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Lokales
Von Demokratie keine Spur, wenn es um Ruhrbania geht?
Mülheimer Verhältnisse
Von Lothar Reinhard

Die unübersichtliche Mülheimer Verkehrsführung war bereits in den 80er Jahren als Problem weit über Mülheims Grenzen hinaus bekannt und berüchtigt. SPD und ihre Verwaltung blockierten die gesamten 90er Jahre jede Korrektur, insbesondere in der schwarz-grünen Episode. Erst mit Dagmar Mühlenfeld als SPD-OB wurden dann ab 2003 Änderungen zugelassen. Der Umbau des Verkehrsnetzes diente allerdings hauptsächlich der Ermöglichung von Frau Mühlenfelds Prestigeprojekt Ruhrbania.
 

SPD-Fraktionsvorsitzender Dieter Wiechering
Das zugehörige Verkehrs-konzept war von Anbeginn an völlig unausgegoren, kontraproduktiv und sündhaft teuer. Dennoch stimmten neben der SPD auch CDU, FDP und Grüne dem immer wieder aufs Neue zu. Das bisherige Ergebnis ist noch schlechter als die vorherige Verkehrsführung. Mit „Ruhrbania Baulos 3“ soll nun auch noch die Hochstraße Tourainer Ring abgerissen werden. Auch das wird erkennbar die missratene Mölmsche Verkehrsführung eher noch einmal weiter verschlechtern. Doch darüber lässt die Ruhrbania-Mehrheit im Rat nicht mit sich reden. Damit auch die Wahlen im Mai daran nichts ändern können, soll der Brückenabriss im Frühjahr beginnen, obwohl wegen des ÖPNV-Chaos die Finanzierung über Zuschüsse vollkommen in der Luft hängt. Was also sollen die Wahlen in Mülheim bedeuten? Jedenfalls nicht den Ausdruck eines Wählerwillens, den dann der gewählte Rat danach umsetzt.
 
Vor Wahlen Fakten schaffen
 
Wer derart blindwütig vor Wahlen Fakten schafft, entmündigt das Wahlvolk und macht Demokratie zur Farce. Doch nicht genug damit. Auch über mögliche Korrekturen der Verkehrsführung - unabhängig von dem unseligen „Ruhrbania Baulos 3“ - anhand der Ausarbeitungen der Verwaltung vor einem halben Jahr wollen Verwaltung und die Ruhrbania-Mehrheit nicht einmal reden, wie die NRZ am 23.11. berichtete. Da heißt es u.a.:
 
"Tags zuvor hatte die Politik mehrheitlich einen Antrag der MBI abgelehnt, der darauf drang, die Varianten vorzustellen und eine erste, grobe Richtungsentscheidung vorzunehmen. Inzwischen ist es fünf Monate her, dass die Verwaltung den Fraktionen zehn Varianten zur Zukunft der Leineweberstraße zukommen ließ. Die Varianten, die mehr oder weniger schlecht funktionierten und Nachteile in anderen Bereichen brachten, wurden inzwischen in der NRZ ausführlich dargestellt. Eher als langfristige Lösung schlug die Verwaltung als zusätzliche Ost-West-Achse die Öffnung des Bus-Tunnels am Bahnhof für den Fahrzeugverkehr vor, was allerdings nur mit einer Verlagerung des Busbahnhofs möglich sei. Seitdem war Stille. Die Verwaltung legte noch einen weiteren Grund für die Denkpause ein: im kommenden Frühling werden zwei Großbaustellen den Verkehrsfluss zusätzlich hemmen: der Abriss der Hochbrücken am Tourainer Ring und ein großes Kanalbauprojekt am Dickswall. „Dann haben wir die Möglichkeit, um etwas auszuprobieren, was wir dann künftig dauerhaft umsetzen können“, kündigte Planungsdezernent Peter Vermeulen an. Mit der Verzögerung erklärten sich auch CDU und FDP einverstanden."
 
„Der Wahlkampf macht alle nur strubbelig“
 
Man muss sich auch dieses Zitat des SPD-Fraktionssprechers Dieter Wiechering in der NRZ zur Begründung dieses Vorgangs auf der Zunge zergehen lassen: „Es ist auch klug dieses Thema aus dem Wahlkampf rauszuhalten.“ Denn das Thema sei viel zu wichtig. Aha: Wichtige Themen sind also nichts für die Wähler und noch weniger für den Wahlkampf, denn so D.W.: „Der Wahlkampf macht alle nur strubbelig.“ - Da offenbart der SPD-Frontmann, der bekanntlich trotz seines hohen Alters noch einmal antreten will, aber ein zu unserer Verfassung deutlich konträres Demokratieverständnis. Der Souverän ist laut Grundgesetz der Wähler, und wenn dem wichtige Themen und Entscheidungen vorenthalten werden, weil die gewählten Volksvertreter wie D.W. diese für „zu wichtig“ halten, um vor Wahlen darüber zu reden oder zu streiten, dann bedeutet diese Bevormundung des Souveräns alles Mögliche, nur keine Demokratie.
 
D.W., der immer wieder betont, dass er bereits seit 1979 im Rat säße, ist aber mitverantwortlich für die missratene Mülheimer Verkehrsführung seit den 80er Jahren. Als jahrzehntelanger Planungs“experte“ der stets größten Mülheimer Ratsfraktion und Vorsitzender des zuständigen Planungsausschusses seit bald 15 Jahren ist D.W. sogar einer der Hauptverantwortlichen bzw. sogar der Hauptverantwortliche. Wenn er also verhindert, dass im Ausschuss über Verkehrsplanung beraten wird, und sogar verhindern will, dass im Wahlkampf Probleme und Lösungen zur Sprache kommen, so will er in Wirklichkeit verhindern, dass er für das, was er angerichtet hat, zur Rechenschaft gezogen wird. Das meint er wahrscheinlich mit „strubbelig“. Mit Demokratie hat diese Einstellung rein gar nichts zu tun.
 
Ruhrbanium lässt grüßen
 
Das gleiche „Spiel“ läuft seit Jahren auch um Ruhrbania, wo trotz der vielen Fehlplanungen, Pannen und Rückschläge keine Diskussion über überfällige Korrekturen zugelassen wurde. (1) Regelmäßig wurden MBI-Anträge einfach von der Tagesordnung gestimmt! Da will die Mülheimer Wohnungsbau eG (MWB) im April dann doch die Bagger im Loch der ehemaligen Bücherei auffahren lassen (nach zuerst Sept. 12, dann Mai 13, dann Aug. 13, was ursprünglich sogar 2010 schon fertig gebaut sein sollte), und Anfang Mai soll ein großes Fest am Hafenbecken stattfinden. Das gesamte Ruhrbania hat gigantische städtische Vorleistungen bereits verschlungen, verzögerte sich aber immer aufs Neue und bereits um viele Jahre und nix besonders Tolles ist bisher daraus geworden. Doch kurz vor den Wahlen Ende Mai 2014 wird man verkünden, wie super alles voran geht. Ruhrbanium, die Wahlkampfluftnummer der Oberbürgermeisterin zur Wahl 2009, lässt grüßen und die Kaufhofruine gleich mit. Für wie dumm werden die Wähler/innen in Mülheim eigentlich gehalten?
 
Beim noch wichtigeren Thema Haushaltskatastrophe sieht das ähnlich aus. Vor der letzten Wahl haben die OB und ihre SPD den Wählern auch dazu keinen reinen Wein eingeschenkt, um sie wohl nicht „strubbelig“ zu machen. Die Folge: Heute ist das finanzielle Desaster in der eigentlich reichen Stadt Mülheim derart groß, dass die Lage fast hoffnungslos ist. Bei der Haushalts“beratung“ in den Gremien wird dieses Jahr auch nur noch abgestimmt, ohne jede Diskussion: SPD+CDU dafür, und so wird dann auch im Rat am 19. Dez. ein Etat beschlossen, der selbst ohne das Riesenproblem der RWE-Aktien das Papier nicht wert ist, auf dem er gedruckt wurde. Doch wen juckt es, Hauptsache weitermachen wie gehabt, und ja keinen Fehler zugeben oder gar Sanierungsvorschläge zu beraten.
 
Da die OB sich zu allem Überfluss auch noch weigert, die gleichzeitige Kommunal- und OB-Wahl in 2014 zu ermöglichen, ist zu befürchten, dass die gleiche unselige Inszenierung sich noch einmal um die Frage, wie den Wählern zur Machterhaltung etwas vorgegaukelt wird, um ja nicht über die wiederholt aufgetürmten Problemberge und mögliche andere Lösungen reden zu müssen.. Das wird unserer ohnehin schlecht regierten Stadt weiteren Schaden zufügen. (PK)
 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19068
 
Lothar Reinhard ist Fraktionssprecher der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI)


Online-Flyer Nr. 434  vom 27.11.2013

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