.


Online-Flyer Nr. 360  vom 27.06.2012

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