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Inland
Gespräch mit Ulrike von Wiesenau über den Kampf gegen TTIP, CETA und TISA
Gegen Geheimhaltung und Demokratieverlust
Von Peter Kleinert

Ulrike von Wiesenau ist Expertin für direkte Demokratie und Pressesprecherin der erfolgreichen Initiative "Berliner Wassertisch". Die Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des Berliner Wasserrates arbeitet als Beraterin von NGO´s, Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sie bei Öffentlichkeitsarbeit, Kampagnenentwurf und politischer Konzeption unterstützt. Deshalb haben wir mit ihr ein Gespräch über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP geführt.
 

Ulrike von Wiesenau
Foto: Michal Eliasson
Peter Kleinert: Am 15. Juli 2014 hat das internationale Bündnis gegen TTIP und CETA auf einer Pressekonferenz in Brüssel die Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) bekanntgegeben. Damit wurde die EU-Kommission aufgefordert, das Verhandlungsmandat über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) aufzuheben und das Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada (CETA) nicht abzuschließen. Warum warnen Sie so vehement vor diesen Abkommen?
 
Ulrike von Wiesenau: Drei Freihandelsinitiativen versucht die EU-Kommission zurzeit möglichst lautlos auf den Weg zu bringen: Das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP), das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen (CETA) und das plurilaterale Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (TISA), das außerhalb der WTO verhandelt wird. Dass die Verhandlungen parallel geführt werden, ist dabei kein Zufall.
Sobald es zu Blockaden in einem Verhandlungsprozess kommt, können diese durch Fortschritte in einem anderen ergänzt und umgangen werden um das gesetzte strategische Ziel zu erreichen, denn die Zeit drängt. Die in den Abkommen beabsichtigten Vereinbarungen wären deshalb so verheerend, weil sie über nationalem Recht stünden und lange erkämpfte demokratische und rechtsstaatliche Standards gefährden würden. Diese neue Generation der EU-Handelsabkommen soll eine umfassende Liberalisierung von Dienstleistungen erzwingen, eine vollständige Öffnung der Märkte herbeiführen und einmal erreichte Liberalisierungsniveaus unumkehrbar festschreiben.
 
Mit Geheimverträgen und geheimen Schiedsgerichten kennen Sie sich als Pressesprecherin des Berliner Wassertisches ja bestens aus, sie waren Bestandteil der PPP-Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe.
 
Genau diese Erfahrung lässt uns aufhorchen, wenn jetzt von Investitionsschutzklauseln mit Sonderklagerechten für Konzerne und geheimen Schiedsgerichten bei den Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen die Rede ist. Geheime Schiedsgerichte zwischen dem Senat und den privaten Konzernen entzogen die Berliner Wasserverträge einer ordentlichen Gerichtsbarkeit. Mit den Freihandelsabkommen sollen Private Schiedsgerichte eingerichtet werden, vor denen Staaten von Konzernen verklagt werden können, wenn diese der Auffassung sind, dass ihre Investitionen beeinträchtigt oder ihre Gewinne geschmälert würden. Es handelt sich dabei um intransparente Verfahren, ohne Berufungsmöglichkeiten, die an den nationalen juristischen Instanzen vorbei geführt werden und jede rechtsstaatliche Kontrolle unterwandern sollen. Auch die Verhandlungen sind dann geheim, selbst nach deren Abschluss werden die Papiere unter Verschluss bleiben. Nicht einmal die Abgeordneten im Europäischen Parlament werden über den Verhandlungsprozess informiert, nur wenige Abgeordnete können in einer Geheimschutzstelle die Papiere einsehen, berichtet der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold über den TiSA-Prozess. Ähnlich erging es der grünen Abgeordneten Heidi Kosche im Berliner Abgeordnetenhaus, die die geheimen Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe nur in "Darkrooms" einsehen konnte und dabei Stillschweigen über das Gelesene bewahren musste.
 
Im ARD-Magazin Plusminus zum TiSA-Abkommen haben Sie klargemacht, dass es eine Einflussmöglichkeit der Bürgerinitiativen, wie den Berliner Wasser-Volksentscheid, der mit 666.000 Stimmen die Rekommunalisierung der Wasserversorgung erzwingen konnte, mit TiSA und TTIP nicht mehr geben wird.
 
Das Berliner Wasser ist wieder in öffentlicher Hand. Über 98 Prozent der Teilnehmer stimmten im Februar 2011 für die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe. Aber solche direktdemokratischen Abstimmungen werden mit dem Inkrafttreten der neuen Freihandelsabkommen nicht mehr möglich sein. Gegenstand der Verhandlung z.B beim TiSA sind nämlich auch Stillhalte- und Sperrklauseln, die sicherstellen, dass eine einmal erfolgte Liberalisierung oder Privatisierung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Und diese Regeln gelten für alle Dienstleistungen, die die EU nicht explizit im Abkommen ausschließt. Die Zukunft der Daseinsvorsorge ist in höchster Gefahr weil grundsätzlich alles dem Gewinnstreben der Konzerne ausgeliefert wird und noch dazu in unumkehrbarer Weise.
 
Die Verhandlungen zum TTIP sind weit fortgeschritten und sollen spätestens Ende 2015 abgeschlossen sein. Wie gut sind die Aussichten, das Abkommen noch zu verhindern?

Wassertisch-Demo: Vor zwei Jahren erfolgreich gegen die Wasser-Privatisierung in Berlin
NRhZ-Archiv
 
Schon einmal waren unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt. Mit der europäischen Bürgerinitiative "Recht auf Wasser" konnten wir durch den massiven Widerstand der Bevölkerung eine weitere Deregulierung der Wasserversorgung verhindern. Nun ist die Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA bei der EU-Kommission beantragt, die bis zum 15. September über deren Zulassung entscheiden muss. Ein Jahr lang hätte das Bündnis dann Zeit, eine Million Unterschriften zu sammeln. Ein Sieg gegen das TTIP würde musterhaft wirken, es hätte Auswirkungen auf alle anderen Handelsabkommen und auf die gesamte Handelspolitik der EU. Es geht jetzt darum, öffentliche Aufmerksamkeit zu schaffen, eine europäische Bürgerbewegung weiter voranzutreiben und eine immer dichtere Bündnisstruktur aufzubauen um ein Votum herbeizuführen, das sich unmissverständlich und unignorierbar ausspricht. Wenn die Hürde der Zulassung genommen wird, bin ich guter Dinge, dass wir auch dieses Mal erfolgreich sein werden. (PK)
 
Ulrike von Wiesenau ist Expertin für direkte Demokratie und Pressesprecherin des Berliner Wassertisches. Die Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des Berliner Wasserrates arbeitet als Beraterin von NGO´s, Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sie bei Öffentlichkeitsarbeit, Kampagnenentwurf und politischer Konzeption unterstützt.
 


Online-Flyer Nr. 471  vom 13.08.2014

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