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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Medien
Journalisten zur Gefahr von Krieg und eines neuen Faschismus
In der Ukraine schon entfesselt
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Die Anspielung des Redakteurs der Süddeutschen Zeitung Stefan Kornelius auf "das unsägliche Spiel aus Propaganda und Unaufrichtigkeit" (SZ, 2.7.) lässt die verheerende Einmischung der USA völlig außer Acht. Diese Einmischung der USA hat erst zu den unberechenbaren Umstürzen in der arabischen Welt und in der Ukraine geführt. "Irak, Libyen, Syrien und die Ukraine dürfen keine ansteckende Krankheiten werden", mahnt der russische Präsident Wladimir Putin zu Recht. Er wies seine Diplomaten an, Vorschläge zu erarbeiten, damit es in Europa nicht noch einmal zu vergleichbaren Umstürzen kommt.

SZ-Redakteur Stefan Kornelius
NRhZ-Archiv
 
Die Einseitigkeit von Kornelius ist ganz im Sinne der verhängnisvollen US-Einmischung. Sein Kommentar ignoriert absichtlich das unkontrollierte Problem der Randalierer, der Faschisten, der ultranationalen und Neo-Nazi-Parteien in der Ukraine, die europäische Bündnispartner geworden sind, die in Berlin nicht weiter hofiert werden dürfen. Der SZ-Redakteur verliert kein Wort darüber, dass die Kooperation mit solchen Kräften definitiv und vollständig zu beenden ist. Aktive Faschisten und militante Kräfte in der Ukraine sind nicht zu verharmlosen, erst recht keine offen auftretenden Neonazis. Solche Elemente waren die Unruhe-Stifter innerhalb der friedlichen Maidan-Proteste im Februar und sind heute die neuen Unruhestifter auf demselben Maidan-Platz. "Bei diesen Formationen liegt heute die reale Macht in der Ukraine", erkennt Reinhard Lauterbach richtig die faschistische Gefahr in seinem Leitartikel "Zwei Herren dienen" (junge Welt vom 2.7.). Gesetz brechende Faschisten gehören selbstverständlich ins Gefängnis. Der Staat darf nicht zögern, gegen solche Elemente vorzugehen, um die Ordnung im Lande wieder herzustellen.
 

Gestürzter Präsident Viktor Janukowitsch
NRhZ-Archiv
75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges vernachlässigt ein leitender SZ-Redakteur die Kriegsgefahr in Europa. Es scheint ihm vollkommen gleichgültig zu sein, dass in einer europäischen Regierung Faschisten sitzen und diese Leute von allen europäischen Regierungen unbehelligt gegen die eigene Bevölkerung mit brutaler militärischer Gewalt vorgehen können. Es sind dieselben faschistischen Kräfte, die im vergangenen Februar die Maidan-Proteste anheizten, bis der rechtmäßige Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt war, worauf ein Putsch-Regime folgte. Heute maßen sich dieselben Faschisten an, hinter der verständlichen Unzufriedenheit der Ukrainer die Drohung zu lancieren, sie würden auch imstande sein, den gewählten Präsidenten Petro Poroschenko zu stürzen. "Wenn er unsere Forderungen jetzt nicht erfüllt, werden wir ihn einen Volksverräter nennen. Dann erwartet ihn das gleiche Schicksal wie Janukowitsch." So Cathrin Kahlweit in ihrem zurückhaltenden SZ-Artikel: "Lieber Krieg als Frieden". (2.7.)
 
Das ist Faschismus pur, der, wenn es ihm passt, vor keiner Institution halt macht, vor keinem Gesetz. Wäre sich Stefan Kornelius dessen bewusst und was die faschistischen braunen Horden auf den Straßen Deutschlands damals schrien und taten, wäre er hellwach und besorgt vor der gegenwärtigen Gefahr in Europa: Die Gefahr des Krieges und eines neuen Faschismus, der sich schon in der Ukraine zügellos entfesselt. Unter diesem ungeheuerlichen Druck steht Präsident Poroschenko, weil er sich von solchen Kreisen (Swoboda-Partei, Rechter Sektor und seine Nationalgarde) nicht getrennt hat. Berlin muss Druck und Einfluss auf ihn ausüben, damit die faschistischen Minister aus seinem Kabinett entfernt werden. Es ist vollkommen inakzeptabel, dass Deutschland mit "Ministern" Umgang hat, die mit der NPD in Verbindung stehen.
 
In Kiew erheben sich laute Stimmen konkreter Kritik: <Es müsse aufhören, dass Leute schwerbewaffnet durch Kiew zögen und friedliche Bürger erschreckten. Es könne nicht angehen, dass Anwohner aus der Fußgängerunterführung kämen und in eine Gewehrmündung blickten...die Aktivisten des Maidan waren wenigstens zum Teil fürs Demonstrieren bezahlt... die Aktivisten hatten ihre Barrikaden mit Sprengladungen vermint, die jetzt bei den Aufräumarbeiten bemerkt wurden und entschärft werden müssen. Hätte Wiktor Janukowitschs Polizei die Barrikaden im Winter (im Februar) gestürmt, wäre ein Blutbad die absehbare Folge gewesen.> (Reinhard Lauterbach, "Maidan wird lästig", Junge Welt, 3.7.)
 
Die ukrainische Bevölkerung erwartet, dass sich ihre wirtschaftliche Lage nicht noch weiter verschlechtert und die politischen Strukturen zum Besseren verändert werden, so dass auch die Regionen Einfluss bekommen. Poroschenko steht unter diesem Erwartungsdruck. Er muss im wirtschaftlich-politischen Bereich Erfolg zeigen, um das Land, das wirtschaftlich schon sehr labil ist, vor schlimmen sozialen Unruhen zu bewahren. "Die Ukraine aber öffnet sich dem Wirtschaftsraum der EU zu einem Zeitpunkt, in dem sie ohnehin in einer schweren Wirtschaftskrise steckt." Die Bemerkung von Reinhard Lauterbach ist absolut zutreffend ("Einflußsphäre verschoben", JW am 27.6.)
 
Die Ukraine zeigt äußerst tragisch, wohin es führt, wenn nicht bald eine grundlegende Wende eintritt und die Politik der Bereicherung für einige wenige und Verarmung für die Massen nicht gestoppt wird. Das Land ist schon jetzt eine Elendszone. <Kiew strebte mit allen Kräften eine Annäherung an den Westen an, in Richtung EU, NATO und USA. ... Die kurzsichtigen jetzigen Führer der Ukraine verstehen es noch nicht, dass der Westen sie anlockt, weil er neue Märkte braucht. Neue Märkte, aber keine neuen Hersteller. Von den Letzteren hat er genug.> (Aus der bulgarischen Zeitung "Duma" vom 1.7.) Unter dem Druck der IWF wird die elende Misere noch schlimmer. Die Menschen müssen aber wieder mehr Einkommen und soziale Sicherheit bekommen.
 
Die Proteste in der Ost-Ukraine werden pauschal als "kriminell" abgetan, Verbrechen der Regierung und ihrer Anhänger wie das Massaker von Odessa hingegen nicht erwähnt.
 
<Aufschlussreich ist die EU-interne Einschätzung der Nationalgarde. ... Diese Truppe soll nun zu einer "disziplinierten und geschlossenen" Struktur umgemodelt werden, die sowohl für polizeiliche als auch militärische Aufgaben verwendet werden könne. Damit erhält das bürgerlich-faschistische Kabinett in Kiew offizielle Hilfe der EU beim Aufbau eines dauerhaften Bürgerkriegseinheit.> (Aus dem Artikel "EU-Polizisten für Kiew" von Frank Brendle, junge Welt, 30.6.)
 
Europa ist ein natürlicher und strategischer Partner Russlands. So sieht es auch zu Recht der russische Präsident. Allerdings ist dieser Partner Europa derzeit eine "Geisel kurzsichtiger äußerer Interessen". Auch damit hat der russische Präsident Wladimir Putin Recht. Immerhin bestätigt Rom jetzt diese strategische Partnerschaft: <"Russland bleibt ein strategischer Partner, um regionalen und globalen Herausforderungen zu begegnen." Italien habe sich vorgenommen, den Dialog zwischen der Europäischen Union und Russland wiederzubeleben und "Möglichkeiten zu ergreifen, die strategische Partnerschaft voranzubringen". ... Ein polnischer Europaabgeordneter widerspricht der Einstellung Italiens. Italien will aber kein Problem aus dem Anschluss der Krim an Russland konstruieren. Dabei "stehen die Italiener im Wunsch, die strategische Partnerschaft mit Russland zu retten, prinzipiell nicht allein. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich überzeugt geäußert, "dass mittel- und langfristig die enge Partnerschaft mit Russland fortgesetzt werden sollte". ... Die Südeuropäer, angeführt von Italien, halten wenig von Sanktionen und wenden sich gegen eine Einstellung wider Moskau. ... Das neue Machtbewusstsein Italiens unter Ministerpräsident Matteo Renzi zeigt sich nun offenbar aber auch außenpolitisch. Gegen neue Sanktionen etwa leisten die Italiener mittlerweile hartnäckigen Widerstand. Brisant ist der Streit auch, weil Renzi seine Außenministerin Federica Mogherini gerne zur EU-Außenbeauftragten machen würde. Das stößt auf Widerstand aus Polen.> (auszugsweise aus "Nord-Süd-Konflikt über Verhältnis zu Russland", Daniel Brössler, SZ, 4.7.) Es ist wünschenswert, dass sich die politische Reife Italiens in Europa durchsetzt und die rückständigen baltischen Staaten und Polen am Rand, aber an der Leine, bleiben. Es wäre auch ein Gewinn für Europa eine italienische Außenministerin als EU-Außenbeauftragten zu haben.
 
Die faschistische Geschichte der Ukraine macht das Land gegenüber dem Einfluss gewaltsamer Radikaler empfänglich. Vor allem nach dem Zerfall der Sowjetunion, als ein Macht-Vakuum entstand. Dieses Vakuum favorisierte den Einstieg von korrupten Männern und sich bildenden extrem reichen Oligarchen, die das Land zugrunde richteten. Die Wut der großen Mehrheit hat gerade in der regierenden Korruption ihren Ursprung und sie ist berechtigt. Oligarchen sind immer umstrittene Figuren, deren exzessiver Reichtum gegenüber der Armut der Mehrheit äußerst abstoßend erscheint. Das ukrainische Parlament ist voller Leute, die unter sehr zweifelhaften Umständen in den Turbulenzen des Zusammenbruchs der Sowjetunion zu sehr viel Geld gekommen sind. Und mit sehr viel Geld kommt man ganz schnell ganz nach oben in der Politik, nicht nur in der Ukraine. Man muss sich nur einmal die Mitglieder des US-Kongress ansehen.
 
In den dubiosen ukrainischen Verhältnissen, mitten im um sich greifenden Faschismus seitens der rechten Ecke in der Opposition, wurde der Oligarch Petro Poroschenko am 25. Mai zum Präsidenten gewählt unter Ausschluss der Opposition und einiger Regionen wie zum Beispiel der Donbass, wo sieben Millionen Menschen wohnen. Kandidaten und Mitglieder von Oppositionsparteien wurden im Wahlkampf behindert, sogar körperlich angegriffen. Dieser Präsident erbte die faschistischen Institutionen des Putsch-Regimes und hat deshalb seinen Friedensplan bisher nicht umsetzen können.
 
Mafia existiert dort, wo der Bürger kein Vertrauen mehr in den Staat hat und der Staat Schwäche zeigt. Die Autorität muss sich durchzusetzen wissen. Brutalität und Brandstiftung sind keine erträglichen Demonstrationen. Demonstranten haben sich an Gesetze zu halten wie alle anderen Bürger auch. Gewaltaktionen entsprechen nicht europäischen Werten, keinen Freiheitsrechten. Bei solchen destruktiven Aktionen sind die Polizei- oder sogar Militärkräfte aufgerufen zu handeln, wie sie es in jedem demokratischen Rechtsstaat verpflichtet sind. Die Untätigkeit des Präsidenten hat dazu geführt, dass solche Gruppen die Waffenruhe sabotieren konnten. Damit war der Kontrollverlust vorprogrammiert.
 
Arnold Schölzel sah bereits plakativ anklagend in seinem Leitartikel "Kontrollverlust", junge Welt vom 21.2., die gegenwärtige unkontrollierte Lage voraus: "Allerdings handeln die faschistischen Mörderbanden... gegen die Interessen eines Teils ihrer Sponsoren. ... Seit dem 18.2. wird (Krieg) in großen Teilen des Landes geführt. Die EU, d.h. die deutsche Bundesregierung, steckt seither in der selbst gestellten Falle. Und sie hat mit den deutschen Grünen und den hiesigen Mainstreammedien eine Propagandakompanie im Nacken, denen jede Eskalation der Gewalt nicht genügt." So dringend erforderlich ist, solchen seltsamen kriminellen Kräften das Handwerk zu legen.
 
In diesem Zusammenhang war es ein Erfolg, dass das Kiewer Abkommen (21.2.14) zwischen Regierung und Opposition zustande kam. Aber Stunden später ereignete sich der Putsch, der es praktisch zunichte machte. Es ist zu vermuten, dass der deutsche Außenminister Walter Steinmeier rechtzeitig darüber informiert worden war, wie es einem Außenminister gebührt. Waren dann seine diplomatischen Anstrengungen eine deutsche Falle im Auftrag der USA? Das Abkommen war allerdings das Ergebnis der deutsch-russischen Diplomatie, der Merkel-Putin-Zusammenarbeit. Der deutsche Außenminister hatte eine sehr schwierige Aufgabe zu erfüllen, während seine Kollegen aus Frankreich und Polen für Sanktionen plädierten und die EU für solche kontraproduktive Stimmung zu gewinnen suchten. In Anbetracht dieser unerwünschten Entwicklung in der Ukraine, die zum Scheitern des Kiew Abkommens (21.2.14) führte, hat sich jetzt der Außenminister Walter Steinmeier beeilt, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und die Einigung zwischen Russland und der Ukraine (2.7.) betont, Verhandlungen über eine beiderseitige Feuerpause zu beginnen, die von Dauer sein sollte. Russlands Präsident Wladimir Putin begrüßte am 21.6. die von Petro Poroschenko ausgerufene Waffenruhe als ersten Schritt zu einer Beruhigung der Lage in Donbass. Darüber hinaus forderte der russische Präsident, dass Kiew und die Rebellen im Donbass direkte Verhandlungen aufnehmen sollten; anders sei Poroschenkos Plan unrealistisch und ohne jede Perspektive. Verständlich ist die Reaktion der protestierenden Bevölkerung in der Ostukraine; die verlangen zuerst einen Abzug der Kiewer Truppen aus der Region. Gewaltverzicht ist selbstverständlich der geeignete Ausgangspunkt für zuverlässige Gespräche.
 
Sanktionen stellen gewiss keine Lösung eines politischen Problems dar. Nirgends. Das war für Berlin zumindest von Anfang an klar, auch weil sich Sanktionen kontraproduktiv auswirken würden, schließlich könnten sie massiv der deutschen Industrie schaden.
 
Inzwischen gibt es einen Friedensplan von Petro Poroschenko, der eine Dezentralisierung des Landes vorsieht, die vielleicht in eine Föderalisierung münden könnte. Schon seit einigen Monaten wird in Kreml-Kreisen eine Föderalisierung der Ukraine diskutiert. Sie könnte eine Entwicklung wie einst in Jugoslawien verhindern.
 
Steinmeier hat "vor einer Explosion der Gewalt" gewarnt. Die Lage im Osten der Ukraine sei "sehr gefährlich". Es könne jederzeit zu einer Eskalation kommen, "die sich weder politisch noch militärisch beherrschen" ließe. Deutschland setze auch nach dem Ende der bisherigen Waffenruhe in der Ukraine auf Diplomatie. "Wir werden nicht nachlassen, nach einer diplomatischen Lösung zu suchen". So die Bundeskanzlerin Angela Merkel eindeutig am Rande einer Begegnung mit dem scheidenden NATO-Sekretär Anders Fogh Rasmussen (2.7.). Sein Anliegen, für eine Erhöhung der NATO-Ausgaben zu werben, ist gerade in Bezug auf die Ukraine absolut haltlos deplatziert: Europa, Deutschland setzen den Akzent auf Diplomatie und Dialog, nicht auf Militär, was die NATO eher als Störfaktor erscheinen lässt. Die NATO als Instrument von US-Interessen gefährdet die Sicherheitslage Europas, wie es am Verhalten von Rasmussen erneut zu beobachten ist. Es wäre völlig gerechtfertigt und vernünftig, aus dieser Organisation auszutreten, um ihre weitere Torpedierung des Friedens und der Stabilität in Europa zu verhindern.
 
Um so mehr war die erneute NATO-Einmischung in den Konflikt der Ukraine völlig fehl am Platz durch Rasmussens impertinente Erklärung, die gewiss aufgrund von Instruktionen aus Washington erfolgte, aber auch aus eigenem persönlichen Interesse, denn er ist ein Profiteur des Krieges. Rasmussens Familie ist Eigentümer eines der weltgrößten Transportunternehmen. Da mag der skrupellose Rasmussen sogar vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages auftreten, wie kürzlich geschehen (2.7.). Aber Russland ist auf dem richtigen Kurs, und so ist es immer gewesen im Gegensatz zur aggressiven NATO-USA, die deshalb jedes Vertrauen verloren hat. Es ist dringend notwendig, dass Europa der USA-NATO Einhalt gebietet, um seiner eigenen Sicherheitsinteressen wegen. Schon früher klagte der russische Außenminister Sergej Lawrow die NATO an, sich in die ukrainische Angelegenheiten einzumischen und fragte sich, weshalb die NATO und ihr Generalsekretär sich das Recht herausnehme, die ukrainischen Proteste zu kommentieren. Unerhört ist, dass ein solcher dänischer NATO-Eindringling und Kriegsgewinnler den deutschen Bundestag betreten durfte. Was hatte er dort zu suchen? Aufgrund welchen Mandats?
 
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat in der Nacht zum Dienstag (30.6./1.7.) die Waffenruhe für den Donbass beendet und die sogenannte Anti-Terror-Operation wieder angeordnet. "Poroschenkos Kurs ist offenbar mit den USA abgesprochen", lautet die plausible Vermutung vom Journalisten Reinhard Lauterbach ("Kiew wählt den Krieg", Junge Welt 2.7.). Reinhard Lauterbach weiter: <Der russische Präsident Wladimir Putin rief erneut zu einer Verhandlungslösung und zur Einstellung der Kämpfe auf. Bei einer Jahrestagung russischer Botschafter sagte er in Moskau, in der Ukraine kulminieren "sämtliche negativen Erscheinungen". Das internationale Recht sei unwirksam geworden. Russlands Politik gegenüber der Ukraine sei "überaus zurückhaltend". Er verteidigte aber die Entscheidung zur Übernahme der Krim. Russland habe nicht zulassen können, dass Landsleute den Angriffen ukrainischer Nationalisten ausgesetzt worden seien und dass sich möglicherweise NATO-Truppen auf der Halbinsel festgesetzt hätten. Der russische Staatschef differenzierte in seiner Kritik am Westen zwischen den USA und der EU>. Zu Recht: "Während Deutschland und Frankreich immer wieder an den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko appelliert haben, die Waffenruhe zu verlängern, zeigen die USA Verständnis für die neue Offensive der ukrainischen Armee." (Artikel "Leise Hoffnung" von Stefan Braun, SZ vom 3.7.)
 
Reinhard Lauterbach sieht die verheerende Verbindung zu Washington ganz nüchtern und hellwach in seinem Leitartikel "Ende der Waffenruhe in der Ukraine - Zwei Herren dienen", Junge Welt vom 2.7.: <Es ist charakteristisch, wie die Sprecherin des US-Außenministeriums antwortete (30.6.), als sie nach dem Schicksal der Waffenruhe gefragt wurde: Es sei die Sache der Ukraine, "wir akzeptieren jede ihrer Entscheidungen". Und das von einer Institution, die ansonsten alltäglich den Rest der Welt schurigelt und belehrt. Das kann nur einen Grund haben: Die Gewissheit, dass der Klient das in Washington geschriebene Drehbuch abspielt.... Die rechten Schlägergarden auf dem Maidan am 29.6. waren in diesem Film die Komparsen.>
 
Die Herrschaft Washingtons setzt sich über die Herrschaft des Rechts. Und die ukrainische Regierung lässt sich immer mehr in ihre Politik vom Washingtoner Verbindungsbüro hineinreden. Die SPD scheint erwachsen zu werden und wird das hoffentlich nicht länger zulassen. Instruktionen aus der USA-NATO muss keine europäische Regierung befolgen. Wenn es sie geben sollte, müsste die deutsche Regierung (CDU und SPD) sie ignorieren. In diesem Zusammenhang klingt der Aufruf zur Deeskalation vom US-Außenminister John Kerry extrem zynisch. Ebenso seine Erklärung, der Nachschub mit Waffen müsse gestoppt und die russisch-ukrainische Grenze wirksam kontrolliert werden. Einer solchen Erklärung aus dem Mund desselben US-Außenministers, der den Nachschub mit Waffen durch die türkisch- und jordanisch-syrische Grenze nicht stoppen ließ, sondern ständig weiter unterstützt, fehlt jede Glaubwürdigkeit. Was sich in der Ukraine abspielt, ist dieselbe Masche der Destabilisierung durch Waffen für Extremisten, die das State Department in Syrien und Irak betreibt. Die SPD wäre gut beraten, wenn sie sich von dieser verlogenen und unberechenbaren US-Außenpolitik fern hielte und der Falschheit des US-Außenministers nicht folgen würde. Harte, sachliche und eindeutige Kritik an der NATO-USA-Einmischung ist angebracht.
 
<Die NATO Expansion ist eine Fortsetzung des Kalten Kriegs. Sie schließt nicht nur ein, die Trennungslinien zu erhalten, sondern diese Linien weiter nach Osten auszudehnen.> Russlands Außenminister Sergej Lawrow Behauptung ist sachlich zutreffend. Professor Dr. Hermann Klenner, Rechtswissenschaftler aus Berlin, macht darauf aufmerksam, die Wirklichkeit des Geschehens, auch die des Rechts zu begreifen: <Zu Russlands Verhalten im Krim-Konflikt, besonders zur Wahrnehmung der völkerrechtlich konformen Berechtigung der Russischen Föderation, die Republik Krim als neu entstandenen Staat anzuerkennen und mit diesem einen Beitrittsvertrag zu vereinbaren, (sind) einige Andeutungen und Fragen (treffend): Konnte es für Russlands Entscheidung im Krim-Konflikt gleichgültig sein, dass diese Region seit 1783 zu Russland gehört hatte, dass im Kurort Jalta von den Alliierten im Februar 1945 die Nachkriegsordnung beschlossen wurde, und dass die Halbinsel dann 1954 auf undemokratische Weise an die Ukraine fiel? Konnte es für Russlands Entscheidung gleichgültig sein, dass Deutschland, dessen gegenwärtige Regierung den Staatsstreich in der Ukraine materiell und ideell unterstützte, Russland 1914 den Krieg erklärte, im Zweiten Weltkrieg viele Millionen Russen ermordete, und dass dessen Naziwehrmacht zwischen 1942 bis 1944 die Krim besetzt hatte? Konnte es für Russlands Entscheidung im Krim-Konflikt gleichgültig sein, dass die Putschisten in Kiew mit Gewalt und Verfassungsbrüchen die Macht okkupiert, Russophoben, Antisemiten und bekennende Bandera-Adepten in Staatsämter gehievt sowie die Menschenrechte nationaler Minderheiten in der Ukraine eingeschränkt hatten? Konnte es für Russlands Entscheidung im Krim-Konflikt gleichgültig sein, dass die USA unter Verletzung der UN-Charta von 1945 durch ihre Aggressionspolitik in Vietnam, Afghanistan und Irak Völkerrechtsbrüche aus Prinzip begingen? Dass die NATO, auch unter Missachtung der Aggressionsdefinition der Vereinten Nationen von 1974 Jugoslawien bombardierte und entgegen allen Zusagen ihr Territorium in den letzten 20 Jahren systematisch nach Osten ausdehnte? Hätte Russland unter Missachtung der eigenen Sicherheitsinteressen abwarten sollen, bis in Sewastopol neben der eigenen Flotte auch die der NATO ankert? Hätte das nicht aber, statt dem Frieden in der Welt zu dienen, ihn eher und in Permanenz gefährdet?>  (PK)
 
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und Diplomatin a.D. und lebt seit dem Putsch in Chile in Deutschland. 


Online-Flyer Nr. 466  vom 09.07.2014

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