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Inland
Deutschland, der weltweit wichtigste Direkt-Finanzier des Apartheid-Staates
Belastende Dokumente
Von Hans Georg

Bundesdeutsche Behörden haben dem Apartheid-Regime einst Belastungsunterlagen für einen politischen Prozess unter anderem gegen Nelson Mandela geliefert. Das geht aus einer Untersuchung zur Bonner Südafrika-Politik hervor. Demnach übergaben bundesdeutsche Stellen einem südafrikanischen Diplomaten Dokumente aus dem Verbotsverfahren gegen die KPD und stellten Unterstützung durch den Inlandsgeheimdienst in Aussicht. Damit sollte ein Gerichtsverfahren munitioniert werden, das auf die Ausschaltung politischen Widerstands gegen das rassistische Regime in Pretoria zielte. Auch der letzte Woche verstorbene und jetzt von Berlin gepriesene Mandela war betroffen.
 
Bonns Ziel war es, einerseits die Apartheid an der Macht zu halten, da sie als zuverlässig prowestlich galt, andererseits aber auch bundesdeutsche Sondereinflüsse zu behaupten, die nicht zuletzt deutschen Unternehmen lukrative Geschäfte bescherten. Tatsächlich zählten deutsche Konzerne bis zuletzt zu den loyalsten Unterstützern des Apartheid-Regimes. Während Mandela inhaftiert war, belieferten Firmen aus der Bundesrepublik Südafrikas Militär und Polizei - etwa mit Hubschraubern zur Überwachung von Protesten, die über Geräte zur Identifizierung von Aktivisten verfügten. Zu diesen zählten viele aus Mandelas politischem Umfeld.
 
Ein Bewunderer Hitlers
 
Die deutsche Unterstützung für südafrikanische Rassisten reicht weit in die Zeit vor dem Beginn des Apartheid-Regimes zurück. Sie wurde insbesondere ab 1933 wirksam. "Die deutsch-südafrikanischen Beziehungen" hätten sich "während des 'Dritten Reiches' günstig entwickel(t)", heißt es in einer Untersuchung zur deutschen Südafrika-Politik. Damals habe "unter der Protektion des südafrikanischen Justiz- und Verteidigungsministers Oswald Pirow, dessen Vorfahren aus Deutschland stammten und der ein Bewunderer Hitlers war", nicht nur "der bilaterale Handel" floriert; es habe sich auch "ein reger Austausch" mit "afrikaansen Studenten und Professoren" entsponnen. "Afrikaanse Antisemiten" hätten sich dabei bemüht, die antisemitischen NS-Gesetze "auf ihre Anwendbarkeit auf die jüdische Bevölkerung Südafrikas hin zu prüfen". Deutsche Südafrika-"Experten" hätten ihrerseits die "strenge Rassentrennungspolitik von Premierminister Hertzog als genuin südafrikanischen Versuch" betrachtet, "das Rassenproblem des Landes zu lösen".[1] Im deutschen Afrika-Handel schlossen viele sich dieser Auffassung an. Sie sahen "eine farbige Flutwelle" in Südafrika "immer höher branden"; um "die abendländische Kultur zu schützen", sei das "geschlossene Zusammenarbeiten der weißen Völker" unumgänglich, hieß es zum Beispiel in der Zeitschrift des Afrika-Vereins.[2]
 
Deutsch-afrikaanses Sonderverhältnis
 
Das "deutsch-afrikaanse Sonderverhältnis", das sich seit den 1930er Jahren entwickelt habe, habe sich seit der Neubelebung der bundesdeutsch-südafrikanischen Beziehungen mit der Eröffnung des bundesdeutschen Generalkonsulats in Kapstadt im Januar 1951 wieder "bemerkbar" gemacht, heißt es in der erwähnten Untersuchung weiter. Dafür habe 1948 in Südafrika der Wahlsieg des Regimes, das dann die Apartheid zementiert habe, "die besten Voraussetzungen geschaffen". Dies lag nicht zuletzt daran, dass in der ersten Phase des Apartheid-Regimes führende südafrikanische Politiker entweder "einen Teil ihrer akademischen Ausbildung in Deutschland erhalten hatten oder von deutschen Missionaren abstammten". Entsprechend verhandelten Bonn und Pretoria bereits im Jahr 1955 über ein Kulturabkommen, "das aus deutscher Sicht vor allem der starken deutschen Minderheit in Südafrika zugute kommen sollte". Allerdings sah sich Bonn letztlich dazu gezwungen, "wegen der internationalen Isolation Südafrikas aufgrund der Apartheidpolitik" den Abschluss des Vertrags ein paar Jahre hinauszuzögern - bis Ende 1962.[3]
 
Keine Kritik
 
Gewisse taktische Zugeständnisse wegen des wachsenden politisch-moralischen Drucks schränkten den prinzipiellen Bonner Willen zur Kooperation mit dem Apartheid-Regime gelegentlich etwas ein. So verweigerte die Bundesregierung dem südafrikanischen Außenminister einen Besuchstermin, als er unmittelbar nach dem Massaker von Sharpeville im März 1960 eine Europareise plante. Gleichzeitig boomte der Handel; schon 1957 war die Bundesrepublik zum drittgrößten Lieferanten Südafrikas aufgestiegen und damit zur wichtigen ökonomischen Stütze des Regimes geworden. Mit Blick auf Maßnahmen wie die faktische Ausladung des südafrikanischen Außenministers im Frühjahr 1960 hieß es in einer Aufzeichnung des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 1961, jede Erklärung aus Bonn, die Verständnis für den "südafrikanischen Rassenstandpunkt erkennen lassen würde, könnte unserem Ansehen in der farbigen Welt erheblichen Abbruch tun und würde vor allem von Pankow und den Sowjets gegen uns ausgeschlachtet werden". Dennoch stehe eines fest: "Wir beabsichtigen, auch in Zukunft mit Rücksicht auf die guten Beziehungen und das starke deutsche Element in Südafrika eine öffentliche Kritik an den inneren Verhältnissen Südafrikas zu vermeiden."[4]
 
Schützenhilfe aus Bonn
 
Auf der Arbeitsebene setzte Bonn seine Unterstützung für Pretoria ohnehin fort. Ein Beispiel dafür bietet der Hochverratsprozess, den die Apartheid-Behörden Ende 1956 gegen insgesamt 156 Oppositionelle anstrengten - um den spürbar erstarkenden Widerstand gegen das Regime zu schwächen. Einer den Angeklagten war Nelson Mandela. "Die Vertreter der Anklage suchten in diesem Großprozeß Schützenhilfe in Bonn", heißt es in der erwähnten Untersuchung; sie erhielten sie umstandslos. So übermittelten bundesdeutsche Stellen ohne jede angemessene Prüfung "mehrere Antrags-, Anklage- und Urteilsschriften aus dem KPD-Verfahren in die Hände des südafrikanischen Geschäftsträgers in der Bundesrepublik". Darüber hinaus signalisierte die Generalbundesanwaltschaft "ihre Bereitschaft, das südafrikanische Ersuchen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zu unterstützen, so weit es um Unterlagen über 'Tarnorganisationen' der KPD ging". Der Verfasser der Analyse vermutet, die Unterlagen seien "in einer Phase des Prozesses angefordert worden, als der Anklagevertretung die Argumente gegen die Beschuldigten auszugehen drohten". Jedenfalls sei die Anklage offenkundig der Auffassung gewesen, "auch aus dem Studium des KPD-Prozesses (...) wertvolle Erkenntnisse gewonnen zu haben", berichtete der Bonner Prozessbeobachter in Pretoria, Harald Bielfeld, im Oktober 1958 in die Bundeshauptstadt. Bielfeld hatte bereits zur NS-Zeit in Südafrika gewirkt - als Diplomat des Deutschen Reichs.[5]
 
Der wichtigste Direkt-Finanzier
 
Die Beziehungen der Bundesrepublik zu Südafrika blieben dauerhaft eng - auch, als andere Staaten sich zunehmend vom Apartheid-Regime zu distanzieren begannen. Als zum Beispiel Mitte 1987 mehr als 100 US-Unternehmen sich aus Südafrika zurückzogen, weiteten deutsche Firmen Handel und Investitionen aus. Zudem sicherte die Bundesrepublik bundesdeutsche Lieferungen mit Hermes-Bürgschaften ab, wie die Publizistin Birgit Morgenrath, Co-Autorin eines Buches über die deutschen Wirtschaftsbeziehungen zu Südafrika [6], bereits vor Jahren in Erinnerung rief. Auch trugen deutsche Firmen dazu bei, "dass Südafrika zur Atommacht heranwuchs", berichtet Morgenrath: Sie sollen "das in Deutschland entwickelte Trenndüsenverfahren zur Gewinnung hochangereicherten Urans für die Verwendung in Atombomben geliefert haben". Bezichtigt wird nicht zuletzt Siemens. Schließlich gewährten deutsche Banken dem Apartheid-Regime bereitwillig umfangreiche Kredite. Die Bundesrepublik sei, schreibt Morgenrath, zuletzt "der weltweit wichtigste Direkt-Finanzier der Apartheid gewesen".[7]
 
Unimogs mit Raketenwerfern
 
Die bundesdeutschen Geschäfte mit Südafrika schlossen Rüstungslieferungen mit ein - auch noch nach der offiziellen Verhängung des UN-Waffenembargos im Jahr 1977. So verkaufte der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern, während das Regime Nelson Mandela und zahllose weitere Widerständler in Haft hielt, eine komplette Munitionsfüllanlage nach Südafrika. Das Unternehmen täuschte vor, eine - nicht existierende - Firma in Paraguay beliefern zu wollen; in Südamerika angekommen, wurden die Bauteile "unter Aufsicht eines Rheinmetall-Managers umgeladen auf ein Schiff nach Durban", heißt es in einer Recherche des Journalisten Gottfried Wellmer.[8] Wellmer hat zahlreiche weitere Rüstungsgeschäfte dokumentiert, darunter die Lieferung von mindestens 2.500 Daimler-Unimogs an die südafrikanische Armee (ab 1978, also nach Verhängung des UN-Embargos), Modelle, die unter anderem "mit vielfachen Raketenwerfern bestückt" worden seien. Messerschmidt-Bölkow-Blohm wiederum habe, erklärt Wellmer, "fünf Hubschrauber illegal an die südafrikanische Polizei" geliefert, "die damit Massen-Demonstrationen (von Apartheid-Gegnern, d. Red.) überwachte und führende Aktivisten identifizieren wollte".
 
Mut und Kraft
 
Trotz seiner jahrzehntelangen Inhaftierung durch das Apartheid-Regime habe Nelson Mandela "den Mut und die Kraft" gefunden, "sein Land gewaltlos in die Demokratie zu führen", wird Bundespräsident Joachim Gauck zitiert.[9] Die bundesdeutschen Beihilfen für die Apartheid, denen Mandela es zu verdanken hatte, dass er insgesamt 27 Jahre auf seine Befreiung aus der Haft warten musste und die ihm "den Mut und die Kraft" abnötigten, ließ Gauck selbstverständlich unerwähnt. (PK)
 
[1] Albrecht Hagemann: Bonn und die Apartheid in Südafrika, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 43 (1995), 679-706
[2] zitiert nach: Heiko Möhle (Hg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika - eine Spurensuche, 4. Auflage, Hamburg 2011
[3], [4], [5] Albrecht Hagemann: Bonn und die Apartheid in Südafrika, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 43 (1995), 679-706
[6] Birgit Morgenrath, Gottfried Wellmer: Deutsches Kapital am Kap. Kollaboration mit dem Apartheidregime, Hamburg 2003. S. dazu unsere Rezension
[7] Birgit Morgenrath: Apartheid unter gutem Stern - Deutsche Konzerne wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt; labournet.de
[8] Gottfried Wellmer: Anmerkungen zur Sammelklage von Apartheidsopfern in den USA, o.O., o.J.
[9] Merkel: "Mandelas Erbe bleibt eine Inspiration"; www.dw.de 6.12.2013
 
 
Diesen Beitrag haben wir mit Dank von German Foreign Policy übernommen.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58753


Online-Flyer Nr. 436  vom 11.12.2013

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