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Lokales
Berliner Wasserbetriebe wieder in öffentlicher Hand
Nach Rekommunalisierung: Demokratisierung
Von Ulrike von Wiesenau

Die Berliner Wasserversorgung kommt wieder komplett in Landeshand. Das
Abgeordnetenhaus votierte am 7. November 2013 mit der Mehrheit der
Regierungsfraktionen von SPD und CDU in namentlicher Abstimmung für den
endgültigen Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe (82 Ja- und 58
Nein-Stimmen). Damit gehen auch die 24,9 Prozent des französischen
Infrastrukturkonzerns Veolia für 590 Millionen Euro an das Land zurück.


Abstimmungs-Debatte am Abend: Nach Rekommunalisierung: Demokratisierung!
Fotos: Michal Eliasson

Bereits im Oktober 2012 hatte es den  24,95 Prozent-Anteil des Konzerns RWE für 658 Millionen Euro zurückgekauft. Finanziert werden soll der Rückkauf über von den Wasserbetrieben aufzunehmende Kredite die eine Laufzeit von 30 Jahren haben und mittels der Gewinne der  Wasserbetriebe getilgt werden sollen. Unterdessen kündigte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an, dass die Berliner schon im kommenden Jahr weniger für ihre Wasserversorgung zahlen müssten, da die Wasserbetriebe dafür auf Einnahmen in Höhe von 60 Millionen Euro verzichteten. Die Preissenkung werde sich an den
Vorgaben des Bundeskartellamts orientieren, das die Berliner Wasserpreise als missbräuchlich überhöht bezeichnet hatte. Die Oppositionsfraktionen von Grüne, Linke und Piraten stimmten gegen den Rückkauf des Veolia-Anteils, weil mit diesem Rückkaufmodell die Steuerzahler für den Rückkauf aufkommen müssten und mit der Rekommunalisierung keine Aussicht auf deutlich sinkende Wasserpreise oder eine andere Art der Gewinnverwendung abzusehen sei.

Von Strom bis Wasser - Die Zeichen in Berlin stehen auf Rekommunalisierung, anders als vor 20 Jahren, als der Ausverkauf von Betrieben der öffentlichen Versorgung begann: Die Bewag, die Wasserbetriebe, die Gasag und auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften wurden vom Berliner Senat an private Eigentümer verkauft. Das Konzept der Privatisierung als Allheilmittel im Bereich der Daseinsvorsorge hat sich unterdessen weitgehend diskreditiert, ist einer den Realitäten geschuldeten umfassenden Ernüchterung gewichen.

Die Berliner Wasserbetriebe waren im Jahr 1999 zum Zweck der öffentlichen Schuldentilgung und einer angeblich besseren Bewirtschaftung von einer Großen Koalition  aus CDU und SPD zu 49,9 Prozent für 1,68 Milliarden Euro an die Konzerne RWE und Veolia veräußert worden. Es war die größte Teilprivatisierung eines kommunalen Wasserbetriebes innerhalb der Europäischen Union. Die Verträge dieser "Öffentlich-Privaten Partnerschaft" (PPP) waren geheim und wurden erst unter dem Eindruck des vom Berliner Wassertisch initiierten, erfolgreichen Volksbegehrens im November 2010 vom Senat veröffentlicht.

Der ehemals geheime Konsortialvertrag, auf dessen Grundlage die Wasserbetriebe juristisch "wasserdicht" als undurchsichtiges Unternehmensgeflecht strukturiert wurden, enthielt eine Gewinngarantie für die privaten Anteilseigner und sicherte faktisch die Geschäftsführung der Minderheitseigner, die damit über eine öffentliche Dienstleistung entschieden und einen Kernbereich der Daseinsvorsorge der demokratischen Kontrolle entzogen.
Die Debatte zur Rekommunalisierung im Berliner Abgeordnetenhaus am 7. November 2013 geriet daher äusserst bewegt: Der Wirtschaftsexperte der SPD-Fraktion, Jörg Stroedter, bezeichnete die Rekommunalisierung als großen Erfolg für die Regierungs-Koalition. "Wir nehmen den Volksentscheid Wasser ernst und sorgen dafür, dass Wasser wieder zu 100 Prozent in staatlicher Hand ist", sagte Stroedter. Der Kaufpreis liege weit unter dem Preis, den Berlin 1999 beim Verkauf erzielt habe.

Der CDU-Abgeordnete Michael Garmer betonte,  dass der Rückkauf für die CDU nie Selbstzweck gewesen sei. "Er muss den Berlinern niedrigere Wasserpreise bringen und das wird er", versprach Garmer. Auch Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) hatte am Nachmittag geäußert, dass es trotz Berlins angespannter Haushaltslage Ziel des Senats sei, die Berliner bei den Wasserpreisen zu entlasten, blieb aber konkretere Angaben schuldig.

Opposition kritisierte Finanzierung des Rückkaufs

Die Opposition warf dem Senat in der Debatte des Abgeordnetenhauses vor, dass er nur weiter die Gewinne aus dem Wassergeschäft abschöpfen und die Steuerzahler über 30 Jahre den Kaufpreis zurückzahlen lassen wolle, statt einen guten Teil aus den Steuermehreinnahmen zu finanzieren. Ein entsprechender Antrag der Opposition wurde mit 58 Ja- und 82 Nein-Stimmen abgelehnt.



Berliner Wasseraktive am 7. November 2013 vor dem Abgeordnetenhaus

Die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche warf dem Senat vor, das er die Berliner ein zweites Mal für das schlechte Privatisierungsgeschäft von 1999 zahlen lasse. Denn sie hätten erst überhöhte Wasserpreise für die garantierten Gewinne an die privaten Anteilseigner zahlen müssen. "Jetzt müssen sie bis zum Jahr 2043 - also 30 Jahre lang – den Kaufpreis abzahlen, weil er nur kreditfinanziert ist." Dafür bekämen die Berliner Vertröstungen, dass der Tarif vielleicht einmal sinke.

Der Linken-Abgeordnete Klaus Lederer verurteilte die geplante Kreditfinanzierung als "beschissenen Deal" und "Abzocke der Bürger". Er kritisierte, dass der Senat ein Konzept zur versprochenen Senkung der Wasserpreise schuldig geblieben sei. "Eine Änderung der Tarifkalkulation ist nicht geplant", so Lederer. "Ihr Rückkauf soll den Haushalt nichts kosten, bezahlen sollen es wie 1999 die Steuerzahler."

Das Berliner Wasser gehört nun wieder komplett den Berlinerinnen und Berlinern. Das ist ein großer Erfolg des Berliner Wassertisches, der seit 2006 für eine Rekommunalisierung gekämpft und mit dem erfolgreichen Wasser-Volksentscheid die entscheidende Offenlegung der Geheimverträge bei den Berliner Wasserbetrieben durch ein Gesetz gesichert hatte. Grundsätzlich begrüsst die Bürgerinitiative die vollständige Rekommunalisierung der Wasserbetriebe, äussert jedoch scharfe Kritik an den Modalitäten der Transaktion: "666.000 Berlinerinnen und Berliner haben mit dem Wasser-Volksentscheid den Rückzug der Konzerne RWE und Veolia erzwungen und das Wasser wieder in die öffentliche Hand gebracht - durch die Offenlegung der Geheimverträge konnten immer weitere skandalöse Konditionen der Berliner Teilprivatisierung ans Licht und vor die Gerichte gebracht werden."

Allerdings hält sie den Preis, den das Land für den Rückkauf gezahlt hat, für weit überhöht. Laut Berechnungen der Initiative hat allein Veolia zwischen 1999 und  2012 insgesamt 930 Millionen Euro an Gewinnen kassiert. "Die ganze Privatisierung war ein Irrweg, den alle Berliner mit überhöhten Wasserpreisen und unterlassenen Investitionen bezahlt haben, mit den ebenfalls nachweisbar überhöhten Rückkaufpreisen für RWE und Veolia handelt auch die jetzige Regierung noch einmal im Interesse der Konzerne. Nach dem Plan von Finanzsenator Nußbaum, dem die Regierungsparteien zugestimmt haben, sollen die Wasserkunden für den Rückkaufpreis aufkommen. Angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen des Landes gibt es keinen Grund, den Wasserbetrieben die gesamten Kosten aufzubürden, der Rückkauf muss vielmehr, wie damals der Verkauf, über den Haushalt realisiert werden."

Ob mit der Rekommunalisierung tatsächlich eine Veränderung in der Geschäftspolitik einhergeht, ob der weiter geheime Rückkaufvertrag Vorkehrungen für einen Rücktritt vom Vertrag enthält, ob das undurchsichtige Unternehmensgeflecht der BWB aufgelöst werden wird bleibe abzuwarten. Der noch von Veolia eingesetzte Vorstandsvorsitzende Jörg Simon soll jedenfalls im Amt bleiben. Den Vorsitz des Aufsichtsrats soll Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) von Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) übernehmen.

Berliner Wasserbetriebe - Nach Rekommunalisierung: Demokratisierung

Nach den Erfahrungen mit der Teilprivatisierung stehe mit der Rekommunalisierung auch die Demokratisierung der Berliner Wasserbetriebe an: Da die Berliner Wasserbetriebe das erste Unternehmen der Daseinsvorsorge sein wird, das nach der Privatisierung der 90er Jahre wieder vollständig in öffentliches Eigentum zurückgeführt wird, müßten diese künftig demokratisch und transparent geleitet werden. Zudem dürfe der Rückkauf kein Vorwand für Lohnsenkungen oder Arbeitsplatzabbau sein. "Senat und Parlament haben zum Schaden der Berliner versagt. Daher ist es an der Zeit, dass die Berliner durch eine Bürgerbeteiligung mit weitgehenden Entscheidungsbefugnissen bestimmen können, wie das Berliner Wasser bewirtschaftet wird. Die vom Berliner Wassertisch vorgestellte Berliner Wassercharta enthält die Grundsätze für die Arbeit demokratischer, sozialer und ökologisch nachhaltiger Berliner Wasserbetriebe."

Nach der eindrucksvollen Aufklärungsleistung des Wassertisch-Untersuchungsausschusses "Klaerwerk", der massgebliche Beiträge zur Analyse der skandalösen Geheimverträge lieferte, wird mit dem Berliner Wasserrat nun ein zweites Instrument der direkten Demokratie begründet werden. Die Rekommunalisierung und Demokratisierung der Berliner Wasserbetriebe wird nicht ohne Folgen für die Zukunft von Betrieben der öffentlichen Versorgung bleiben, sie wird Signalwirkung weit über die Grenzen der Hauptstadt hinaus entfalten.  (PK)

Weitere Informationen unter: www.berliner-wassertisch.net
Die Berliner Wassercharta ist einzusehen unter:
http://berliner-wassertisch.net/assets/pdf/Presse/Berliner%20Wassercharta%20-%202013-09-05.pdf




Online-Flyer Nr. 432  vom 13.11.2013

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