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Literatur
Manfred Enzensperger: „eingeschneite hunde“
Gewagte Assoziationen
Von Karl Feldkamp

Bei dem eher unlyrischen Buchtitel „eingeschneite hunde“ könnte der unvoreingenommene potentielle Leser zunächst meinen, Manfred Enzensperger habe seinen Gedichtband für Wintersport- und Tierfreunde geschrieben. Angenommen, alle Worte, Silben und Buchstaben in diesem Lyrikband wären literarische Schneeflocken, könnte der suchende Leser zwischen ihnen durchaus diverse Hunde und deren Spuren entdecken.
Die „warme pfote eines setterblicks“, „ein schwarzer labrabor retriever“ und ein „tierheimhund“ sowie andere Rasse-, Hof- und Mischlingshunde tauchen immer wieder aus teils fantasiereichen, teils gewagten Assoziationsketten der insgesamt 63 Gedichte auf. Und obwohl er schrieb, „als ginge“ den Autor „die psychoanalyse nichts an“, könnte gerade ein Psychoanalytiker an jenen auch tierischen Assoziationen seine Freude haben und mit kühnen Deutungen einen besonderen Weg durch die verschlungenen Textpfade finden. 
 
Mit einer nahezu atemberaubenden Reise durch diverse Städte, Gegenden, Landschaften und Hotels sowie durch subjektiv empfundene Gegenwarten bietet der Autor, ein überaus geschickter Sprachjongleur, mittels der deutschen Sprache und weiterführender Fach- und Fremdsprachen seinen Mitreisenden Verständliches und Missverständliches als geistiges Reiseproviant an. Immer wieder gelingt es ihm, hinter jeder Kurve und Abzweigung der Reiseroute mit sprachlich-bildlichen Überraschungen aufzuwarten, denn „überall wechselte die landschaft das vokabular“. 
 
 
Wer „sich im geschwätz einer stadt aus dem staub machen“ will, der muss schon Worte und Wörter wählen, die ihn nicht der Schwatzhaftigkeit verdächtig machen. Und solange nicht „am ende selbst gedanke/im gedankenselbst das stundenlang mit mir/in selbstgedanken“ enden soll, gehört schon eine Meisterschaft dazu, seine Leser an den lyrischen Gedankensprüngen zu beteiligen.

Manfred Enzensperger gelingt es meisterlich. Als Germanist, Anglist und Fachleiter in der Ausbildung für  Gymnasiallehrer verfügt er über ein umfangreiches Vokabular, aus dem er als Lyriker offenbar unbegrenzt schöpfen kann. Seine Leser müssen allerdings ausreichend Geduld aufbringen, da er zu äußerst ungewöhnlichen Wort- und Sinnkombinationen neigt. Daher sollten die Leser bereit sein, sich auf eine langsame und analysierende Lesart einzulassen und sich dennoch nicht in Grübeleien zu verlieren. Vor allem aber ist Intuition gefragt, da reine Logik Enzenspergers Lyrik kaum erschließt.
So lockt der Autor, sich mit ihm auf einen „prominentenspaziergang auf der millionenallee“ zu begeben. Und wer hofft, dort Prominenten zu begegnen, wird eher durch gewöhnliche Ereignisse enttäuscht, die ausschließlich in ihrer ungewohnten Abfolge überraschen.
Auch wenn es um therapeutische Wirkung zu gehen scheint, heilen diese offenbar weitgehend uneingeschränkten lyrischen Assoziationen ausschließlich von gewohnten Alltagserwartungen. So geschehen auf diesen lyrischen Rund- und Fernreisen nie solche Ereignisse, die erste Zeilen oder Zeilen zuvor zu versprechen scheinen. Immer wieder überraschen gewagte Metaphern und lassen übliche Reiseziele, wie „oostende“,“bruxelles“, den Kölner „alter markt“ zu Stationen poetischer Abenteuerreisen werden.
 
Da Manfred Enzensperger bereits in vorherigen Gedichtbänden Reisen als Metapher bevorzugte, kann der Leser auch von diesem Lyrikband erwarten, wieder von einem erfahrenen lyrischen Reiseleiter mit auf eine wunderbare Fantasiereise genommen zu werden. Übrigens muss er dafür wirklich nicht unbedingt Hundeliebhaber und/oder Wintersportfreund sein. Auch als Reisender, der wärmere Jahreszeiten bevorzugt, wird er kaum auf den Hund und dennoch tierisch auf seine Kosten kommen. (PK)
 
Manfred Enzensperger, „eingeschneite hunde“, Gedichte, Edition Voss im Horlemann-Verlag, Berlin, 2013, 99 Seiten, € 14,90
 


Online-Flyer Nr. 448  vom 05.03.2014

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