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Lokales
„In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher“ (Kapitel 1)
Unheiligsprechung von Kardinal Meisner
Von Werner Rügemer

Er durfte Schwule hassen, er segnete NATO-Generäle und Adenauers Korruption, er war Komplize der Reichen. Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner ist abgetreten, aber er mischt weiter mit, zum Beispiel in der Ukraine. Eine notwendige Unheiligsprechung.
 
Am 8. März 2014 trat der Kölner Erzbischof und Kardinal Joachim Meisner nach 25 Jahren von seinem Amt zurück. Der enge Freund der Päpste Karol Woytila (Johannes Paul II) und Josef Ratzinger (Benedikt XVI) wurde in den Medien bekannt als Schwulenhasser und Abtreibungsgegner. „Er war umstritten, aber nie langweilig“, schreibt Die ZEIT. Seine zugespitzten Formulierungen auf diesem Gebiet sorgten für sichere Unterhaltung. Der bekennende Schwule Volker Beck, Geschäfts-führer der Grünen im Bundestag, titulierte ihn mal als „Hassprediger“ wegen seiner Ausfälle gegen Homosexuelle. Die alternativen Kölner Karnevalisten von der Stunksitzung riskierten deswegen mal die Bezeichnung „Sakralstalinist“. Muslimen-Verbände kritisierten ihn wegen anti-muslimischer Sprüche. Die kritische „Kölner Kirchen-Initiative“ verzichtet ausdrücklich auf eine Meisner-Bilanz. Meisner hatte es leicht mit seinen „Kritikern“.
 
Die notwendige Unheiligsprechung wegen sechs schwerer Sünden ist in drei Kapitel eingeteilt. In dieser Ausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung folgt zunächst Kapitel I.
 
Beten und schießen
 
Sie verstanden sich prächtig: Der gegelte CSU-Hoffnungsträger Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg und der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner. Der hatte 1.500 Soldaten, Offiziere, Generäle aus Bundeswehr und anderen NATO-Armeen und den deutschen Verteidigungsminister 2011 in den Kölner Dom eingeladen, zur jährlichen Soldatenmesse. Der Kardinal predigte, dass die Religionsfreiheit „das fundamentalste aller Menschenrechte“ ist.
 
Nach der Messe würdigte der freiherrliche Wehrführer, dass die kirchliche Militärseelsorge bei den Auslandseinsätzen „Großartiges leistet“. Unter Guttenberg, der als erster Verteidigungsminister von Krieg sprach, den die Bundeswehr in Afghanistan führe, war die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft worden. Meisner fragte scherzhaft, ob sein Dom auch bei zukünftigen Soldatenmessen noch voll werde. Der junge Kriegsminister antwortete wie aus der Pistole geschossen: Er werde die Soldaten dafür notfalls „persönlich rekrutieren“.
 
Das brauchte der Plagiator nach unfreiwillig beendeter Dienstzeit nun nicht zu tun. Trotzdem war im Januar 2012, 2013 und auch 2014 der Dom zur Soldatenmesse natürlich wieder voll. Kirchgang ist militärische Dienstpflicht. Der selbsternannte geistliche NATO-Oberkommandierende aktualisierte seine letzte Soldaten-Predigt zeitgemäß. Im Gleichklang mit Bundespräsident Gauck und Bundesregierung sprach er vor den 1.500 Militärs und den vier niederknienden Staatssekretären: „Liebe Schwestern und Brüder!“ Dank gebühre Gott für den Fall des Eisernen Vorhangs! Westeuropa trage nun „eine globale Verpflichtung für den Frieden“. „Aktive Zuwendung“ sei das Gebot der Stunde: So orakelte er ebenso dunkel wie unmissverständlich. „Aktive Zuwendung“! Fast schleimiger und noch zynischer als des anderen, des evangelischen Oberpfaffen Botschaft, Deutschland müsse sich nachhaltiger in die Welt „einbringen“!
 
Schon Vorgänger Joseph Höffner richtete 1977 den Internationalen Soldatengottesdienst im Kölner Dom ein. Dafür wurde eigens das Katholische Militärdekanat Köln eingerichtet. Die Weihe findet, so berichten es auch die journalistischen Hofschranzen des Kölner Stadt-Anzeiger, am „Weltfriedenstag“ statt. Weltfriedenstag? Es gibt mindestens drei: 1. September (Bundesrepublik Deutschland), 21. September (UNO), der 1. Januar ist der selbsternannte katholische „Weltfriedenstag“, bei möglicher Abweichung um einige Wochen.
Meisner führte also eine Tradition fort. Dafür war er von seinem Protektor Karol Woytila 1989 der Erzdiözese Köln gegen (lauen) Widerstand aufoktroyiert worden. 2012 schickte er vom Soldatengottesdienst eine „Weltfriedenstagskerze“ zur Bundeswehr nach Afghanistan. Er verschärfte wie sein Mitbruder im allerrechtesten Glauben, Militärbischof Johannes Dyba, den Ton: „Einem gottlobenden Soldaten kann man guten Gewissens die Verantwortung über Leben und Tod anderer übertragen, weil sie bei ihm gleichsam von der Heiligkeit Gottes abgesegnet wurde.“ Oder präziser: „In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher.“ Beten und Schießen!
 
Das war die erste schwere Sünde: Segnen des Krieges und der Krieger.
 
Adenauer: ein Geschenk Gottes
 
So gehörte Konrad Adenauer, der hinterfotzig und gegen alle Friedensschwüre die bundesrepublikanische Wiederbewaffnung und die NATO-Mitgliedschaft durchdrückte, zu Meisners Lieblingen. Er predigte im Dom beim Pontifikalamt zum 125. Geburtstag Adenauers: „Wir danken heute Gott, dass er uns Konrad Adenauer geschenkt hat.“
 
Er fügte für die fromm lauschenden Fans aus CDU, Industrie- und Handelskammer, sowie der Stadtverwaltung und Vertretern der Landes- und Bundesregierung hinzu: „Ein Volk kann sich glücklich preisen, das von einem Kanzler regiert wird, über dessen Bett wie in Adenauers Schlafzimmer das Jesus-Kreuz hängt.“
 
Ich hatte damals dem intimen Kenner von des Bundeskanzlers Schlafzimmer einen Brief geschickt mit Belegen, wie sich Adenauer als Oberbürgermeister von Köln hemmungslos aus der Stadtkasse bedient hatte und wie er auch als Bundeskanzler und Vorsitzender einer christlichen Partei bekanntlich schwarze Kassen geführt habe, gefüllt mit Unternehmensspenden, mit denen die CDU gekauft wurde. Sodass also die Bezeichnung Adenauers als Geschenk Gottes doch wohl eine Gotteslästerung bedeute?
Meisner antwortete, dass die Kirche nicht die eventuellen Sünden der Menschen beurteilen könne, sondern dies Gott überlasse. Und Gott werde schließlich alle Sünden vergeben. Der Nachfrage nach der dann ja auch logisch notwendigen Vergebung der Sünden eines gewissen Adolf Hitler wich er aus.
 
Meisner umging die Aufgabe jeder Philosophie und Religion, das Verhältnis von Gut und Böse zu thematisieren. Da entstand notwendigerweise ein ungelöster Widerspruch: Wie konnte dann Meisner gnadenlos zum Beispiel Homosexuelle als Sünder beurteilen? Meisner hat aus seiner DDR-Zeit einen Doktortitel in Theologie; m.E. müsste der ihm aberkannt werden, wegen Verhunzung der Dialektik. Übrigens: Diese Unrechtstat der DDR, dem Meisner einen Doktortitel verschafft zu haben, ist bisher viel zu wenig gegeißelt worden!
 
So verdrängt dieser fragwürdige Theologe auch den kirchlichen Widerstand gegen das Hitler-Regime. 2001 sollte das im Krieg beschädigte und nur provisorisch reparierte Südfenster des Doms erneuert werden. Das ursprüngliche Konzept besagte, hier sechs Kölner katholische Märtyrer darzustellen, die Widerstand gegen die Nazis geleistetet hatten, übrigens ohne Unterstützung der Kirche. Doch unter Meisners Episkopat verschwanden die bereits fertiggestellten Entwürfe in der Versenkung. Er war wohl inspiriert von der gleichzeitigen Seligsprechung von Klerikalfaschisten aus Franco-Spanien und Kroatien durch den verehrten Bruder Ratzinger, Papst Benedikt XVI.
 
Stattdessen durfte der teuerste Maler der Gegenwart, der den Katholizismus lobende Gerhard Richter, ein hübsches, nichtssagendes Fenster gestalten: Es besteht, vom Zufallsgenerator zusammengewürfelt, aus 11.263 quadratischen Glasplättchen unterschiedlicher Farben. Finanziert wurde es von Kölner Banken und Geschäftsleuten.
 
Das war die zweite schwere Sünde: Lob für sich selbst bereichernde und unternehmensbespendete Politiker.
 
Die Fortsetzung von Meisners Unheiligsprechung aufgrund zweier weiterer Sünden folgt in Kapitel II in der nächsten Ausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung, nrhz. (PK)


Siehe auch Fotogalerie in dieser NRhZ-Ausgabe:
Trauer um Joachim Kardinal Meisner
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20123


Online-Flyer Nr. 449  vom 12.03.2014

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