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Inland
100 Jahre Wissenschaft, Wirtschaft und Militär auf deutschem Boden
Über eine Verlobung der besonderen Art
Von Dietrich Schulze
Unter dem furchtbaren Titel „Die Verlobung von moderner Wissenschaft, Industrie und Militär“ schwadroniert ein Prof. Dr. Götz Neuneck, Leiter der Interdisziplinären Forschungsgruppe Abrüstung, Rüstungskontrolle und Risikotechnologien am „Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ der Universität Hamburg, über Physiker im Ersten Weltkrieg in der renommierten Zeitschrift „Wissenschaft & Frieden“ 3/2014 - und das im Jahre 100 des 1. Weltkriegs und im Jahre 75 des 2. Weltkriegs. Nach zwei Vernichtungskriegen, die von deutschem Boden ausgegangen sind und in denen die Wissenschaft eine verbrecherische Rolle gespielt hat. Nur eine Leseprobe sei gestattet über den Giftgas-Massenmörder Fritz Haber unter der Abschnittsüberschrift „»Soldaten der Wissenschaft« und »kriegsphysikalische Arbeiten«“:
Prof. Dr. Götz Neuneck
„Das kaiserliche Deutschland setzte nach Kriegsbeginn zunächst auf seine industrielle Stärke und gab der Kriegsproduktion den Vorrang. In der Folge wurden zunehmend Ingenieure und Chemiker in die industrielle Kriegsproduktion einbezogen. Aber auch zahlreiche Physiker beteiligten sich aktiv an konkreten Projekten. Insbesondere der erstarrte Stellungskrieg veranlasste manche berühmte Köpfe, dem Militär neue Ideen und Technologien zu präsentieren. Ein bekanntes Beispiel ist F. Haber, der zunächst mit dem Haber-Bosch-Verfahren die Herstellung von Ammoniak für Kunstdünger und Sprengstoff ermöglichte und schließlich mit der Herstellung und dem Einsatz der tödlichen Kampfgase Phosgen und Chlor im Jahre 1915 den Gaskrieg etablierte. Haber (privat ein enger Freund des Pazifisten Einstein) machte aus seiner patriotischen Gesinnung keinen Hehl: „Der Gelehrte gehört im Kriege wie jedermann dem Vaterland, im Frieden aber gehört er der Menschheit.“ Fritz Habers Gruppe war direkt am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie in Berlin angesiedelt, das zu einer „Gaskampfforschungsanstalt“ umfunktioniert wurde. Dort wurden u.a. Giftgas und Gasmasken entwickelt und getestet. Beim Chlorgaseinsatz in Ypern waren neben Haber auch die jungen Wissenschaftler O. Hahn und J. Franck beteiligt. Zu den Berliner Wissenschaftlern gehörten auch G. Hertz, H. Geiger und W. Westphal. Lise Meitner war als Röntgenschwester im Kriegseinsatz.“
Deutscher Giftgaskrieg in Ypern
Kein Sterbenswort in dieser Faktenbeschreibung über die 5000 Giftgastoten in Ypern. Kein Sterbenswort, dass Haber den modernen Massenmord persönlich überwacht hatte. Kein Sterbenswort, dass er diesen ultimativen Massenmord als Beitrag zur Verkürzung des Krieges verkaufte. Kein Sterbenswort darüber, dass seine Frau Clara Immerwahr, Chemikerin und Frauenrechtlerin, kurz nach diesem unerträglichen Ereignis keinen anderen Ausweg mehr als den Selbstmord mit Habers Dienstwaffe sah. Aber, wie Neuneck ausführlich beschreibt, viele bekannte Namen umgaben den Massenmörder, also kann er doch nicht so schlimm gewesen sein.
Menschenversuche im KZ Dachau
An fast allen Hochschulen gibt es im naturwissenschaftlich-technischen wie geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich Forschung für die modernen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die Listen werden regelmäßig aufgrund von Anfrage der Linkspartei im Bundestag und in Landtagen veröffentlich. Selbstverständlich haben diese Forschungen überhaupt nichts mit Krieg zu tun, sie dienen einer notwendigen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, die u.a. im gleichnamigen Fraunhofer-Netzwerk erforscht wird. Und wenn Hochschulen mit Pentagon-Finanzierung forschen, so ist das reine Grundlagenforschung. Dass mit dem wachsenden Drittmittelanteil, der teilweise die 50-Prozentmarke überschreitet, die für die Uni unerlässliche Freiheit mittels Rüstungs- und Wirtschaftsfinanzierung zerstört wird, ist ein Märchen der „militanten“ Friedensbewegung. In Wirklichkeit ist die Höhe der Drittmitteleinwerbungen ein Exzellenzmerkmal, also das Merkmal einer exzellenten Ehegemeinschaft. Das hat Ex-Forschungsministerin Frau Schavan jahrelang mit großem Elan praktiziert. Unglücklicherweise musste sie das Amt nach dem Verlust des Doktortitels abgeben, aber die Uni Lübeck hat sie mit einem Ehrendoktor entschädigt und Frau Prof. Dr. Wanka führt die Arbeit ihrer Vorgängerin im engen Zusammenwirken mit der Verteidigungsministerin exzellent fort.
Straßenschild
Plakat
Online-Flyer Nr. 473 vom 27.08.2014
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Inland
100 Jahre Wissenschaft, Wirtschaft und Militär auf deutschem Boden
Über eine Verlobung der besonderen Art
Von Dietrich Schulze
Unter dem furchtbaren Titel „Die Verlobung von moderner Wissenschaft, Industrie und Militär“ schwadroniert ein Prof. Dr. Götz Neuneck, Leiter der Interdisziplinären Forschungsgruppe Abrüstung, Rüstungskontrolle und Risikotechnologien am „Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ der Universität Hamburg, über Physiker im Ersten Weltkrieg in der renommierten Zeitschrift „Wissenschaft & Frieden“ 3/2014 - und das im Jahre 100 des 1. Weltkriegs und im Jahre 75 des 2. Weltkriegs. Nach zwei Vernichtungskriegen, die von deutschem Boden ausgegangen sind und in denen die Wissenschaft eine verbrecherische Rolle gespielt hat. Nur eine Leseprobe sei gestattet über den Giftgas-Massenmörder Fritz Haber unter der Abschnittsüberschrift „»Soldaten der Wissenschaft« und »kriegsphysikalische Arbeiten«“:
Prof. Dr. Götz Neuneck
Quelle: Uni Hamburg
Deutscher Giftgaskrieg in Ypern
Quelle: Uni Bayreuth
Wenn der Erste Weltkrieg „Die Verlobung von moderner Wissenschaft, Industrie und Militär“ war, so war der Zweite Weltkrieg „Die Hochzeit von moderner Wissenschaft, Industrie und Militär“, die in der fabrikmäßigen Judenvernichtung mit dem „modernen“ Giftgas Zyklon B und in kriegswichtigen Menschenversuchen in den Konzentrationslagern gipfelte und die vom Einsatz von Zwangsarbeitern geprägt war, wie z.B. im KZ Buchenwald für Wernher von Brauns V2-Rakete. Dann gab es, um im Neuneck-Bild zu bleiben, nach der Befreiung von Faschismus und Krieg eine gewisse Entfremdung in der Ehe von Wissenschaft, Industrie und Militär. Alle drei Säulen der Ehe waren mächtig in die Kritik geraten. Aber dann wurde zum Glück der Kalte Krieg organisiert, mit dem die Ehebande neu gekittet werden konnten. Mit einer gewissen Umbruchs-Periode in der 1968-Zeit „Unter den Talaren Muff von tausend Jahren“ (Anspielung auf das „tausendjährige“ Hitler-Reich) wurde die etwas kriselnde Ehe aber bald fertig und heute erblüht sie in alter Schönheit.
Menschenversuche im KZ Dachau
Quelle: Heisenberg-Gymnasium Karlsruhe
Ja nun gibt es diese leidige Zivilklausel-Bewegung, die diese erneut gefestigte „Ehe von moderner Wissenschaft, Industrie und Militär“ an vielen Unis attackiert, militärische Forschung ausschließen will und konkrete Friedensprojekte fordert. Und es kommt eine gewisse Unlust bei der Jugend hinzu, in den weltweiten deutschen bewaffneten Friedensdiensten gemäß der zitierten Haber-Weisheit für das Vaterland ins Gras zu beißen. Wen wundert es, wenn nun die Bundeswehr wegen der daraus resultierenden Nachwuchssorgen an Schulen und Hochschulen an der Heimatfront in die Offensive geht. In Baden-Württemberg ist dem SPD-Kultusminister mit einer pfiffigen Kombination von Bundeswehr-Kooperation für die Schulen und Friedenbildungs-Kooperation mit Teilen der Friedensbewegung ein geschickter PR-Gag eingefallen. Dass einige ewig Gestrige diese Methode als Mitmachfalle und Feigenblatt für die „friedensbewegten“ Jugendoffiziere an den
Schulen einstufen, das ist der Lauf der Welt.
Straßenschild
Dass allerdings ein leibhaftiger Professor der Uni Bremen in einer öffentlichen Veranstaltung in Karlsruhe die Umbenennung des „Fritz-Haber-Instituts“ (Nachfolger des o.g. Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie) verlangte, das ist schon ein starkes Stück. Und dass die Studierendenvertretung des Karlsruher Instituts für Technologie KIT unter Berufung auf Prof. Dr. Wolfram Thiemann allen Ernstes die Umbenennung des „Fritz-Haber-Wegs“ an der Uni (KIT Campus Süd) in „Clara-Immerwahr-Weg“ fordert, das passt der KIT-Obrigkeit überhaupt nicht. Denn schließlich pflegt sie die benannte Ehegemeinschaft in der konventionellen wie der atomaren Forschung mit zielstrebigen Kooperationen unter Einschluss von solchen für „Friedens“drohnen und Atom-U-Booten. Das alles würde mit einer solchen Umbenennung öffentlich in Frage gestellt.
Plakat
Die schon benannten Ewiggestrigen erinnern jedenfalls im Rahmen des Karlsruher Antikriegstags, der vom Friedensbündnis und dem DGB gestaltet wird, mit einer erneuten symbolischen Straßenumbenennung an den Studi-Beschluss (s. Straßenschild) und begründen das auch (s. Plakat).
Zwei Schlussbemerkungen:
• Aus Gründen der Eigenwerbung ist auf sämtliche Zitate verzichtet worden incl. einer Erklärung zum unteren Teil des Plakat-Textes. Alles kann in der informativen und knackigen Zivilklausel-Web-Dokumentation (s. Impressum) nachgelesen werden.
• Wer den Eindruck hatte, dass dieser Text mit Satire-Elemente durchsetzt ist, den darf ich beruhigen. Der „Friedensforscher“ Neuneck hat mich dazu mit seiner „Verlobung“ angestiftet. (PK)
Autor Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe. 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf) und ist heute deren SprecherInnenkreismitglied. Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit sowie in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“ und publizistisch tätig.
Online-Flyer Nr. 473 vom 27.08.2014
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