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Arbeit und Soziales
Studie über den Abriss von Duisburg im Parteien-Absolutismus
Stadtmassaker und Sozialverbrechen
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Der Kulturhistoriker und Werkbundvorsitzende Roland Günter ist Autor der Studie zur Kommunalpolitik „Stadtzerstörung und Stadtentwicklung in Duisburg“. Als praktizierender Arbeiterfotograf ist er kein untypischer Widerständischer, wenn es um Durchsetzung im Konflikt zwischen Macht und Menschen geht. Mit seiner in der Reihe „Einmischen und Mitgestalten“ erschienenen Studie – auch Fallbei(l)spiel genannt – beweist er den langen und notwendigen Atem im Kampf um die Errungenschaften der modernen Demokratie. Ganz nebenbei entblößt er die pervertierten Methoden von Parteien-Autorität: „Duisburg ist ein Lehrstück dafür, wie der absolutistische Fürstenstaat erneut in der Demokratie auftaucht.“
Fotos: Katrin Gems und Gerda Sökeland
„Hier ist die Linke“, heißt es vollmundig im Wahlkampf. Ja, wo ist sie denn? Wo ist die Linke, wenn es darum geht, diese Sozial-Verbrechen zu verhindern? In einer Querfront mit allen Ratsparteien ist auch die Linke auf der der Suche nach „Investoren“, ungeachtet der historischen Erfahrung, dass es privaten Kapitalinteressen deutliche Grenzen zu setzen gilt. Die Überführung von öffentlichem Eigentum, öffentlichem Interesse in „Privat“-Hand, kommt einer Bankrotterkärung der demokratischen Idee gleich, die sich mit zunehmender Privatisierung und der Folgeleistung von privaten Kapitalinteressen selbst vernichtet: die Demokratie.
Vom Abriss bedrohtes, als denkmalwert eingestuftes Gebäude am Heinrichplatz (Der Kronprinz, das Eckgebäude Bayreuther/ Heinrichstraße). Das Gebäude ist ein wichtiges Element des Ensembles Heinrichplatz und entscheidend für seine Wirkung.
Foto: Katrin Susanne Gems 8.08.2010. © Geschichtswerkstatt Du-Nord
Einst beherbegte das Gebäude das Restaurant "Zum Kronprinzen". Es strahlte trotz der Misshandlungen der letzten Jahre noch immer Vornehmheit aus. Seine Geschichte kann jetzt nur noch als Nachruf geschrieben werden.
Foto: Katrin Susanne Gems 31.08.2010. © Geschichtswerkstatt Du-Nord
Zerstörung der Stadt und der Demokratie
Die Beraubung der öffentlichen Güter (des Ager publicus) war in der Römischen Republik eine zentrale innenpolitische Frage, die in Lager spaltete: in diejenigen, die das öffentliche Gut nach ihren Gesetzen bewahren wollten und diejenigen, denen der Raub immer wieder gelang. Von Rom nach Duisburg: geplant sind fünf Flächen-Zerstörungen, die der Stadthaushalt finanzieren soll. Roland Günter: „In Bruckhausen wird ein Stadtteil abgerissen. Im Max-Taut-Viertel am Zinkhüttenplatz droht weiterer Abriss. Darüber hinaus drohten der Planungsdezernent Jürgen Dressler und das Rathaus: ‘Weil die Bevölkerung schrumpft, müssen wir in Duisburg drei Stadtteile abreißen.’ ... Weil jedes Haus gekauft werden muss, laufen die Kosten in Milliarden-Höhe. Dieses Geld gibt es überhaupt nicht. Grotesk: Stadtplanung als Illusion!“
hinterhältig, menschenfeindlich, zynisch
Sicher ist das keine einfache, dafür eine ehrliche Aufgabe, der Stadtzerstörung zu widerstehen, denn „in 20 neoliberalen Jahren wurde der Staat gezielt arm gemacht.“ Kommunen und Städte tragen die Bürde der Sozialkosten. Politisch stehen sie längst mit dem Rücken zur Wand. Aber was kann das bedeuten? Nur noch Wahlkampfversprechen der Volks-“vertreter“?
Roland Günter spricht die Dinge deutlich aus: „Leerstand ist ein Problem des einzelnen Eigentümers, aber kein Problem der Stadt und der Gesellschaft.“ Es gibt gute Gründe, an einer Kulissen-Demokratie zu verzweifeln: „Ich frage mich immer wieder, ob ich mir das antun soll, aufzustehen gegen das, was in Duisburg und anderswo geschieht“, schreibt er in seiner Studie zur Kommunalpolitik. „Aber wenn man ein wenig weiterdenkt, muß man auch begreifen, dass [Rückzug] die relativen Fortschritte, für die unsere Vorväter kämpften, in Gefahr bringt. Rückzug ist Zustimmung zur Perversion der Demokratie, dazu, dass sich darin ein weiterlaufender Absolutismus eingenistet hat...“ Sollten die angeblichen Volks-“Vertreter“ sich vielleicht Gedanken machen, warum – wie sie behaupten – die Stadt (was ist damit gemeint, die Bevölkerung?) „schrumpft“?
Roland Günter: „Ein gigantischer Missbrauch wird mit dem Stichwort „Schrumpfende Stadt“ getrieben. Am deutlichsten zeigt es das Rathaus in Duisburg. Hier treibt der Dilettantismus Blüten. Dieser Dilettantismus ist nicht naiv, sondern hinterhältig, menschenfeindlich, zynisch, nicht lernfähig – und führt zu den Folgen, die der frühere Minister für Stadtentwicklung Prof. Dr. Christoph Zöpel unlängst ‘Sozialverbrechen’ nannte.“
Gelungene Integration: deutsch-türkischer Martinszug in Duisburg-Bruckhausen
Wichtiger Bestandteil des uneingeschränkt empfehlenswerten, im Klartext-Verlag erschienen Buches sind die Fotos von Katrin Gems und Gerda Sökeland. In ständiger Präsenz vor Ort dokumentieren ihre Kameras die Abrisswut und die Vertreibung der Menschen aus ihrem angestammten Viertel gleichermaßen wie die Zerstörung der langsam gewachsenen Integration von zugewanderten Familien.
Liedermacher Frank Baier (links) und Roland Günter (mitte), siehe NRhZ-Fotogalerie "Sing mit: Glück auf!"
Mit Roland Günter haben sie einen prächtigen Ratgeber, denn von 1971 bis zu seiner Emeritierung 1999 besetzte er an der Fachhochschule Bielefeld eine Professur für Kunst- und Kulturtheorie, in deren Rahmen es ihm und seinen StudentInnen gelang, die älteste Siedlung im Ruhrgebiet, Oberhausen-Eisenheim, vor dem Abriss zu retten. Mit den dort lebenden Menschen bildeten sie „Arbeiterinitiativen“ (nach dem Vorbild von „Bürgerinitiativen“) und unterstützten sie durch ihre Erfahrungen in Pressearbeit, Politikerbefragung und juristischen Schritten. Seit 1974 lebt Roland Günter in der Siedlung Eisenheim, die heute zum Erbe der Industriekultur zählt . Dort ist auch das Werkbund-Haus des Sekretariats Ruhr untergebracht. (PK)
Stadtmassaker und Sozialverbrechen
Studie zur Kommunalpolitik am Fallbei(l)spiel
"Stadtzerstörung und Stadtentwicklung in Duisburg"
von Roland Günter, Dt. Werkbund
NW, Klartext, 2013, 432 Seiten, 23,95 EUR
Online-Flyer Nr. 439 vom 01.01.2014
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Arbeit und Soziales
Studie über den Abriss von Duisburg im Parteien-Absolutismus
Stadtmassaker und Sozialverbrechen
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Der Kulturhistoriker und Werkbundvorsitzende Roland Günter ist Autor der Studie zur Kommunalpolitik „Stadtzerstörung und Stadtentwicklung in Duisburg“. Als praktizierender Arbeiterfotograf ist er kein untypischer Widerständischer, wenn es um Durchsetzung im Konflikt zwischen Macht und Menschen geht. Mit seiner in der Reihe „Einmischen und Mitgestalten“ erschienenen Studie – auch Fallbei(l)spiel genannt – beweist er den langen und notwendigen Atem im Kampf um die Errungenschaften der modernen Demokratie. Ganz nebenbei entblößt er die pervertierten Methoden von Parteien-Autorität: „Duisburg ist ein Lehrstück dafür, wie der absolutistische Fürstenstaat erneut in der Demokratie auftaucht.“
Fotos: Katrin Gems und Gerda Sökeland
„Hier ist die Linke“, heißt es vollmundig im Wahlkampf. Ja, wo ist sie denn? Wo ist die Linke, wenn es darum geht, diese Sozial-Verbrechen zu verhindern? In einer Querfront mit allen Ratsparteien ist auch die Linke auf der der Suche nach „Investoren“, ungeachtet der historischen Erfahrung, dass es privaten Kapitalinteressen deutliche Grenzen zu setzen gilt. Die Überführung von öffentlichem Eigentum, öffentlichem Interesse in „Privat“-Hand, kommt einer Bankrotterkärung der demokratischen Idee gleich, die sich mit zunehmender Privatisierung und der Folgeleistung von privaten Kapitalinteressen selbst vernichtet: die Demokratie.
Vom Abriss bedrohtes, als denkmalwert eingestuftes Gebäude am Heinrichplatz (Der Kronprinz, das Eckgebäude Bayreuther/ Heinrichstraße). Das Gebäude ist ein wichtiges Element des Ensembles Heinrichplatz und entscheidend für seine Wirkung.
Foto: Katrin Susanne Gems 8.08.2010. © Geschichtswerkstatt Du-Nord
Einst beherbegte das Gebäude das Restaurant "Zum Kronprinzen". Es strahlte trotz der Misshandlungen der letzten Jahre noch immer Vornehmheit aus. Seine Geschichte kann jetzt nur noch als Nachruf geschrieben werden.
Foto: Katrin Susanne Gems 31.08.2010. © Geschichtswerkstatt Du-Nord
Zerstörung der Stadt und der Demokratie
Die Beraubung der öffentlichen Güter (des Ager publicus) war in der Römischen Republik eine zentrale innenpolitische Frage, die in Lager spaltete: in diejenigen, die das öffentliche Gut nach ihren Gesetzen bewahren wollten und diejenigen, denen der Raub immer wieder gelang. Von Rom nach Duisburg: geplant sind fünf Flächen-Zerstörungen, die der Stadthaushalt finanzieren soll. Roland Günter: „In Bruckhausen wird ein Stadtteil abgerissen. Im Max-Taut-Viertel am Zinkhüttenplatz droht weiterer Abriss. Darüber hinaus drohten der Planungsdezernent Jürgen Dressler und das Rathaus: ‘Weil die Bevölkerung schrumpft, müssen wir in Duisburg drei Stadtteile abreißen.’ ... Weil jedes Haus gekauft werden muss, laufen die Kosten in Milliarden-Höhe. Dieses Geld gibt es überhaupt nicht. Grotesk: Stadtplanung als Illusion!“
hinterhältig, menschenfeindlich, zynisch
Sicher ist das keine einfache, dafür eine ehrliche Aufgabe, der Stadtzerstörung zu widerstehen, denn „in 20 neoliberalen Jahren wurde der Staat gezielt arm gemacht.“ Kommunen und Städte tragen die Bürde der Sozialkosten. Politisch stehen sie längst mit dem Rücken zur Wand. Aber was kann das bedeuten? Nur noch Wahlkampfversprechen der Volks-“vertreter“?
Roland Günter spricht die Dinge deutlich aus: „Leerstand ist ein Problem des einzelnen Eigentümers, aber kein Problem der Stadt und der Gesellschaft.“ Es gibt gute Gründe, an einer Kulissen-Demokratie zu verzweifeln: „Ich frage mich immer wieder, ob ich mir das antun soll, aufzustehen gegen das, was in Duisburg und anderswo geschieht“, schreibt er in seiner Studie zur Kommunalpolitik. „Aber wenn man ein wenig weiterdenkt, muß man auch begreifen, dass [Rückzug] die relativen Fortschritte, für die unsere Vorväter kämpften, in Gefahr bringt. Rückzug ist Zustimmung zur Perversion der Demokratie, dazu, dass sich darin ein weiterlaufender Absolutismus eingenistet hat...“ Sollten die angeblichen Volks-“Vertreter“ sich vielleicht Gedanken machen, warum – wie sie behaupten – die Stadt (was ist damit gemeint, die Bevölkerung?) „schrumpft“?
Roland Günter: „Ein gigantischer Missbrauch wird mit dem Stichwort „Schrumpfende Stadt“ getrieben. Am deutlichsten zeigt es das Rathaus in Duisburg. Hier treibt der Dilettantismus Blüten. Dieser Dilettantismus ist nicht naiv, sondern hinterhältig, menschenfeindlich, zynisch, nicht lernfähig – und führt zu den Folgen, die der frühere Minister für Stadtentwicklung Prof. Dr. Christoph Zöpel unlängst ‘Sozialverbrechen’ nannte.“
Gelungene Integration: deutsch-türkischer Martinszug in Duisburg-Bruckhausen
Wichtiger Bestandteil des uneingeschränkt empfehlenswerten, im Klartext-Verlag erschienen Buches sind die Fotos von Katrin Gems und Gerda Sökeland. In ständiger Präsenz vor Ort dokumentieren ihre Kameras die Abrisswut und die Vertreibung der Menschen aus ihrem angestammten Viertel gleichermaßen wie die Zerstörung der langsam gewachsenen Integration von zugewanderten Familien.
Liedermacher Frank Baier (links) und Roland Günter (mitte), siehe NRhZ-Fotogalerie "Sing mit: Glück auf!"
Mit Roland Günter haben sie einen prächtigen Ratgeber, denn von 1971 bis zu seiner Emeritierung 1999 besetzte er an der Fachhochschule Bielefeld eine Professur für Kunst- und Kulturtheorie, in deren Rahmen es ihm und seinen StudentInnen gelang, die älteste Siedlung im Ruhrgebiet, Oberhausen-Eisenheim, vor dem Abriss zu retten. Mit den dort lebenden Menschen bildeten sie „Arbeiterinitiativen“ (nach dem Vorbild von „Bürgerinitiativen“) und unterstützten sie durch ihre Erfahrungen in Pressearbeit, Politikerbefragung und juristischen Schritten. Seit 1974 lebt Roland Günter in der Siedlung Eisenheim, die heute zum Erbe der Industriekultur zählt . Dort ist auch das Werkbund-Haus des Sekretariats Ruhr untergebracht. (PK)
Stadtmassaker und Sozialverbrechen
Studie zur Kommunalpolitik am Fallbei(l)spiel
"Stadtzerstörung und Stadtentwicklung in Duisburg"
von Roland Günter, Dt. Werkbund
NW, Klartext, 2013, 432 Seiten, 23,95 EUR
Online-Flyer Nr. 439 vom 01.01.2014
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