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Krieg und Frieden
Erfolgreiche Zivilklausel-Tagung zur Verantwortung der Wissenschaften
Karlsruher Kongress gegen Kriegsforschung
Von Dietrich Schulze
Am 15. und 16. Juni 2012 fand am Karlsruher Institut für Technologie KIT (Campus Süd = Universität Karlsruhe, Campus Nord = früheres Forschungszentrum Karlsruhe) eine bundesweite Tagung zur „Verantwortung der Wissenschaften für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ statt, zu der Veranstalter aus dem Kreis der Studierendenschaften, der Gewerkschaften und Friedensgruppen eingeladen hatten (1).
Es war die erklärte Absicht der Veranstalter, unter dem Leitgedanken „Mit den Waffen des Geistes - Gegen den Geist der Waffen“ ein Zeichen gegen die wachsende Indienstnahme der öffentlichen Bildungseinrichtungen für militärische Zwecke zu setzen und Perspektiven für die Friedensbindung der Hochschulen durch Zivilklauseln zu erarbeiten. Das ist trotz vielfältiger Widerstände gelungen.
Der Rektor der Uni Karlsruhe, später KIT-Präsident, und jetzt Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Horst Hippler, war von Anfang an Promoter von Rüstungs- und Atomforschung und Gegner der Zivilklausel. Wird sein Abgang, begleitet vom Verlust des Elite-Status für KIT, genutzt werden, eine grundsätzliche Kurskorrektur vorzunehmen? Innovative Zivilforschung statt Atomforschung, eine verbindliche selbstverpflichtende Zivilklausel statt Rüstungsforschung, verbesserte Grundfinanzierung statt mehr Drittmittel, Mitbestimmung statt Bürokratie, Arbeitsplatzsicherung statt Fristverträge.
Aktionswoche „Militärfreie Bildung und Forschung“
Online-Flyer Nr. 360 vom 27.06.2012
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Krieg und Frieden
Erfolgreiche Zivilklausel-Tagung zur Verantwortung der Wissenschaften
Karlsruher Kongress gegen Kriegsforschung
Von Dietrich Schulze
Am 15. und 16. Juni 2012 fand am Karlsruher Institut für Technologie KIT (Campus Süd = Universität Karlsruhe, Campus Nord = früheres Forschungszentrum Karlsruhe) eine bundesweite Tagung zur „Verantwortung der Wissenschaften für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ statt, zu der Veranstalter aus dem Kreis der Studierendenschaften, der Gewerkschaften und Friedensgruppen eingeladen hatten (1).
Die zweitägige Kongress fand ziemlich genau 25 Jahre nach einem Kongress gegen Rüstungsforschung (2) an der Universität Karlsruhe unter Leitung des langjährigen Direktors des Physikalischen Instituts der Fridericiana Werner Buckel (1920-2003) statt. Ein bewegendes Moment zu Beginn der Würdigung der Tätigkeit des Friedenswissenschaftlers: Sein Sohn Walter Buckel bedankte sich für die Einladung und die Ehrung des Vaters und wünschte der Tagung einen guten Verlauf.
Soziale Gesellschaft oder Interventionskriege
Der Kongress war vielgestaltig und vermittelte dennoch eine einfache Botschaft. Die WissenschaftlerInnen, die Studierenden, die Beschäftigten der öffentlich geförderten Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen sich angesichts der globalen menschheitsgefährdenden Probleme Umweltzerstörung, Hunger und Armut entscheiden. Wollen sie ihre schöpferischen Kräfte friedlichen oder kriegerischen Zwecken widmen? Wollen sie Aufbaumittel für eine soziale Gesellschaft oder Vernichtungsmittel für Interventionskriege schaffen?
Gegen Rüstungs- und Atomforschung
Mit Eröffnungsbeiträgen zu historischen Aspekten der Verantwortung der Wissenschaften und zum Irrweg Atomkraft, mit vier Arbeitskreisen zu den Themen Zivilklausel, Dual Use, Atomforschung und Drohnen - der distanzierte Tod - sowie einem Abschlusspodium mit VertreterInnen aus Wissenschaft, Studierendenschaft, Gewerkschaft und Politik mit jeweils 50 bis 80 TeilnehmerInnen, wurden überzeugende Antworten auf gegenwärtige Herausforderungen gegeben. Die Friedensarbeit von Werner Buckel zeigte sich als verbindende Klammer für alle Beiträge und für die diskutierten Perspektiven gegen Rüstungs- und Atomforschung.
Aus den Eröffnungsbeiträgen und der Arbeitsgruppe Atomforschung kam das klare Signal, die Atomreaktorforschung (IV. Generation, Transmutation) am KIT zu beenden. Das spiegelte sich auch im Abschlusspodium wider. Hier gab es zu der in Oppositionszeiten versprochenen und jetzt von der Grün-Roten Landesregierung Baden-Württemberg nicht in das KIT-Gesetz übernommenen Zivilklausel (3) eine zwar kontroverse, aber solidarische Diskussion mit der gemeinsamen Überzeugung, dass dieses nachgeholt werden muss und die Zivilklausel für alle Hochschulen Baden-Württembergs im Landeshochschulgesetz zu verankern ist. Für den Novellierungsentwurf werden bereits im Herbst 2012 erste Entscheidungen getroffen.
Die Eröffnungsveranstaltung am Freitag und das Abschlusspodium am Samstag sind als Video-Mitschnitte bei fluegel.tv (4) dokumentiert. Für weitere Informationen wird auf die Web-Dokumentation der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf) verwiesen. Die Ergebnisse der vier Arbeitsgruppen und andere Teile der Tagung sollen in einer knappen Broschüre zusammen gefasst werden. An verschiedenen Programmen der Tagung haben PressevertreterInnen der Badischen Neuesten Nachrichten, ka-news, DIE ZEIT, Spiegel-Online, Deutschlandfunk und Westdeutscher Rundfunk teilgenommen. Auf Berichte in Spiegel-Online (5), junge Welt (6), Badische Neueste Nachrichten (7), ka-news (8) und wdr3-Resonanzen (9) wird besonders hingewiesen.
Forschendes Kriegsgemauschel
In den Presseberichten werden vor allem die beiden aktuellen Auseinandersetzungen in Bremen und Baden-Württemberg behandelt. Dazu aus der wdr3-Sendung zu der für das KIT-Gesetz versprochenen und von der Grünen Wissenschaftsministerin als "nicht mehr zeitgemäß" eingestuften Zivilklausel: „Demokratie im Rüstungssektor und in der Kriegsforschung war noch nie zeitgemäß, so auch heute nicht. Denn Rüstungs-Aufträge auch an Universitäten wurden und werden bislang nicht offengelegt oder gar öffentlich diskutiert. Kriegsvorbereitung ist Verschlusssache. Gerade dagegen wenden sich die ‚unzeitgemäßen‘ Kritiker dieser Praxis. Wenn Zivilklauseln, ob nur universitär oder gesetzlich verankert, die Offenlegung fragwürdiger Zuwendungen zur Pflicht machen würden, hätte es ein Ende mit dem Geschacher hinter verschlossenen Türen und dem forschenden Kriegsgemauschel im Geheimen.“
Gesetzliche Zivilklausel und die Neunte
Mit Energie und Konsequenz war die Zivilklausel der Universität Bremen gegen die Machenschaften der Bremer Weltraum-Rüstungsfirma OHB von einem breiten Bündnis geschützt und bekräftigt worden. Kurz darauf war von Radio Bremen (10) aufgedeckt worden, dass die Universitäten Bremen und Karlsruhe Rüstungsforschung für OHB und Bundeswehr (Breitbandübertragung von Luftaufklärungsdaten) betrieben hatten, ein klarer Verstoß gegen die Bremer Zivilklausel.
Nun wird von der Rot-Grünen Bremer Landesregierung eine Zivilklausel für das Bremer Hochschulgesetz erwogen (11), die für alle Bremer Hochschulen verbindlich wäre. Wie wirksam bereits die Debatte darüber ist, kann nun direkt belegt werden. Der Akademische Senat der Hochschule Bremen (University of Applied Sciences) beschloss am 12. Juni 2012 einstimmig eine Zivilklausel als Selbstverpflichtung (12). Das ist nach TU Berlin, Uni Bremen, Uni Konstanz, TU Dortmund, TU Ilmenau, Uni Oldenburg, Uni Tübingen und Uni Rostock die neunte Zivilklausel an einer Hochschule (13).
Brief zur KIT-Rüstungsforschung
Die DFG-VK Baden-Württemberg und die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten hatten Ende Mai unter Berufung auf die in Bremen ausgegrabene Rüstungszusammenarbeit mit OHB an das KIT-Präsidium und Ministerin Bauer geschrieben und um Aufklärung gebeten, welche Institute der Universität Karlsruhe daran beteiligt waren und ob an Folgeprogrammen für die Bundeswehr geforscht wird (14). Seit nunmehr vier Wochen gibt es keinerlei Reaktion, obwohl KIT mit gerade verabschiedeten Ethik-Leitlinien (15) Transparenz der Forschungsinhalte und öffentlichen Diskurs versprochen hat.
Aktionswoche „Militärfreie Bildung und Forschung“
Als nächstes Kampagnenziel der Zivilklausel-Bewegung wird die Unterstützung der bundesweiten Aktionswoche vom 24. - 29. September 2012 „Für militärfreie Bildung und Forschung“ (16) angesehen.
In der Tagung wurde sichtbar, dass sich an immer mehr Hochschulen Arbeitskreise und Initiativen für die Zivilklausel in Forschung und Lehre bilden und die Vernetzung der Aktivitäten verbessert werden konnte. Dabei spielen gewerkschaftliche Grundsatzentscheidungen zur Zivilklausel und die Unterstützung z.B. für alle diejenigen, „die sich verpflichten, nicht an militärischen oder zivilmilitärischen Forschungsprojekten mitzuwirken“ (17) ebenso eine Rolle wie parlamentarische Initiativen, z.B. der Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag vom 13. Juni 2012 (Drs. 17/9979): „Keine Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen - Forschung und Lehre für zivile Zwecke sicherstellen“ (18).
Die seit 4 Jahren anhaltende Auseinandersetzung über den zivilmilitärischen Cluster KIT strahlt ermutigend auf Studierende aus, die mit ähnlichen Konstrukten konfrontiert sind. Dazu sei auf den geplanten Rüstungspark an der Universität Augsburg und einen aktuellen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung (19) hingewiesen.
Wahre Universität
In der Tagung ist auch die geschichtliche Lehre, dass von deutschem Boden immer nur Frieden ausgehen soll, in den Blick genommen worden. Der Leitgedanke „Mit den Waffen des Geistes - Gegen den Geist der Waffen“ ist das Leitmotiv des Münchener Holocaust-Überlebenden und antifaschistischen Widerstandskämpfers Martin Löwenberg, das er den Teilnehmerinnen des Zivilklausel-Kongresses in der Uni Tübingen im Oktober 2011 in einem Grußwort (20) zugerufen hatte.
Die Studierenden können sich Hochschullehrer wie Werner Buckel zum Vorbild nehmen. Im Buch „Nachdenken statt Nachrüsten“ (21) schrieb er den schönen Gedanken über das vorbehaltlose Zusammenstehen aller Hochschulangehörigen am Tag der Hochschulen (20. Oktober 1983) nieder:
„Das Plenum vermittelte das Erlebnis einer wahren Universität.“ Die Studierenden und die ProfessorInnen waren zuvor gemeinsam gegen die Stationierung von Atomraketen auf die Marktplätze gezogen. Davon sind wir zwar noch ein gutes Stück entfernt. Aber: „So wie es ist, bleibt es nicht.“ (PK)
Zitate (links):
1 http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20120531.pdf http://bawue.dfg-vk.de/fileadmin/user_upload/SWK-0212.PDF
15 http://www.kit.edu/besuchen/pi_2012_10668.php, http://www.wir-sind-kit.de/Dokumente/KIT-II-Dokumente/EthikflyerVerdi.pdf
20 http://zivilklauselkongress.blogsport.de/2011/10/31/grussbotschaft-von-martin-loewenberg-an-den-kongress/, http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20111028.pdf
Online-Flyer Nr. 360 vom 27.06.2012
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