Filmclips Das kleine rechtsrheinische Wunder in Köln Von Peter Kleinert
1979 hatte die Gründungsgruppe des Vereins Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM) in Köln-Mülheim das Gelände einer ehemaligen Schnapsbrennerei besetzt und damit begonnen, Wohnraum zu schaffen. SSM, das waren damals eine Sozialpädagogin, ein Jura-/Orientalistikstudent und Sozialarbeiter, deren zwei Kinder, ein ehemaliger Bankkaufmann, ein ehemaliger Bergarbeiter. Bald kamen ein Rollstuhlfahrer und eine Mutter mit zwei geistig behinderten Söhnen dazu.
Heute besteht der SSM aus 20 Menschen und gehört zu den Initiativen die aktuell gegen die Räumung bedürftiger Menschen aus den alten Güterbahnhof-Hallen und für die Realisierung des Programms „MÜLHEIM 2020" kämpfen. Weil sich bei diesem von der EU unterstützten Programm die Stadt aber nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, wurde für die anstehende Kommunalwahl die Mülheimer Bürgerliste (MBL) gegründet.
Der SSM fing damals mit der Gründung einer Umzugs- und Entrümpelungsfirma an, um den Unterhalt zu erwirtschaften. Die Produktionsmittel, z.B. der LKW, gehören allen gemeinsam. Der Verein ist im Stadtteil Mülheim fest verankert. Sie steht für zahlreiche Stadtteilprojekte, darunter den "Kulturbunker", den "Böckingtreff", die "MüZe" und die "Mülheimer Erklärung", zur sozialen Sanierung der Industriebrache um den alten Güterbahnhof.
Herzstück des SSM ist die "Verantwortung", der Gemeinschaftsraum, in dem dieselbe täglich einem anderen SSMler übertragen wird. "Die "Verantwortung" ist 24 Stunden am Tag an allem schuld, was menschlich und organisatorisch den Bach runter geht und muß am folgenden Tag die Morgenrunde leiten, in der die anstehenden Arbeiten verteilt, Probleme erörtert, Informationen weitergegeben werden und manchmal heftig gestritten wird.
Arbeit ist auch hier ein zentraler Begriff, nur kann man/frau sie sich selbst aussuchen: Das geht vom Umzugfahren über Holzhacken und Heizen, vom Kochen des gemeinsamen Mittagessens bis zum Ladendienst für die Gebrauchtmöbel, vom Schreiben eines Flugblatts bis zum Stadtteilbeirat. Aus den Einnahmen erhält jeder SSMler ein Taschengeld. Kleidung und Möbel gibts im eigenen Laden umsonst.
Der SSM will und braucht keinerlei staatliches/kommunales Geld. Stadt Köln, Staat, Sozialhilfe, Arbeitsamt sparen durch dieses Selbsthilfe-Modell, das inzwischen durch Vortragsveranstaltungen auch in anderen Bundesländern Schule macht, jährlich einige zigtausend Euro.
Einer der Gründer, Rainer Kippe, formuliert in diesem Film aus dem Jahr 2002 das Wesen des SSM: "Der SSM ist philosophisch, spirituell, natürlich politisch." Wir haben ihn damals für eine die "Ausstellung des SSM" im Rahmen von "Ökonomien der Zeit" durch die Hamburger Künstler Jelka Plate und Malte Willms im Kölner Museum Ludwig gemacht und dabei Videomaterial aus einer fünf Jahre andauernden Langzeitbeobachtung verwendet.
Siehe auch: "Mülheimer Erklärung", 17 Stücke über dem SSM, der SSM und die Schüler der Mülheimer Gesamtschule, Rolf Stärks Rede auf der Benefizveranstaltung.
Die Kölner Presse konnte Ergebnisse unserer sieben Jahre dokumentarischer Videoarbeit beim SSM bisher nicht würdigen, weil "das Fernsehen" sich bisher konsequent geweigert hat, uns einen kürzeren oder längeren Film zu diesem Thema senden zu lassen. (PK)
AutorInnen: Rea Karen und Peter Kleinert
Künstler: Jelka Plate und Malte Willms
Kamera/Ton: Rea Karen und Peter Kleinert
Schnitt: Peter Kleinert
Auftraggeber: KAOS Film- und Video-Team Köln
Produktionsjahr: 2002
Länge: 12 und 96 min
Der Film kann in dieser oder in der Langfassung beim KAOS Kunst- und Video-Archiv Köln bestellt werden:
KAOS Kunst- und Video-Archiv e.V. Gladbacher Str. 33
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