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Arbeit und Soziales
SPD, Grüne, LINKE: Zwiespältiger Umgang mit Mini-Jobs
Wettern und Nutznießen
Von Harald Schauff

Das oft und laut gepriesene "Jobwunder" am deutschen Arbeitsmarkt hat eine Hauptursache, die zumeist nebenher erwähnt wird: Die hohe Anzahl "geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse". Weit über 7 Millionen gibt es inzwischen davon. Kommen sie zur Sprache, so geht es fast immer nur um den Anteil, den regulär Beschäftigte neben ihrem Hauptberuf ausüben als Nebenverdienst. Als Paradebeispiel für "außerordentliche Beschäftigung" prangern Oppositionsparteien und Gewerkschaften gern die Leiharbeit an. Immerhin fast eine Million der Erwerbstätigen fallen mittlerweile darunter.

Um den Hauptbatzen der "ausschließ- lich geringfügig Beschäftigten" wird auffällig herum geredet. Letztes Jahr soll deren Anzahl um sage und schreibe 60.000 gesunken sein. Die Gesamtmenge verharrt weiter auf hohem Niveau: Über 4,8 Millionen. Viel Holz, wenig Einkommen. Man stelle sich vor, diese Masse würde wie zu früheren Zeiten als erwerbslos gezählt, dazu ABMler, Praktikanten, über 58jährige und gering verdienende Freiberufler. Die Arbeitslosenzahlen würden Richtung 10 Millionen-Marke wandern oder gar darüber hinaus schießen. Dahin wäre die von Regierung, Unternehmerverbänden und Medien so stolz vorgezeigte Rekordzahl von fast 42 Millionen Erwerbspersonen. Man sieht: Mini-Jobs haben sich längst zur festen Größe und zum festen Bestandteil des Arbeitsmarktes gemausert.
 
Auch die Parteien wollen sie nicht missen: Hunderte von Mini-Jobbern ackern in Abgeordneten- und Wahlkreisbüros. Laut SPIEGEL (47/ 2012) befindet sich der Löwenanteil bei den Unionsfraktionen von CDU/CSU: 486. Doch auch die Oppositionsparteien, die jene Beschäftigungsverhältnisse bei jeder Gelegenheit an den öffentlichen Pranger stellen, lassen laut SPIEGEL in ihren Büros 273 Mini-Jobber tätig sein. 163 sind es bei der SPD, 43 bei den Grünen und 67 bei der Linkspartei (Stand: November 2012). So verpönt Mini-Jobs hier sind, so gern werden sie in Anspruch genommen. Damit erhält die Kritik aus diesen Ecken in puncto Glaubwürdigkeit gewaltige Kratzer. Das schöne Bild vom Kehren vor der eigenen Haustür kommt einem da in den Sinn. Mithin ist es nicht verwunderlich, dass die Eindämmung dieser Beschäftigungsform wie so vieles andere in der Politik auf die verbale Ebene beschränkt bleibt.
 
Das tat sie bereits 1998, als Rot-Grün vorgab, den Billig-Jobs, damals auf 630 DM-Basis, zuleibe rücken zu wollen. Wie weit man dabei gekommen ist, sieht man heute. Die Ausdehnung dieser zahlenkosmetischen Beschäftigungsformen nahm mit den sog. "Mac"-Jobs ihren Ausgangspunkt in den USA der 90er. Sie hat seinerzeit der Clinton-Administration eine traumhaft niedrige Erwerbslosenquote eingebracht und Illusionen von Vollbeschäftigung genährt. Ein weiterer Effekt: Sie trieb die Schere bei den Löhnen auseinander. Nachdem die steuerfreie Geringfügigkeitsgrenze der Mini-Jobs von 400 auf 450 Euro erhöht worden ist, darf man eine weitere Zunahme dieser „katastrophalen Beschäftigung“ und „biographischen Sackgasse“ (so die SPD-Sozialexpertin Anette Kramme) annehmen. Das „organisierte Lohndumping“ (Linke) wird fortgesetzt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das dieser Lohndrückerei entgegen wirken würde, wird aus denselben Ecken als ‘elitär’, 'Schlaraffenland’ oder ‘Jahrmarkt im Himmel’ abgetan. Man beklagt die Realität, der man sich gleichwohl anpasst, macht sich im Hinblick auf sinnvolle Alternativen bzw. mögliche Auswege lächerlich und hat selbst nur den Rückwärtsgang anzubieten. Wenn eins lächerlich ist, dann das. (PK) 
 
Dieser Beitrag - der überraschender Weise auch die LINKE betrifft - erschien in der März-Ausgabe der Kölner Straßenzeitung Querkopf, die man als Arbeits-Obdachlosen Selbsthilfe-Mitmachzeitung überall kaufen kann. Sie wird monatlich von kritischen Menschen gemacht, denen die gezielte Meinungsmache der übl(ich)en Presse gegen den Strich geht. Die Zeitung erscheint monatlich und kostet 1,50 Euro. Beim Verkäufer verbleiben 0,75 Euro.


Online-Flyer Nr. 397  vom 13.03.2013

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