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Arbeit und Soziales
Skandalöse Praxis der Bundesagentur: Leiharbeit begünstigt Vermittlungsquote!
Mehr Karussell als Sprungbrett
Von Harald Schauff

Was taugt das beste Sprungbrett, wenn das Becken darunter entweder kein Wasser führt oder restlos überfüllt ist? Als "Sprungbretter" in den "ersten Arbeitsmarkt" werden Minijobs und Leiharbeit bis heute gehandelt. Schon lange, spätestens seit den Hartz-Reformen, war absehbar, dass sich diese Beschäftigungsformen zu eigenständigen Sektoren entwickeln würden, die eher den Statistiken als den Betroffenen zugute kommen. Relativ wenige schaffen von dort den Sprung in das Becken der regulären Beschäftigung.
 

Ab in die Leiharbeit!
Quelle: Erwerbslosen Forum 
Dessen ungeachtet vermitteln Jobcenter seit Jahren bevorzugt in Leiharbeits-Verhält-nisse. Dadurch haben sie nicht unwesentlich zur Förderung der Branche beigetragen. Hintergrund dieser Praxis sind zu erfül- lende Quotenvor-gaben. Das ARD- Wirtschaftsmagazin "plusminus" berich- tete darüber in seiner Sendung vom 13.3. 2013. Warum die Bundesagentur für Arbeit so stark auf Leiharbeit setze, wollte man wissen. Eine Vertreterin der Bundesagentur verwies auf die „Dynamik“: Zeitarbeit habe viele Stellen zu besetzen. Aufgabe der Bundes-agentur sei es, Stellen und Arbeitssuchende zusammen zu bringen. „Dynamik“ möchte hier wohl heißen: Auf dem Karussell sind immer Plätze frei.
 
Die Verweildauer dort ist kurz. Ein ständiges, schwungvolles Raus und Rein. Zum Wohle guter Vermittlungsquoten. Laut Hauptpersonalrat der Bundesagentur gehen in einzelnen Agenturen inzwischen bis zu 70 % der erfolgreichen Vermittlungen auf das Konto von Leiharbeit. Dass die Stellen nur auf wenige Monate befristet sind und die Kandidaten wieder schnell im Jobcenter landen können, interessiert erst einmal nicht. Was interessiert ist die
‘Integrationsquote’, welche die Arbeitsvermittler zu erfüllen haben. Es geht um Zahlen, feiner ausgedrückt: "Quantifizierbare Ziele."
 
Für die Statistik zählen Leiharbeit und reguläre Beschäftigung gleich. Die Vermittler stehen unter dem Druck, die Quote erreichen zu müssen. Das schaffen sie leichter, wenn sie einen Arbeitslosen häufiger in mehrere Leiharbeitsstellen vermitteln als in eine einzige unbefristete Stelle. Arbeitsmarktexperten finden diese Praxis der Bundesagentur skandalös. So würden Betroffenen in eher schlechte Jobs vermittelt, um günstige Ziffern zu erhalten. Und das ausgerechnet in der momentanen Situation, wo der Arbeitsmarkt sich in einem besseren Zustand befinde und mehr Jobs mit Perspektive und gutem Lohn biete.
 
Inzwischen vermitteln die Argen mehr in Leiharbeit als in reguläre Beschäftigung. Die meisten Zeitarbeitsstellen enden nach drei Monaten. Der Sprung in feste Stellen auf dem "ersten Arbeitsmarkt", auch "Brückeneffekt" genannt, funktioniert in nur 8 % der Fälle.
Seitens der Bundesagentur räumt man ein, dass in der Vermittlungspraxis einiges "nicht gut gelaufen" und "kritisch zu überdenken" sei. "Plusminus" attestiert als Fazit "zu viel Masse und zu wenig Klasse". Dabei hat man nichts gegen Erfolgsquoten, fordert jedoch, wieder mehr Wert auf "Qualität und Nachhaltigkeit" der Jobs zu legen. Das klingt wohlfeil. Im Endeffekt drückt man sich um die schlichte Erkenntnis herum, dass es von diesen Stellen einfach zu wenig gibt. Daran wird auch die optimalste Vermittlungspraxis der Argen nichts ändern. Außen vor bleibt, dass ein Großteil der festen Stellen auch nur befristet und/oder so schlecht bezahlt sind, dass es der Aufstockung durch Alg II bedarf. Alle Sprungbretter werden besten Bemühungen zum Trotz im Regelfall in die Leere führen. (PK)
 
Diesen Beitrag hat uns die Kölner Straßenzeitung "Querkopf" zur Verfügung gestellt - eine Mitmachzeitung von kritischen Menschen, denen die gezielte Meinungsmache der allgemeinen Presse gegen den Strich geht.
 


Online-Flyer Nr. 405  vom 08.05.2013

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