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Lokales
Interview mit Anne le Strat, ehemalige stv. Bürgermeisterin von Paris in Berlin
Geld der Wasserkunden nur für das Wasser!
Von Ulrike von Wiesenau

Die Pariser Wasserbetriebe sind seit 2010 wieder in städtischem Besitz. Ein Gremium der Bürgerbeteiligung wurde nach der Rekommunalisierung installiert. Das gesamte Geld der Pariser Wasserkunden fließt jetzt in den Betrieb. Ulrike von Wiesenau vom Berliner Wassertisch hat mit der ehemaligen stellvertretenden Bürgermeisterin von Paris, Anne Le Strat, dazu ein Interview bei deren Besuch in Berlin geführt.
 

Anne Le Strat
Quelle: Berliner Wassertisch
Ulrike von Wiesenau: Die Pariser Wasserbetriebe sind seit dem 1.Januar 2010 wieder in städtischem Besitz. Weshalb wurden die auslaufenden Konzessionen mit den privaten Partnern Suez und Veolia nicht erneuert und wie kamen die Wasserbetriebe in öffentliches Eigentum zurück?

Anne Le Strat: Im Januar 2010 holte die französische Hauptstadt nach 25 Jahren privater Wasserwirtschaft die Wasserversorgung in städtischen Besitz zurück, die auslaufenden Konzessionen der privaten Partner Suez und Veolia wurden nicht erneuert. Für die Konzerne, die seit 1985 für die Wasserversorgung rechts und links der Seine verantwortlich waren, stand zunehmend nur noch ihr Gewinn-Interesse im Vordergrund. Die satten jährlichen Renditen führten zu massiv steigenden Wasserpreisen. Eine öffentliche Kontrolle der Unternehmen war dabei weitgehend unmöglich. Wir waren der Überzeugung, das in städtischer Regie besser zu können und wollten die privat geführten Pariser Wasser-Unternehmen in ein neues öffentliches Unternehmen überführen. Mit »Eau de Paris« wurde ein Unternehmen in öffentlicher Hand gegründet, die Stadt Paris nahm den Betrieb wieder in eigene Regie zurück und gab damit das klassische französische Modell der Vergabe von Konzessionen an Privatunternehmen auf. Das erforderte viel Arbeit im juristischen Bereich - die konkrete Umsetzung und institutionelle Ausgestaltung mußte erst gefunden werden - und einen intensiven Dialog mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften über die Form des neuen öffentlichen Betriebes. Die Rekommunaliserung war eine Sache des politischen Willens. Vor der Wahl versprachen wir den Bürgerinnen, dass wir die Trinkwasserversorgung in kommunale Hände zurückführen würden. Das lösten wir ein.

Wie reagierten die Mitarbeiter auf diesen Kurswechsel?

Wir hatten keine Probleme mit den Arbeitnehmern, die die Arbeit vor Ort erledigen, sondern eher mit dem gehobenen Management und den Gewerkschaften. Heute rekutieren wir sogar Leute aus anderen Unternehmen, weil die Arbeitsbedingungen bei uns sehr gut sind. Das Bild hat sich also gewandelt. Würde heute jemand die Wasserbetriebe privatisieren wollen, gäbe es große Proteste.

Wie wurde bei den rekommunalisierten Pariser Wasserbetrieben Transparenz und Kontrolle umgesetzt?

Für die Zukunft erschien es uns sinnvoll, möglichst viele gesellschaftliche Gruppen aktiv einzubeziehen - also Transparenz, Mitsprache und Kontrolle zu ermöglichen. Wir haben deshalb ein öffentliches und partizipatives Kontrollgremium, das »Observatoire parisien de l'eau« geschaffen. In ihm sind Organisationen des Verbraucher- und Umweltschutzes sowie unabhängige Wissenschaftler versammelt. An diesem Gremium können sich alle Bürger beteiligen, es gibt keine gewählten Mitglieder, sondern es handelt sich um eine allen offen stehende Einrichtung. Das "Observatoire" mit seiner basisdemokratischen Struktur ist staatlicherseits eingerichtet worden und kein Gremium von "Eau de Paris", sondern der Stadt Paris. Es verfügt über eine beratende Funktion. In diesem Kreis werden wichtige Wasser-Themen wie etwa die Preisgestaltung besprochen. Ein anderes Instrument ist der neue erweiterte Verwaltungsrat unseres öffentlichen Wasserbetriebes. In ihm sitzen neben Vertretern aller Fraktionen des Stadtrates Delegierte der Beschäftigten sowie Vertreter des Verbraucher- und Umweltschutzes. Die Zukunftsentscheidungen des Wasserbetriebes können so demokratisch mitgestaltet werden.

Was hat die Rekommunalisierung des Wassers der Stadt Paris gebracht?

Wir konnten eine achtprozentige Preissenkung für Trinkwasser realisieren, es ist wieder möglich, langfristig zu planen, die Gewinne verbleiben im Betrieb und können in die Infrastruktur der Wasserversorgung fließen, statt in die Hände der Aktionäre. Die Rekommunalisierung hat auch positive Effekte auf die Sozialpolitik, weil es wieder möglich ist, günstigere Tarife für sozial schwache Menschen anzubieten. Rekommunalisieren ist also auch sozialer. Wir haben wieder mehr Kontrolle über das Budget und können Investitionen längerfristig planen. Die privaten Unternehmen hatten Reparaturarbeiten an ihre eigenen Firmen weitergegeben, die wiederum alles viel teurer fakturierten, jetzt werden solche Arbeiten ausgeschrieben. In Paris hat man gesehen, wozu die Liberalisierung führt: Zwei international agierende Konzerne hatten sich den Markt aufgeteilt und die Arbeiten untereinander verteilt, anstatt sie auszuschreiben. Das hat auf Dauer alles teurer und schlechter gemacht und ging zu Lasten der Kunden.

Wie war der Zustand der Wasserbetriebe, als Sie diese übernommen haben?

Wir konnten feststellen, dass nicht genug investiert worden ist, obwohl die Wasserkunden das Geld für die Investitionen bezahlt hatten. Dieses Geld wurde zuvor zweckentfremdet. Das haben wir geändert. Heute fließt das gesamte Geld der Pariser Wasserkunden in den Betrieb.

Das ist also ein wesentlicher Unterschied zu Berlin?

Ja, denn auf der heutigen Tagung habe ich erfahren, dass in Berlin ein Teil des Geldes der Wasserkunden für die Rückzahlung der Kredite verwandt wird, die aufgenommen wurden, um die vor 14 Jahren privatisierten Veolia- und RWE-Anteile zurückzukaufen. Außerdem liefern die Berliner Wasserbetriebe Geld an den Landeshaushalt ab. Das ist bei uns nicht der Fall. Wir haben einen geschlossenen Kreislauf. Das Geld der Wasserkunden wird nur für das Wasser ausgegeben.

Welche politischen Auswirkungen hat die jetzt in Frankreich verkündete Austeritätspolitik auf das Wassergeschäft?

Im Prinzip keine, weil alles Geld des Unternehmens von den Wasserkunden kommt und im geschlossenen Kreis im Betrieb verwendet wird, da greift die "Sparpolitik" nicht. Die Infrastruktur wird verbessert, die Mitarbeiter sind sehr motiviert. Die Bevölkerung schätzt den Service und findet den Wasserpreis angemessen. Das ist für uns ein großer Erfolg. Als wir die Reform in Paris angegangen sind, hat das in Frankreich geradezu eine Revolution ausgelöst. VieleGebietskörperschaften wollten dem Pariser Beispiel folgen, was aber eine langwierige Sache ist, weil die Konzerne Veolia und Suez auch politisch ziemlich einflussreich geworden sind und andere öffentliche Dienste bestellen. Doch eine breite Diskussion zu einer geeigneten Bewirtschaftung von öffentlichen Betrieben ist eröffnet worden und das ist ein guter Anfang. (PK)
 
Ulrike von Wiesenau ist Pressesprecherin des Berliner Wassertisches. Die Demokratie-Expertin ist Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des Berliner Wasserrates.


Online-Flyer Nr. 456  vom 30.04.2014

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