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Aktueller Online-Flyer vom 03. Dezember 2024  

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Lokales
Leitlinien für eine rekommunalisierte Wasserversorgung in Berlin
Zwischenbilanz des Berliner Wasserrates
Ulrike von Wiesenau

Die siebte Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates am 28. August 2014
erstellte eine Zwischenbilanz der Themen und Thesen aus der Arbeit des
direktdemokratischen Gremiums vom November 2013 bis zum Juni 2014.
Es ging dabei um die Grundsätze einer Wasserpolitik in Berlin für die
rekommunalisierten Berliner Wasserbetriebe, in ökonomischer, sozialer, ökologischer und rechtlicher Hinsicht. Es ging um die Frage nach der am besten geeigneten Eigentumsstruktur bzw. Rechtsform aus Sicht der Bürger- und Beschäftigteninteressen und um geeignete Formen der Bürgerbeteiligung, die echte Mitspracherechte gewährleisten und einer Mitmachfalle widerstehen.

Bürgereingaben für den Berliner Wasserrat
Alle Fotos: Michal Eliasson
 
Der Berliner Wassertisch hat zur inhaltlichen Verständigung der Akteure
und zur modellhaften Orientierung im September 2013 Grundsätze einer
künftigen Wasserpolitik im Entwurf einer "Berliner Wassercharta" vorgestellt, die im Laufe der Sitzungen durch inhaltliche Eingaben kontinuierlich bearbeitet wurde. Leitlinie der Wassercharta ist eine transparente, also ohne geheime Gremien arbeitende, sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und direkt-demokratische kommunale Wasserwirtschaft - eine erneute Privatisierung in welcher Spielart auch immer (Beteiligungsgesellschaften, mehrsektorielle „Stadtwerke“ und „Partnerschaften neuen Stils“, „Institutionalisierte öffentlich-rechtliche Partnerschaften“ (IÖPP) genannt) soll durch sie ausgeschlossen werden.

Bezüglich der Frage nach der am besten geeigneten Eigentumsstruktur und
Rechtsform für die rekommunalisierten Berliner Wasserbetriebe werden nach vergleichenden Studien privatrechtliche Eigentumsformen wie GmbH, gGmbH und AG von der grossen Mehrheit der Teilnehmenden abgelehnt. Zur Diskussion stehen somit die öffentlich-rechtlichen Formen einer Anstalt
öffentlichen Rechts (AöR), des Eigenbetriebes und des Regiebetriebes.
Entscheidende Kriterien sind: Während die AöR rechtsfähig und damit zu
selbstständigem ökonomischen Handeln ausgelegt ist, unterstehen
Eigenbetriebe der demokratischen Kontrolle durch das Parlament.

Bei den Berliner Wasserbetrieben ist aktuell die Anstalt öffentlichen
Rechts eingebettet in die eigens für die Teilprivatisierung konstruierte privatrechtliche Holding-Struktur, mit der öffentliches Recht weiterhin umgangen wird. Die Auflösung der immer noch bestehenden privatrechtlichen Strukturen wird von allen Teilnehmern gefordert. Die Rekommunaliserung darf nicht auf halber Strecke stehen bleiben; die von Finanzsenator Dr. Nußbaum im Senats-Papier "Voll-Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe/ Erwerb des Geschäftsanteils von Veolia an der RVB GmbH" vom 18.6.2013 in Aussicht gestellte Überführung der BWB in vollständig öffentliche Betriebe ist umgehend durch Auflösung der Holding/BBG/BWB REKOM-Struktur per Verordnung umzusetzen. Zur Zielstruktur für die Berliner Wasserbetriebe steht dort geschrieben:
"Nach dem Ausscheiden der privaten Anteilseigner werden die Berlinwasser Holding AG, die stillen Gesellschaften, die RWE Veolia Beteiligungs GmbH (RVB) und die BWB Rekom Berlin GmbH & Co KG nicht mehr benötigt, so dass  deren Einbringung in die BWB AöR angestrebt wird. Idealerweise werden im Ergebnis nur die BWB AöR und wenige Tochtergesellschaften verbleiben. Ein möglicher Weg wäre die Einbringung und Verschmelzung der Berlinwasser Holding AG, der RVB und der BWB Rekom in die BWB, die im Laufe des Jahres 2014 umgesetzt werden können." Der Berliner Wasserrat fordert: diese juristische "Verschmelzung“ sollte unverzüglich begonnen und bis zum 31. Dezember 2014 abgeschlossen werden.

Seit mehr als einem Jahr prüft die Beteiligungsverwaltung. Im Schriftverkehr des Sprecherteams mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung wurde uns am 18.7.2014 bestätigt: "Auch wenn das Land Berlin nunmehr 100%iger Eigentümer der BWB ist, wurde die Holdingstruktur und damit der Konsortialvertrag noch nicht aufgelöst und gelten damit unverändert fort. Eine Umstrukturierung bedarf intensiver Prüfung und Abwägung aller Konsequenzen. Daher können auch etwaige Fragen erst nach Abschluss des Prozesses von der Senatsverwaltung für Finanzen beantwortet werden." Der Berliner Wasserrat fordert die Abgeordneten, speziell die im Beteiligungsausschuß, auf, ihren Kontrollpflichten im Sinne des Gemeinwohls nachzukommen.

Bezüglich der geplanten Stadtwerke besteht Konsens in der Ablehnung der
Verbindung von Wasser und Strom („Strom im Wasser ist tödlich“), denn
Strommärkte sind nach EU-Regularien liberalisiert und unterliegen dem
Wettbewerb privater Anbieter, während Wasser als natürliches Monopol bisher dem transnationalen Wettbewerb noch weitgehend entzogen ist.
Eine gemeinsame Bewirtschaftung von Strom und Wasser könnte sich als
neues Einfallstor für Privatisierungen erweisen. Eine Alternative zu derart beschränkten Stadtwerken sind starke Stadtwerke in kommunalem Eigentum, die nur die Einwohnerschaft der Kommune aus selbst erzeugten Ressourcen beliefern. Der „Berliner Wasserrat“ ist sich zudem darin einig, dass Wasser außerhalb der EU-Konzessionsrichtlinie bleiben muss.

Erfahrungen der rekommunalisierten Pariser Wasserbetriebe für Berlin - Veranstaltung des Berliner Wassertisches im Berliner Abgeordnetenhaus am 23.4. 2014

Für Formen der Bürgerbeteiligung bei Betrieben der Daseinsvorsorge, die echte Mitspracherechte gewährleisten, gibt es derzeit keine Präzedenz- oder Referenzprojekte. Eine Bürgerbeteiligung ist bislang allenfalls auf
unverbindlich-beratende Funktion beschränkt. Das einzige realisierte Modell eines öffentlichen Betriebes mit Bürgerbeteiligung ist das "Observatoire Parisien de l’eau", von der ehemaligen Pariser Bürgermeisterin und Präsidentin der Pariser Wasserbetriebe, Anne Le Strat, gegründet, das auf der vierten Sitzung des Berliner Wasserrates detailliert vorgestellt wurde. Die Pariser Wasserbetriebe haben seit 2010 die einer deutschen AöR entsprechende Rechtsform EPIC. Durch einen Vertrag mit der Stadt Paris wurde 2010 das Observatoire als Gremium der Bürgerbeteiligung geschaffen, das kein Organ der Wasserbetriebe selbst ist, sondern ein Gremium der Stadt Paris. Es funktioniert in der Weise, dass sich jeder beteiligen kann und die Sitzungen öffentlich sind. Das Observatoire hat jedoch keine echten Entscheidungsbefugnisse, es fungiert als Beratungsgremium.

Der mit der Gründung des Berliner Wasserrates nicht mehr zu umgehenden Forderung nach Mitbestimmung bei einem zentralen Betrieb der öffentlichen Daseinsvorsorge wurde unterdessen auch in Berlin formal Rechnung getragen: Anfang Juli wurde auf der Website der BWB die Einrichtung eines im Losverfahren zu ermittelnden Kundenbeirates bei den BWB angekündigt, für den sich die BerlinerInnen bis zum 26. September 2014 bewerben können. Die
Kompetenzen dieses Kundenbeirates werden von den Teilnehmern des Berliner Wasserrates nach eingehendem Studium der Satzungsregeln
durchgängig als unzureichend bewertet.

Zur Analyse der Geschäftstätigkeit der Berliner Wasserbetriebe (BWB) stellte der Berliner Wasserrat folgendes fest: Die Gewinne des Unternehmens werden nie als solche ausgewiesen, sondern in den „kalkulatorischen Kosten“ versteckt, d.h. vor allem in den jährlichen Zinsverordnungen und den Abschreibungen und dem steigenden „betriebsnotwendigen Kapital“ (als Bemessungsgrundlage für die Preiskalkulation). 2012 trug die Zinsverordnung 135 Mio. Euro (74%) zum Gewinn bei. Bilanzen enthalten Abschreibungen, wie gesetzlich vorgeschrieben, nach Anschaffungs- und Herstellungskosten. Für die Preiskalkulation werden dagegen Abschreibungen nach
Wiederbeschaffungs-Zeitwerten angesetzt. Zwischen den realen Kosten und
den Kosten, die der Preiskalkulation zugrunde liegen, klaffen massive
Differenzen, hinter denen sich Gewinne verbergen, die bisher überwiegend
für die privaten Anteilseigner, jetzt für das Land Berlin (und die IBB Holding GmbH) ausgeschüttet werden. Da die Gewinne der öffentlichen Hand in den Landeshaushalt eingestellt werden, handelt es sich um eine in den Wasserpreisen enthaltene verdeckte Wassersteuer. Die politische Forderung des Berliner Wasserrates lautet: "Wasser zahlt Wasser“, d.h.: die Kalkulation der Wasserentgelte sind so zu halten, dass die realen Betriebs-Kosten der Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung, einschliesslich Investitionen des Substanzerhalts und technischen Fortschritts sowie Rücklagen als Risikovorsorge gedeckt sind. Die Abführung von Gewinnen an den Landeshaushalt lehnen die Akteure des Berliner Wasserrates ab.

Das vom Oberlandesgericht Düsseldorf ergangene Urteil im Verfahren der Berliner Wasserbetriebe gegen das Bundeskartellamt bestätigt alle Kritik, die der Berliner Wassertisch gegen die Teilprivatisierung der BWB erhoben hat, auf eine Revision vor dem Bundesgerichtshof hat das Land Berlin mittlerweile verzichtet. Demnach war das Bundeskartellamt berechtigt, von den Wasserbetrieben eine Senkung der Preise zu verlangen. In ihrer Untersuchung hatten die Wettbewerbshüter festgestellt, dass die Ursache für die hohen Trinkwasserpreise in Berlin vor allem der sehr hohe Ansatz von "kalkulatorischen Kosten" - d.h. die Höhe der Verzinsung, Art und Dauer der Abschreibungen - im Wasserpreis ist.

Zum Fragenkomplex Investitionen und Investitionsmonitoring liefert die im Auftrag der Stiftung Baugewerbe erstellte Studie „Anforderungen an eine nachhaltige Sanierung des Wasser- und Abwassersystems in Berlin – Elemente zur Entwicklung eines Investitionsmonitorings“ wichtige Fakten.
Dass mit den bestehenden Standards die Sanierung der Infrastruktur 300
Jahre dauern würde, während man für die beste Rohrqualität, Gusseisen aus der wilhelminischen Kaiserzeit, ca. 100 Jahre Lebensdauer zugrunde legen kann, ist ein Aspekt davon. Eine deutliche Übereinstimmung zur Studie der Stiftung Baugewerbe ergibt die parallel dazu vorgestellte betriebswirtschaftliche Analyse des Aussenhandelsökonomen Dr. Hermann
Wollner: Die scheinbare Effizienzersparnis durch Auftrags-Fremdvergabe führe zu realer Verteuerung. Das Unternehmen BWB kaufe teurer ein, was es selbst billiger leisten könnte – und versuche dies als "Effizienzersparnis“ auszugeben. Die Expertise verwies zudem auf das Problem der in die Investitionsbank Berlin abfließendern Gelder, auf Geld der Wasserkunden, welches für Investitionen bezahlt, aber nicht verwendet wurde.

In Bezug auf Investitionen und Kanalerneuerungsraten gilt im bundesweiten Vergleich, dass kleine Wasserversorger im Durchschnitt mehr als große investieren. Anforderungen an ein öffentliches Investitionsmonitoring aber gibt es bisher so gut wie gar nicht. Unternehmen betreiben vielmehr internes Monitoring und halten ihre Ergebnisse unter Verschluss. Doch es besteht ein öffentliches Interesse an der Herausgabe von Rohdaten zur Kontrolle öffentlicher Betriebe. Da Privatfirmen den Schutz ihrer sogenannten „Betriebsgeheimnisse“ genießen, besteht  ein umso größeres öffentliches Interesse daran, dass Daseinsvorsorge durch kommunale Betriebe erfüllt wird, die durch öffentliche Instanzen kontrolliert werden können. Es ist Aufgabe der
Bürgerinnen und Bürger, diese Kontrolle durchzusetzen. Konsens bestand darin, dass öffentliches Monitoring zu fordern und durchzusetzen ist, obwohl einheitliche Kriterien schwer zu ermitteln sind, weil in Deutschland im europaweiten Vergleich die größte regionale Zergliederung der Wasserversorgung besteht.

Zu den Problemen des Grundwassers wurde als spezielles Problem in Berlin
die zu hohen Grundwasserstände ausgemacht: für Gebäude-Eigentümer und
durch Kosten-Übertragung auch für Mieter sind nasse Keller und der
Feuchtigkeitsanstieg in Gebäuden eine massive Beeinträchtigung. Zum
Teil ein Problem des Wasserverbrauchsrückgangs schlägt der VDGN deshalb
die Einführung einer „flatrate“ beim Wasserpreis vor, und hält einen höheren Wasserverbrauch in einer Gegend mit eindeutigem Wasserüberschuss für unbedenklich und sogar wünschenswert, um zu hohe Grundwasserstände reduzieren zu helfen. Die Kritik an den Landesregierungen geht dahin, dass keine sich des Problems annimmt und die Suche nach einer Lösung unsinnigerweise den einzelnen Eigentümern als Eigenverantwortung aufgebürdet wird. Der VDGN hält nur eine umfassende öffentliche, länderweite Gesamtkonzeption für durchgängig und tragfähig.

Nach dieser Zwischenbilanz der Arbeitsergebnisse des Berliner
Wasserrates werden die Arbeitssitzungen der nächsten Monate weitere
zentrale Themenkreise erschliessen und die Konzeption eines Modells der
direkten Beteiligung an einem zentralen Unternehmen der Daseinsvorsorge
konkretisieren, das Leitbild für weitere Gremien der Bürgerbeteiligung
sein kann.(PK)
Ulrike von Wiesenau ist Expertin für direkte Demokratie und
Pressesprecherin des "Berliner Wassertisches". Die Mitbegründerin des
direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des
Berliner Wasserrates arbeitet als Beraterin von NGO´s, Organisationen,
Verbänden und Initiativen, die sie bei Öffentlichkeitsarbeit,
Kampagnenentwurf und politischer Konzeption unterstützt.


Online-Flyer Nr. 476  vom 17.09.2014

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