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Lokales
Eine Ausstellung in Berlin mit Erkenntnisgewinn
Bewusst einseitig
Von Sabine Schiffer
Eine renommierte Journalistin betritt den "Sprechsaal" in der Berliner Marienstraße während der Führung durch die Ausstellung „Im Osten nichts Neues – alte Feindbilder, moderne Propaganda“ und stellt anschließend einige Fragen: „Haben Sie Kontakt zur russischen Botschaft? Warum nennen Sie die Fehler der Kollegen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Propaganda? Das ist doch keine gesteuerte Operation. Oder hegen Sie Verschwörungstheorien? Haben Sie keine Bedenken, einer falschen Seite zuzuarbeiten, indem Sie die hiesige Berichterstattung kritisieren? Warum kritisieren Sie nicht die russische Propaganda? Schließlich ist bekannt, dass PR-Agenturen für Putin Events kreieren, um eine russlandfreundliche Berichterstattung zu erzeugen.“
Online-Flyer Nr. 466 vom 09.07.2014
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Lokales
Eine Ausstellung in Berlin mit Erkenntnisgewinn
Bewusst einseitig
Von Sabine Schiffer
Eine renommierte Journalistin betritt den "Sprechsaal" in der Berliner Marienstraße während der Führung durch die Ausstellung „Im Osten nichts Neues – alte Feindbilder, moderne Propaganda“ und stellt anschließend einige Fragen: „Haben Sie Kontakt zur russischen Botschaft? Warum nennen Sie die Fehler der Kollegen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Propaganda? Das ist doch keine gesteuerte Operation. Oder hegen Sie Verschwörungstheorien? Haben Sie keine Bedenken, einer falschen Seite zuzuarbeiten, indem Sie die hiesige Berichterstattung kritisieren? Warum kritisieren Sie nicht die russische Propaganda? Schließlich ist bekannt, dass PR-Agenturen für Putin Events kreieren, um eine russlandfreundliche Berichterstattung zu erzeugen.“
Manchmal können Fragen erhellender sein, als Antworten. Propaganda gibt es für diese Kollegin nur dort, wo es von offizieller Seite gesteuerte Kommunikation gibt. Dass der Erfinder der Public Relations, Edward Bernays, bereits 1928 beschrieb, wie Propaganda in sog. freiheitlichen Systemen funktioniert, ist entweder nicht bekannt oder wird aus Selbstschutzgründen ausgelagert. Lobbyismus, Think Tanks, PR – alles kein Thema. Auch scheint der Begriff „Verschwörungstheorie“ nur auf das Aufzeigen unliebsamer Zusammenhänge beschränkt zu sein, während man die Frage nach der russischen Botschaft – als möglichem Auftraggeber? – dabei als investigativen Journalismus meint verbuchen zu können. Interessant und beeindruckend ist aber vor allem die Selbstgewissheit, sich auf der richtigen Seite zu wägen. Mal abgesehen davon, dass das vor der Frage schützt, welchen zweifelhaften Interessen man eventuell selbst zuarbeitet und ob man das verantworten kann oder nicht, gilt ja als guter Grundsatz im Journalismus eigentlich: „Mache Dich nie mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten!“
Nun sind das Institut für Medienverantwortung und der "Sprechsaal" Berlin fein raus, wenn sie die zu Unrecht verdächtigte Ausstellung in der Öffentlichkeit präsentieren. Denn beide Kooperationspartner sind nicht als Journalisten mit einem idealisierten (Selbst-)Bild von Ausgewogenheit angetreten, sondern als Medienanalytiker und Galerie mit Lesecafé. Darum ist die Ausstellung bewusst einseitig. Sie setzt der als extrem einseitig empfundenen deutschen „Berichterstattung“ dezidiert ausgeblendete Hintergründe, methodische Analysetechniken und Recherchehinweise entgegen und ruft einige Fakten in Erinnerung, die bereits zu früheren Zeitpunkten – teilweise von denselben, sie heute ignorierenden, Medien – aufgeklärt wurden. Dabei setzt die Konzeption der Ausstellung auf herausragende Beiträge gerade der kritisierten Medien und zieht möglichst wenig andere Quellen heran.
Denn es ist ja nicht so, dass die sog. Qualitätsmedien nicht auch recherchieren könnten, wie Magazinsendungen von Monitor bis ZAPP sowie Artikel in ZEIT und FAZ belegen. Aber deren Erkenntnisse erreichen offensichtlich selten bis gar nicht die Nachrichtenredaktion des eigenen Mediums und da stellt sich die Frage nach dem Warum!
Dieser Frage gehen die Ausstellungsmacher bei einer der auf der Website www.sprechsaal.de aufgelisteten Begleitveranstaltungen nach – bei der Podiumsdiskussion am 11. Juli: „Wohin treiben unsere Medien? Wohin treiben wir?“ Am 10. Juli stellt Uwe Krüger von der Leipziger Universität seine Netzwerkanalyse renommierter Journalisten vor. Und am 16. und 17. Juli hören wir Augenzeugen aus der Ukraine. Am 18. Juli beschließt ein Vortrag der Kuratorin und Autorin zum Thema „Medien und Krieg und die Chancen und Grenzen des Internets“ den Reigen der Veranstaltungen. Wenn das Interesse weiterhin so stark bleibt, wird zum Termin der Finissage am 25.07. noch eine Ausstellungsführung angeboten.
Die Ausstellung gliedert sich in drei Räume: Der erste Teil ist der BILD-Zeitung und ihrer offenen Huldigung von Gewalt auf dem Kiewer Maidan gewidmet, sowie dem Aufbau von Randfiguren zu Nationalhelden: Stichwort Klitschko. Wer meinen sollte, das Problem der Einseitigkeit sei eines des Boulevards, wird im nächsten Raum eines Besseren belehrt, wo Beispiele aus angesehenen Tages- und Wochenzeitungen, sowie in Video-Installationen präsentierten Fernsehausschnitten aus ARD und ZDF einen solchen Eindruck sofort wieder korrigieren. Durch einen langen Gang, der mit differenzierten Zeitungsartikeln ausgehängt ist, gelangt man dann in einen größeren Vorführraum, wo in Endlosschleife einige der besagten Magazinsendungen angeboten werden, die die Arbeit der anderen Redaktionen des eigenen Senders in Erklärungsnöte bringen müssten. So hat sich beispielsweise der kurzzeitig Ende April 2014 korrigierte Begriff „Militärbeobachter“ für die entführten Bundeswehrsoldaten in der Ukraine inzwischen wieder in die fehlerhafte Bezeichnung „OSZE-Beobachter“ zurück verwandelt.
Solche Einzelbeispiele greifen die Ausstellungsmacher heraus, um deutlich zu machen, dass eine Distanz zu jedem Medium vonnöten ist und wie man sich diese erarbeiten kann. Dem verbreiteten Putin-Bashing wird in Wort und Bild nachgegangen. In einer Ausstellungsvitrine wird u.a. die Bachelor-Arbeit von Mirjam Zwingli präsentiert, die nachweist, dass die auffällige Negativattribuierung Putins bereits eine lange Tradition in deutschen „Qualitätszeitungen“ hat. So heißt er auch nur selten „Präsident“, sondern wird als „Kreml-Chef“ tituliert, wenn nicht gar mit NAZI-Vergleichen beschrieben – etwa, wenn ihm „Blut- und Boden-Rhetorik“ unterstellt oder das Krim-Referendum mit dem „Anschluss des Sudetenlandes“ verglichen wird. Alle NATO-Versteher sind spätestens an dieser Stelle dazu aufgerufen, die Einseitigkeit der Ausstellung zu bestätigen. (PK)
Online-Flyer Nr. 466 vom 09.07.2014
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