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Medien
Obama sieht sich von einer angeblich befreundeten Kanzlerin überfahren
Die NSA-Abhöraffäre: Merkels geplatzte Show
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Washington hat derzeit wichtigere Themen und ernstzunehmendere Probleme als die angebliche Empörung in Paris und Berlin über die Amerikaner wegen ihrer Abhöraktivitäten. Was die Empörung Deutschlands betrifft, handelt es sich um eine billige Inszenierung seitens der deutschen Bundeskanzlerin, nachdem der Präsident Frankreichs den Takt gegenüber Obama am 21.10. vorgab. Die NSA-Abhöraffäre war längst in Berlin bekannt, nämlich seitdem Edward Snowden das Ausmaß der Spionage im Juni 2013 durch seine Enthüllungen veröffentlicht hatte.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de


 
Berlin reagierte zu jenem Zeitpunkt überhaupt nicht angemessen. Keine Empörung, keine diplomatische Maßnahme, nicht einmal die Einbestellung des US-amerikanischen Botschafters. Wie will man heute, monatelang danach, die Initiative Angela Merkels, den US-Präsidenten anzurufen, für seriös und glaubwürdig halten, ein Anruf an höchster Stelle der USA für eine Sache, die schon altbekannt ist? Es war schon damals offenkundig, dass die USA sich verirren, dass sie wiederholt in Fehlverhalten verfallen und ihre Untaten schwere Hindernisse für normale Beziehungen mit denjenigen Staaten verursachen, die sich an Recht und Gesetz halten. Umso unverständlicher die damalige beschwichtigende Reaktion von Angela Merkel: "Mir selber ist nichts bekannt, wo ich abgehört wurde" (ARD-Bericht aus Berlin am 14.Juli). Dazu kam die Mission ins Leere des CSU-Bundesminister Hans-Peter Friedrich in Washington und seine Aussage, er habe keinen Zweifel, dass die USA ein Rechtsstaat seien, als ob er und die Bundeskanzlerin auf dem Mond lebten.
 
Die Einbestellung des US-Botschafters erfolgt jetzt nur, weil der US-Präsident den Anruf der Kanzlerin an eine andere Person delegierte, und so die Show der Bundeskanzlerin platzte. Deswegen ist die Aussage der Sicherheitsberaterin und engen Vertrauten Obamas, Susan Rice, absolut nachvollziehbar: "Ich glaube nicht, dass die diplomatischen Folgen so bedeutend sein werden." Die entwickelte und scharfsinniger hinschauende wienerische Öffentlichkeit erkennt glasklar die Berliner Heuchelei: "Man erinnert sich noch gut, wie locker die deutsche Bundesregierung die durch Edward Snowden aufgedeckte NSA-Praxis des mutmaßlich millionenfachen Abhörens in Deutschland gehandhabt hat." (Der Standard, 26.10.).
 
Sollte die Verletzung der Souveränität Deutschlands von der Berliner Regierung wirklich ernst genommen werden, würde sie "die US-Stützpunkte auf deutschem Territorium umgehend schließen und jetzt endlich ein Zeichen setzen, will sie sich international nicht völlig lächerlich machen, " so Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. (Kolumne "Dokumentiert", Junge Welt, 25.10.) Aber nichts Neues aus Deutschland: Die deutsche Regierung, ihre Entourage und Medien bleiben bei ihrer Unterwürfigkeit gegenüber den USA. Sogar US-Atombomben werden auf deutschem Territorium unter US-Kommando immer noch unangefochten weiter bereit gehalten.
 
Der Journalist Hubert Wetzel verliert in seinem SZ-Leitartikel "Fragwürdiger Freund" (25.10.) die Sicht auf den Lauf der Beziehungen zwischen Washington und Berlin, was die aktuellen internationalen Probleme betrifft. Wie kann er sich wundern, dass sich Washington mit Moskau hinsichtlich der Syrien-Krise geeinigt hat und Paris und Berlin "hängen ließ"? Paris hatte sich schon 2011, als es mit der NATO gegen Libyen entgegen dem ausdrücklichen Willen der US-Regierung losging, als zweifelhafter US-Partner hervorgetan. Was Syrien angeht, wollte Frankreich wieder "bei einem US-Militäreinsatz mitmachen", wohl bewusst, dass der US-Präsident Obama keinen Militäreinsatz wollte und gegen die Kriegsfraktion in Washington hart ankämpfte, um wie Russland und China Verhandlungen und eine Übergangsphase in Syrien zu befürworten. Trotzdem wiederholte der französische Außenminister Laurent Fabius denselben anmaßenden Fehler seines deutschen Kollegen und flog in dem irrsinnigen Glauben nach Moskau, den Kreml von dessen begründeter Friedenspolitik gegenüber Syrien abzuwenden. Auf "Drohkulisse" und "militärische Interventionen" zu setzen, bedeutet, weitere Menschenleben skrupellos zu opfern, und zwar unverhältnismäßig, wofür sich William Cameron und Francois Hollande zu verantworten haben, denn sie sind diejenigen, die sich fortwährend sperren, um einen Ausweg aus der Gewalt zu ermöglichen. Sie nehmen somit weiter Blutvergießen und Mord in Kauf gegen allen Sinn für Humanität. Inzwischen kennt man die hässliche Vorgeschichte von Laurent Fabius, dem kriegstreibenden Außenminister Frankreichs, eine Vorgeschichte, die ihn völlig diskreditiert. (Neues Deutschland, 27.8.)
 
Außenminister Laurent Fabius zeigte sich weiter als potentieller Aggressor, als er darauf bestand, mit seinem törichten Aktionismus mit Kriegsandrohung den Friedensplan für Syrien zu sabotieren. Im Gespräch mit seinem Kollegen Sergej Lawrow in Moskau am 17. September musste der Franzose zur Vernunft gebracht werden, damit er auf seine drohende Resolution im UN-Sicherheitsrat verzichtete. Sollte endlich Frieden in Syrien eine ernsthafte Chance haben, müssen sich potentielle Aggressoren heraushalten. Eine angestrebte UN-Resolution mit Drohkulisse scheiterte am 26./27.9. im Sicherheitsrat und kam nicht zustande.
 
Unter diesen bekannten Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit Frankreichs und Deutschlands als Alliierte der USA belegen, ist es nicht verwunderlich, dass die USA die deutsche Regierung, vor allem die Bundeskanzlerin und ihre Entourage, überwachen, denn bisher hat sich das Bundeskanzleramt mit einer verheerenden Außenpolitik an die Seite von Extremisten und Terroristen in Syrien gestellt und sich von ihnen weder distanziert noch irgendeine Maßnahme gegen sie ergriffen. Nicht aus Berlin, sondern aus London hört man die Aufforderung, "die oppositionelle Allianz" (gegen Syrien) müsse "sich voll und ganz dem Genf-II-Prozess verpflichten". So der britische Außenminister William Hague am 22.10. Zutreffend fragt sich der syrische Präsident im Interview mit einem libanesischen Sender am 21.10. "was für Beziehungen diese Kräfte (der Opposition) zum syrischen Volk haben. Vertreten sie das syrische Volk oder vertreten sie die Staaten, die sie erfunden haben?" Saudi-Arabien warf er vor, "Erfüllungsgehilfe der Amerikaner in Syrien" zu sein. ... Die Regierung Syriens habe ihre Teilnahme (an der 2.Genfer Konferenz) "ohne Vorbedingungen" zugesagt. (Aus dem Artikel "Bedingungen für Genf II" von Karin Leukefeld, junge Welt vom 24.10.)
 
Extremistische Banden, die von Washington als Terroristen gestempelt wurden, sind die neuen Verbündeten der Bundeskanzlerin, die sogar in Berlin hofiert worden sind. Auf diese unerträgliche Situation hat Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen öffentlich am 7.8. reagiert: "Syrien ist weiterhin das zentrale Ausreiseziel für Dschihadisten aus Deutschland." (SZ-Meldung vom 8.8.) Jede Regierung, nicht nur die Obama-Regierung, die sich auf diese radikale Weise von einer angeblich befreundeten Kanzlerin überfahren sieht, würde eine solche suspekte Regierung so weit ausspionieren lassen, wie es nur möglich ist. Im Grunde genommen stellt eine derartige Regierung eine Gefahr dar, einen Stolperstein für die zu erzielende Entspannung und Stabilisierung im Nahen Osten.
 
Anti-russische Ressentiments gibt es nicht in den USA, sondern allein sachlichen Pragmatismus. Schon in der Zeit der Sowjetunion haben sich beide Supermächte gut verstanden und respektiert. Aus Bonn dagegen gab es keine Initiative, um den Kalten Krieg zu beenden, nicht einmal die Chance einer Wiedervereinigung wurde genutzt, um die volle Souveränität zu erlangen.
 
John Kerry, als neuer US-Außenminister in der zweiten Amtszeit von Obama, markiert den wünschenswerten notwendigen Umbruch gegenüber Syrien. Er verfällt in keine unzulässige Forderung, sondern betont lediglich den Weg zum Frieden durch Verhandlungen. Umso beschämender und inkompetenter erscheint eine deutsche Bundeskanzlerin, deren Außenpolitik weiter mit extremistischen Banden in Verbindung bleibt. Umsonst und völlig unnötig, ohne jeden Sinn für Menschlichkeit und Respekt vor dem Leben unserer syrischen Mitmenschen. Mehr als 100.000 Tote und eine katastrophale Flüchtlingswelle von über zwei Millionen Menschen sind jetzt die Folge dieser mörderischen Außenpolitik Deutschlands und beteiligter anderer Staaten.
 
SZ-Journalist Hubert Wetzel sollte sich an die Unvernunft des Bundeskanzleramts erinnern, als Angela Merkel sich selbst blamierte und sich von diplomatischen Gesprächen mit den USA isolierte. Ohne Scham verhielt sie sich wie ein trotziges dummes Kind. Als Gastgeber schloss sich Berlin von dem erfolgreichen amerikanisch-russischen Berliner Gespräch aus und blieb so an der russisch-amerikanischen Vereinbarung vom 26.Februar im Hotel Adlon in Berlin unbeteiligt. Warum tat Merkel diesen unentschuldbaren Faux-Pas, wohl wissend, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow auch in Berlin eintreffen würde, gerade um den politischen Ausweg aus der Syrien-Krise mit John Kerry zu vereinbaren? Wollte Merkel diese politische Vereinbarung torpedieren? Wem sollte die Sabotage der Bundeskanzlerin nutzen? Glaubte sie, Washington würde ihre undiplomatische Haltung nicht registrieren?
 
Schon am Vorabend (7.5.) des Gedenktages der Befreiung Deutschlands von der Nazi-Herrschaft traf US-Außenminister John Kerry bezeichnenderweise in Moskau ein. Zwischen John Kerry und seinem russischen Kollegen, Sergei Lawrow und mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin kursierten konkrete Gespräche für einen Ausweg aus der Syrien-Krise. Die drei Staatsmänner waren sich in ihren Gesprächen im Kreml darin einig, Terroristen und bewaffnete Extremisten in Syrien zu isolieren, sie keineswegs weiter für Ansprechpartner zu halten. Dort wurde auch eine Zweite Genfer Syrien-Konferenz besprochen und selbstverständlich vereinbart. Berlin und Paris wurden völlig überflüssig und ausgeschlossen nach der militanten Haltung des Franzosen und nach der Scharade der Bundeskanzlerin in Berlin. Diplomatie als "Trickserei" zu verstehen, wie Hubert Wetzel sie schamlos begreift und wie sie zuletzt Hitler und seine Leute praktizierten (z.B. Hitlers Friedensrede vom 17.5.1933), hat die Außenpolitik Deutschlands zu seiner Schande als Markenzeichen gebrandmarkt, und das schon seit der wilhelminischen Epoche. Das ist es, was Vertrauen zerstört und Schaden irreparabel macht.
 
Die SZ-Redaktion reproduziert fortwährend die Sicht von radikalen Republikanern, die auf Europa keine Rücksicht nahmen, als sie entgegen der Ansicht des damaligen SPD-Außenministers Walter Steinmeier und gegen den Willen Russlands ein Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien anstrebten. Das war ein Projekt des ehemaligen Präsidenten George W. Bush, dem sich zu Recht US-Präsident Obama widersetzte. Sollte er es storniert haben, wie im SZ-Leitartikel "Fragwürdiger Freund" von Hubert Wetzel (25.10.) angenommen, wäre das ein Verdienst für Obama und ein Gewinn für Europa. Das Lamento von Hubert Wetzel darüber zeigt, wie prekär und unverantwortlich das mediale Urteil für ein stabiles Europa und eine friedliche Welt ist. Amerika wird sich nicht gegen China stellen. Auch diese Konfrontation zu erwägen, ist eine Wahnsinnsidee der Republikaner und Bellizisten.
 
Mit einem solchen Deutschland oder Europa haben die USA natürlich nichts gemeinsam. Es sind nicht nur zwei verschiedene Welten, sondern zwei verschiedene Haltungen zum Leben. "Wir arbeiten daran, wechselseitiges Vertrauen und Zuversicht wieder aufzubauen..." Diese Aussage des US-Vizepräsidenten Joe Biden im SZ-Interview vom 1.2.13, als er damals Berlin besuchte, impliziert klipp und klar, dass es kein Vertrauen, keine Zuversicht hinsichtlich Deutschland oder Europa gibt. Die SZ-Redaktion ist aufgefordert, die Lage realistisch und sachlich zu betrachten, die undiplomatischen Untaten der Bundeskanzlerin vor Augen zu haben, ohne theatralisches Pathos, das zur internationalen Realität überhaupt passt.
 
Wie könnte es eigentlich Vertrauen gegenüber einem zweideutigen Deutschland geben, gegenüber einem Europa, das von Sabotage, Drohung, Erpressung und Überfall mehr versteht als von einer zivilisierten Politik mit Respekt und den Instrumenten des Dialogs? Welche Werte der Zivilisation erkennen deutsche Redaktionen an? Sie beziehen sich auf keinen Grundsatz der UN-Charta, auf keinen Grundsatz des Grundgesetzes.
 
Welche Leistung hat Deutschland beigesteuert, um Konflikte zu lösen? Was soll die ganze geheuchelte Aufregung über die USA? Meint man etwa so einen Deal hinzubekommen, um am Ende doch noch als Neokolonialist mit am Tisch zu sitzen, weil man denkt, dort werde die Beute Syrien verteilt werden? (PK)
 
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und Diplomatin a.D. und lebt seit dem Putsch gegen den Präsidenten Chiles, Salvador Allende, im deutschen Exil. 


Online-Flyer Nr. 430  vom 30.10.2013

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