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Inland
Militärforschungsprojekte enthüllen, vordringlich an Unis mit Zivilklausel!
Geheime Hochschul-Kriegsdienste
Von Dietrich Schulze
Das Bundesverteidigungsministerium teilte aufgrund einer Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion in einer Tabelle mit, dass 2013 an 26 Hochschulen 4,8 Mio. € Drittmittel für Rüstungsforschungsprojekte gezahlt werden, mehr als die Hälfte davon allein für die 10 Spitzenreiter, die Unis Hannover, Kiel, München, die TUs München, Dresden und Kaiserslautern sowie die Charité-Universitätsmedizin Berlin, die Deutsche Sporthochschule Köln, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und die Tierärztliche Hochschule Hannover. Die tatsächlichen Mittel aus militärischen Quellen sind wesentlich höher.
Chiles Diktator Augusto Pinochet und der
damalige US-Außenminister Henry Kissinger,
dem zu Ehren auf Wunsch des Verteidigungs-
ministers jetzt eine Professur an der Uni Bonn
gewidmet werden soll
Das beginnt mit offensicht- lich unvollständigen Anga- ben in der o.g. Tabelle. Hinzu kommen Mittel für militärische Zwecke aus dem EU-Rüstungshaushalt und anderen öffentlichen und privaten Quellen. Unter dem Titel „Sicherheits-forschung“ gibt es eine große Palette an zivil getarnter und aus zivilen Haushalten finanzierter Militärforschung, die obendrein vom Bundes-ministerium der Verteidigung (BMVg) 2010 unter Geheimschutz gestellt wurde. Der Protest gegen den Missbrauch der öffentlichen Hoch- schulen für Kriegsforschungsprojekte hat von Jahr zu Jahr zugenommen. Vier der o.g. 26 Hochschulen, nämlich die Universitäten Göttingen, Konstanz, Rostock und Tübingen haben eine Zivilklausel, die militärische Forschung untersagt.
Online-Flyer Nr. 427 vom 09.10.2013
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Inland
Militärforschungsprojekte enthüllen, vordringlich an Unis mit Zivilklausel!
Geheime Hochschul-Kriegsdienste
Von Dietrich Schulze
Das Bundesverteidigungsministerium teilte aufgrund einer Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion in einer Tabelle mit, dass 2013 an 26 Hochschulen 4,8 Mio. € Drittmittel für Rüstungsforschungsprojekte gezahlt werden, mehr als die Hälfte davon allein für die 10 Spitzenreiter, die Unis Hannover, Kiel, München, die TUs München, Dresden und Kaiserslautern sowie die Charité-Universitätsmedizin Berlin, die Deutsche Sporthochschule Köln, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und die Tierärztliche Hochschule Hannover. Die tatsächlichen Mittel aus militärischen Quellen sind wesentlich höher.
Chiles Diktator Augusto Pinochet und der
damalige US-Außenminister Henry Kissinger,
dem zu Ehren auf Wunsch des Verteidigungs-
ministers jetzt eine Professur an der Uni Bonn
gewidmet werden soll
NRhZ-Archiv
Nebenprodukt Kissinger-Professur
Die Kleine Anfrage der Abgeordneten der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezog sich auf die geplante Einrichtung einer Professur „Henry Kissinger“ an der Universität Bonn. NRhZ und ND berichteten [1]. Die Abgeordneten hatten das verbunden mit der Frage, an welchen weiteren Hochschulen oder Fachhochschulen, außerhalb der Universitäten der Bundeswehr, das BMVg Drittmittel für Forschungszwecke in welcher Höhe zur Verfügung stellt, und darum gebeten, diese Forschung einzeln und titelscharf aufzuführen. In der Antwort der Bundesregierung [2] wird lediglich die Höhe der Mittel benannt.
Vergleich 2013 / 2010
Ein Vergleich mit den Zahlen aufgrund einer ähnlichen Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE. vom Juni 2011 [3] macht erhebliche Unklarheiten sichtbar. In der hier beigefügten Tabelle sind in der Spalte für 2013 die 26 Hochschulen geordnet nach der Höhe der Drittmittel aufgeführt. Die zehn Spitzenreiter sind grün markiert, die vier Unis mit Zivilklausel rot. In der Spalte daneben sind die gemäß Zitat [3] für das Jahr 2010 vom BMVg angegebenen Drittmittel aufgeführt. An der dort fehlenden Angabe für die TU München sowie an erheblichen Mitteln drei Jahre zuvor für 9 weitere Hochschulen (Position 27 bis 35) kann die Unvollständigkeit beider Tabellen der Bundesregierung abgelesen werden.
Geheimschutz-Verfügung beenden
Der benannten Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE. war die Kleine Anfrage „Die Rolle der Hochschulen in der staatlich geförderten Rüstungs- und militärrelevanten Sicherheitsforschung“ im Oktober 2010 voraus gegangen. Alle Titel der Forschungsprogramme wurden damals konkret benannt, aber erstmals vom Bundesministerium der Verteidigung unter Geheimschutz (VS-Nur für den Dienstgebrauch) gestellt. Damit wurden die zuständigen Hochschulgremien wie z.B. die Senate zu Geheimnisträgern gemacht.
Aufgrund der Ergebnisse der Bundestagswahl gibt es jedenfalls eine Gewissheit. Es wird entweder eine Bundesregierung „Schwarz-X“ oder eine Bundesregierung „Rot-Rot-Grün“ geben. In jedem Fall werden Parteien in der Regierung vertreten sein, die sich mannigfach für Transparenz in der Hochschulforschung ausgesprochen haben. Während unter „Schwarz-Gelb“ das Aufbrechen des unerträglichen Geheimschutzes als aussichtslos betrachtet wurde, müsste jetzt eine reale Chance bestehen.
Diese Chance beim Schopf zu packen, ist primär die Aufgabe der Angehörigen der Hochschulen, der Senate, der Studierendenvertretungen, der Hochschulgruppen der Studierenden, der Personalräte und der beiden in den Hochschulen vertretenen Gewerkschaften ver.di und GEW, aber auch der unterstützenden Öffentlichkeit.
Testfall Zivilklausel
Wie eingangs erwähnt, gibt es eine besondere Veranlassung zur Aufdeckung der geheimen Forschungsprojekte bei den 14 Hochschulen, die eine Zivilklausel besitzen [5]. Vier aus der aktuellen Liste der BMVg-finanzierten Hochschulen, die Universitäten Göttingen, Konstanz, Rostock und Tübingen, haben eine Zivilklausel. Um überprüfen zu können, ob die vom BMVg bestätigten Drittmittel-Forschungsprojekte für 2013 in Höhe von 73, 65, 114 bzw. 66 Mio. € der Zivilklausel widersprechen, müssen diese zumindest in den zuständigen Uni-Gremien unter Aufhebung der Geheimschutz-Verfügung bekannt gemacht werden.
Die benannten demokratischen Uni-Gremien sind aufgefordert zu handeln. Der Zeitpunkt ist außerordentlich günstig. Es gibt zwei eindeutige und unumstößliche Sachverhalte:
1. Die Bundesregierung hat eine konkret benannte BMVg-Finanzierung veröffentlicht.
2. Die Einhaltung der Zivilklausel kann nur dann geprüft werden, wenn die zugehörigen Forschungsprojekte mit ihren jeweiligen Forschungstiteln bekannt gemacht werden.
Die bisherige Ignoranz kann vor dem Hintergrund der Regierungsbildung beendet werden.
Die gewählten Bundestagsabgeordneten von SPD, GRÜNEN und LINKEN in den betroffenen Hochschulorten sollten dringend um Unterstützung gebeten werden.
Glücksfall IMI-Kongress in Tübingen
Am 16./17. November wird es in Tübingen einen IMI-Kongress [6] unter dem Titel "Krieg um die Köpfe - Über die Mobilisierung von Zustimmung und die Demobilisierung von Protest" geben, auch einen Vortrag und einen Workshop zur Militarisierung der Hochschulen. Der DGB-Arbeitskreis Tübingen hatte sich bereits im August 2011 exakt zu dieser Problematik in einem Schreiben [7] an Rektor und Senat der Universität Tübingen gewandt mit der zwingend denklogischen Argumentation: „Entweder es handelt sich um Forschung, die für militärische Zwecke relevant ist und deswegen vom BMVg unter Geheimschutz gestellt wurde. Dann muss die betreffende Forschung wegen Unvereinbarkeit mit der Zivilklausel beendet werden. Oder aber die Geheimschutzverfügung ist nicht berechtigt. Dann muss sie durch eine Intervention der Universität Tübingen gegenüber der Bundesregierung aufgehoben werden.“ Damit sich alle Universitätsangehörigen selbst ein Bild machen konnten, wurde eine dringliche Befassung des Senats mit dem BMVg-finanzierten Forschungsprogramm gefordert. Darauf gab es trotz konkreter Hinweise auf Chemiewaffen-Abwehrforschung [8] und Lärmtrauma-Forschung [9] keine Antwort. Der im DGB AK-Brief auch angesprochene Verstoß der Honorarprofessur für Wolfgang Ischinger gegen die Zivilklausel besteht fort. Dafür lobte die WELT im Mai die Uni Tübingen unter dem Titel „Im Seminar des »Kriegstreibers«" [10] und beklagte sich gleichzeitig über die Zivilklausel-Bewegung. Hier zwei aktuelle Einschätzungen [11]. Das ist aber leider noch nicht alles.
Tübinger Forschung über den Krieg
Bevor die Tübinger Zivilklausel gültig wurde, forschte von 2004 bis 2008 die Ethnologin und Historikerin Irma Kreiten im Sonderforschungsbereich SFB 437 "Kriegserfahrungen". Sie wurde von ihren Vorgesetzten an der Uni massiv diskriminiert, weil sie sich bei der Untersuchung von genozidaler Gewalt (Völkermord an den Tscherkessen) weigerte, die Geschichte der militärischen Nutzbarmachung von Völkerkunde nur aus der Perspektive der Täter zu behandeln [12]. Der jetzige SFB 923 "Bedrohte Ordnungen" weist personelle und inhaltliche Kontinuitäten auf. Das weist auch wegen der Kooperation mit dem umstrittenen SFB 700 der FU Berlin auf Probleme mit der Zivilklausel hin.
Minister de Maiziére – hat auch Probleme mit der Zivilklausel
NRhZ-Archiv
Als Referent des IMI-Kongresses zum Thema „Militarisierung von Forschung und Wissenschaft" tritt ein Wissenschaftler der HU Berlin auf, der zu eben jener Zeit im SFB 437 an der Uni Tübingen [13] geforscht hat. Frank Reichherzer hat ausschließlich über den Krieg, über die verhängnisvolle Funktion der „Wehrwissenschaften“ vor und in den beiden von deutschem Boden ausgegangenen Weltkriegen bis hin zum Kalten Krieg geforscht und publiziert. In einer Rezension über sein Buch „Alles ist Front“ [14] wird auf sein erweitertes Verständnis der Militarisierung mittels des „bellizistischen Blicks“ hingewiesen und auf die mit der Militarisierung unauflöslich verbundene Verschmelzung von Zivilem und Militärischem. Genau das aber ist seit Amtsantritt von Ex-Ministerin Anette Schavan die Geschäftspolitik in der CDU-Forschungsförderung. Und die Europäische Union hat jetzt noch einen drauf gesetzt.
EU zündelt zivil-militärisch
Wie Matthias Monroy, wissenschaftlicher Mitarbeiter von MdB Andrej Hunko von der Bundestagsfraktion DIE LINKE. analysiert hat, fordert die EU mehr zivil-militärische Zusammenarbeit zu Drohnen und hochauflösender Satellitenspionage [15]. Die EU-Kommission will ein neues “strategisches Konzept” entwickeln, das “alle Aspekte der militärischen und nichtmilitärischen Sicherheit berücksichtigt” mit der Forderung, “alle einschlägigen EU-Politiken in den Dienst des Verteidigungssektors zu stellen”. Diesem Konzept widerspricht offensichtlich die mit einer Zivilklausel verbundene Trennung von militärischer und nichtmilitärischer Forschung an den Hochschulen. Dieser neuen Herausforderung kann und muss auf allen Ebenen entgegen gewirkt werden. Wie Monroy und Hunko in einem aktuellen Aufsatz [16] darstellen, setzen Militär und Polizei auf immer mehr und größere Drohnen. Viele Hochschulen beschäftigen sich mit zivil oder militärisch finanzierter Drohnenforschung, auch die Uni Tübingen, um beim Beispiel zu bleiben.
Matthias Monroy
Quelle: indymedia
Drohnenforschung in Tübingen
Der Autor hatte vor zwei Jahren an den Rektor der Uni Tübingen geschrieben [17] und unter Bezug auf die Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag „Stand und Perspektiven der militärischen Nutzung unbemannter Systeme“ [18] gewandt, Unter der Rubrik „EU-Fördermaßnahmen für UAVs“ wird dort die Universität Tübingen als Kooperationspartner von Rüstungsfirmen und Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für ein Projekt Mikrodrohnen aufgeführt, das überwiegend militärischen Zwecken dient und damit unvereinbar mit der Zivilklausel ist. Betroffen ist der Lehrstuhl „Kognitive Neurowissenschaften“ am Institut für Neurobiologie der Universität. Die Fragen, ob diese Arbeiten eingestellt wurden oder ggf. anderweitig fortgesetzt werden, sind nicht beantwortet worden. Die Geheimniskrämerei wird man sofort begreifen.
Am 6. September 2013 wurde die erbetene Antwort von eben jener EU-Kommission gegeben, deren Konzept gerade erläutert worden ist. Der neue Leiter des Regionalbüros für Bayern und Baden-Württemberg in München, Peter Martin, teilte mit, dass Wissenschaftler aus Tübingen ein künstliches Insektenauge unter dem Projekttitel "CURVACE" entwickeln [19]. Das erste voll einsatzfähige konvexe Facettenauge sei von der EU mit rund zwei Millionen Euro unterstützt worden und für den Einsatz in Drohnen geeignet, aber - ich bitte Sie - für Rettungseinsätze. Von Drohnen für Kriegseinsätze kann keine Rede sein. Und natürlich das Facettenauge für Menschen mit Sehbehinderungen und für Autofahrer. Hiermit schließt sich der Kreis zum IMI-Kongress.
Tübingen kippt Geheimschutz
Kein anderer als der Referent und Historiker Frank Reichherzer kann das moderne Konzept der EU-„Wehrwissenschaft“, d.h. das Konzept der bewussten Verschmelzung von Zivilem und Militärischem besser beurteilen. Er wird den Kongress davon überzeugen können, dass
• die angewandte Forschung für zivile und militärische Zwecke strikt getrennt werden muss,
• militärische Finanzierung eingestellt und das Grundlagenwissen für zukunftsfähige Forschung für zivile Zwecke eingesetzt wird, und
• als Voraussetzung dafür alle BMVg-finanzierten Forschungstitel bekannt gemacht werden müssen, d. h. der Geheimschutz gekippt werden muss.
Der zur Farce verkommenen Tübinger Zivilklausel muss endlich Geltung verschafft werden. Das Aufknacken der Geheimschutz-Verfügung ist ein starker Hebel dazu. Möge der IMI-Kongress dies erkennen und in die Tat umsetzen. (PK)
Quellen:
[2] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/147/1714706.pdf
[3] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/062/1706200.pdf
[4] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/033/1703337.pdf
[5] http://www.nachdenkseiten.de/?p=18192 und http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19314
[6] http://www.imi-online.de/2013/10/07/imi-kongress-16-17-november-2013/
[7] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20110805.pdf
[8] http://www.taz.de/!78183/
[9] http://www.imi-online.de/2010/07/28/wo-beginnt-der-krieg/
[10] http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article116319892/Im-Seminar-des-Kriegstreibers.html
[11] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17024
http://www.heise.de/tp/artikel/36/36519/1.html
[12] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20121112.pdf
http://www.freitag.de/autoren/irma-kreiten/wissenschaftsfreiheit-eine-chimaere
http://www.karin-binder.de/fileadmin/mdb-seiten/mdb-binder/2013/pdf/irma-kreiten.pdf
http://www.freie-radios.net/56983
[13] http://wg.geschichte.hu-berlin.de/personen/wissenschaftliche-mitarbeiter-und-mitarbeiterinnen/1682126
[14] http://www.h-net.org/reviews/showpdf.php?id=39809
[15] https://netzpolitik.org/2013/eu-kommission-fordert-mehr-zivil-militaerische-zusammenarbeit-zu-drohnen-und-hochaufloesender-satellitenspionage/
[16] http://www.jungewelt.de/2013/10-07/003.php
[17] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20110911.pdf
[18] http://www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/ab144.html
[19] http://ec.europa.eu/deutschland/commission/offices/munich/copy_copy_info_point_de.htm
Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe. 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit sowie in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“ und publizistisch tätig.
Online-Flyer Nr. 427 vom 09.10.2013
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