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Aktueller Online-Flyer vom 21. November 2024  

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Inland
Ehrlose Ehrendoktor-Farce der Uni Rostock - YES: Right Livelihood Award
Whistleblower Edward Snowden
Von Dietrich Schulze

Nicht jede Ehrung stellt sich in der Praxis als das heraus, wie das dem Titel nach den Anschein haben sollte. Den Friedensnobelpreis 2009 zum Beispiel hat der US-Kriegsfürst Barack Obama erhalten. Nach einem massenweisen völkerrechtswidrigen Mord an unschuldigen Zivilisten mittels ferngesteuerter Kampfdrohnen-Einsätze ist er gerade dabei, Syrien mit Kampfbombern zu „befrieden“. Die US-Bomben regnen allerdings auf syrische Infrastruktur und nicht wie öffentlich deklariert auf die IS-Mörder, die bekanntlich zuvor als „Freiheitskämpfer“ aufgebaut worden waren und die gerade dabei sind, in Kobanê einen Massenmord an zehntausenden syrischen Kurden, Muslimen, Juden, Christen und Jesiden in der autonomen Region Rojava zu begehen.
 

Edward Snowden
Quelle: crashonline.de
Es gibt Grund zur Solidarität aber nicht zum Verzweifeln. Auch in der großen Politik gibt es positive Erscheinungen. Vor einer Woche hat Edward Snowden, das beherzte und mutige Symbol gegen staatlichen Überwachungswahn, den Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) erhalten. Diese weltweit höchste alternative Würde steht ihm voll zu. Davor schon hatte er hierzulande den Whistleblower-Preis, den Stuttgarter Friedenspreis und den "Fritz-Bauer-Preis“ der Humanistischen Union erhalten. Und die Universität Rostock war monatelang positiv in den Schlagzeilen wegen der Absicht, ihm die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Eine einzige Gruppierung - die „Kritische Uni Rostock“ - macht schon seit geraumer Zeit darauf aufmerksam, dass diese Würde von der Uni-Obrigkeit als PR-Gag organisiert worden ist. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Edward Snowden kann sich glücklich schätzen, dass ihm der „Ehrendoktor“ dieser verdächtigen Universität erspart geblieben ist.

Der Alternative Nobelpreis war die beste Antwort auf diese ehrlose Ehrendoktor-Farce. Bitte hören und sehen Sie das Guardian-Video [1a], in dem Edward Snowden mitteilt, dass er die Auszeichnung im Namen all derer annimmt, die ihr Leben gegen rechtswidrige und unverhältnismäßige Massenüberwachung riskiert haben. Er betrachtet diese Auszeichnung als Rechtfertigung für derartige Bemühungen auch in der Zukunft. Snowden ist außerdem für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden. Das wäre für den von den USA als Hochverräter Verfolgten ein wesentlicher Sicherheitsgewinn und eine indirekte Selbstkorrektur des Nobelpreis-Komitees für die Entscheidung, Barack Obama den Friedensnobelpreis verliehen zu haben, einen Friedenspreis nicht für erwiesene Taten, sondern für die (vergebliche) Hoffnung auf eine Änderung der US-Kriegspolitik.

Werden in Rostock „Snowden-Inhalte“ gelebt?
 
Eine starke Behauptung, Rostock als „verdächtige“ Universität zu bezeichnen. Schauen wir uns die Fakten an. Die „Kritische Uni Rostock“ [1] hatte die obige Frage untersucht und auf eine Podiumsdiskussion im Januar 2014 mit dem Gießener Politikwissenschaftler Claus Leggewie und dem Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele verwiesen, beides Unterstützer des Ehrendoktor-Ansinnens. Sie gaben der Uni mahnende Worte mit auf den Weg: „Wer Snowden ehrt, muss auch Snowden-Inhalte leben“, sagte Leggewie damals. Auch Ströbele war der Ansicht, dass die Universität mit der Initiative für eine Snowden-Ehrung hohe Ansprüche an sich selbst formuliere. „Eine kritische Befragung von wissenschaftlichen Inhalten (…) muss an Universitäten immer möglich und willkommen sein“ [2]. Inwiefern wird diese Mahnung befolgt? Lesen sie selbst.
 
Uni Rostock an Geheimdienst-Software-Kooperation beteiligt
 
Mitte August wird in der taz [3] der Vorwurf veröffentlicht, die Universität Rostock sei an der Entwicklung deutscher Spionagesoftware beteiligt. Einer der Lieferanten sei laut Bundesinnenministerium auf eine Linken-Anfrage das „Institut für grafische Wissensorganisation (Grawis) an der Universität Rostock“. Die Uni-Sprecherin bestreite eine Mitwirkung an den Ausspähplänen. Die Darstellung des Innenministeriums sei „nicht korrekt“. Zwar sei Grawis 2011 von Studenten gegründet worden. Heute agiere das Institut aber „völlig eigenständig“. 
 
Laut einem Offenen Brief der „Kritischen Uni Rostock“ [1] habe jedoch Grawis-Mitbetreiber Stefan Pforte gemeinsame Förderanträge für Forschungsvorhaben mit der Universität eingeräumt, ebenso wie Verhandlungen mit der Bundeswehr über eine Zusammenarbeit. Eine „institutionelle Bindung“ gebe es aber nicht, meint Pforte, und eine Überwachungsfunktion seines Programms weist er von sich. Es gehe nur um die Visualisierung von Daten. taz verweist darauf, dass die Autoren des Offenen Briefes das anders sehen. „Es geht hier nicht um einen Deal mit der Heilsarmee. Das Programm soll genutzt werden, um nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu gewinnen.“
 
Die „Kritische Uni Rostock“ drückt den Kern des Problems so aus: „Laut der Süddeutschen Zeitung vom Mai »BND will soziale Netzwerke live ausforschen« [4] verweist der deutsche Auslandsgeheimdienst darauf, dass befreundete Nachrichtendienste aus dem Ausland methodisch viel weiter seien als der BND …. Diese freche Verdrehung der Lehren aus den Snowden-Enthüllungen zeigt deutlich, dass Geheimdienste strukturell permanent die Freiheitsrechte bedrohen.“
In der Kleinen Anfrage der LINKEN im Bundestag zum Thema „Neue digitale Überwachungsmethoden“ Drs 18/2613 vom 18. September 2014 [5] lautet Frage 21 b, c: „Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einer Darstellung der Universität Rostock, die dem Schreiben des BMI vom 22.07.14 hinsichtlich einer Kooperation mit dem Institut für grafische Wissensorganisation (Grawis) widerspricht (taz 15.08.14)? Welche gemeinsamen Förderanträge der Universität Rostock mit dem Grawis sind der Bundesregierung bekannt?“. Da braucht man wenig Phantasie, wie die Antworten der Bundesregierung ausfallen werden.
 
MV-Minister Brodkorb lehnt Snowden-„Ehrendoktor“ ab
 
Seit Anfang September steht fest, dass sich der Rektor der Uni Rostock Wolfgang Schareck mit seinem Veto durchgesetzt hat. Snowden habe keine originär wissenschaftliche Leistung erbracht. Die Befürworter hatten für die Ehrung von Snowden und gegen diese unhaltbare Ablehnungsbegründung eine Reihe von bedeutenden Gutachten erstellen lassen. Das mit Abstand wichtigste wurde von dem weltweit bekanntesten unabhängigen Intellektuellen und Friedenswissenschaftler Noam Chomsky erstellt, der bereits gegen den von den USA angezettelten Vietnamkrieg aufgetreten war. In den konservativen Medien der USA wird Chomsky in der Kategorie „most wanted man“ in einer Reihe mit Snowden und Manning genannt.

Der Autor hatte das Glück, Noam Chomsky bei seinem Vortrag am 30. Mai 2014 in Karlsruhe erleben zu können: ZKM-Video on speech [7a] and discussion [7b]. Dazu erstellte der Autor einen Bericht unter dem Titel "Friedenstreffen mit Noam Chomsky", der in der Neuen Rheinischen Zeitung veröffentlicht wurde [8].
 
 

Noam Chomsky
Quelle: BNN DER SONNTAG, 25. Mai
Seither gibt es über einen engen Vertrauten und Freund von Mr. Chomsky eine diskursive Verbindung zur Thematik Rostock-„Ehrendoktor“, der damals bereits aufgrund von Hintergrund-Informationen als gescheitert angesehen wurde.
Am 21. August gab es einen taz-Leserbrief [7] der medienwirksam bekanntesten Initiatorin der „Ehrendoktor“-Verleihung Gesa Mackenthun zur Kritik an der Geheimdienst-Kooperation, die sie mit den Worten abtat; „Die Geisteswissenschaften sind jedoch kein Reparaturservice für die Verfehlungen wildgewordener Geheimdienste.“
Am 19. September habe ich mir unter Bezug auf diesen taz-Leserbrief erlaubt, einen mit zahlreichen Zitaten versehenen Offenen Brief [8] an Frau Mackenthun mit zwei Alternativ-Vorschlägen zu richten:
 

Gesa Mackenthun
Quelle: Uni Rostock
A.        Beenden Sie die Snowden-Ehrungs-Farce, weil auch die Klage gegen den vom Minister bestätigten unsinnigen Rektorwiderspruch eine Farce ist. Sorgen Sie möglichst zusammen mit dem Rektor und dem Minister für eine angemessene Entschuldigung bei den von Ihnen bemühten Experten, insbesondere bei Prof. Noam Chomsky. 
B.        Korrigieren Sie Ihre Position und setzen sich dafür ein, dass die Geheimdienst-Kooperation der Universität beendet wird, ebenso wie die Bespitzelung von Studierenden und auch die anderen Verstöße gegen die Zivilklausel beendet werden.
 
Wohlgemerkt, die Angeschriebene ist Prodekanin für Forschung. In der wenig überraschenden Antwort wiederholt sie die Position im taz-Leserbrief und hat mich zu einem Kurzkommentar darüber veranlasst, was das um Himmels willen alles zu bedeuten hat. Hier mein Text [9]:
 
Die Ehrendoktor-Farce der Uni Rostock

Wenn ich mir die gesamte Story betrachte, beginnend mit der gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit von Rektor und Prodekanin für den Snowden-Ehrendoktor, dann der windige Rektorwiderspruch und schließlich die eilfertige Ministerbestätigung und jetzt noch die nervöse, überhebliche, die Zivilklausel´ignorierende GM-Antwort, dann kann ich die Vermutung eines PR-Gags wie der „Kritischen Uni“ jetzt erst voll verstehen. Das Ganze ist scheinbar ein abgekartetes Spiel mit verteilten Rollen von Beginn an. Die Prodekanin ist das Vorzeigesymbol der Freiheit, der Rektor der scholastisch argumentierende Pragmatiker und der Minister richtet sich nach dem Uni-Obersten, dem Rektor. Aus der Sache wird zwar schließlich nichts, aber es bleibt doch ein gewisses positives Image haften. Von dem was Hans-Christian Ströbele in einer öffentlichen Podiumsdiskussion am 20. Januar vor 1000 Studierenden zur Bedeutung von Snowdens Veröffentlichungen für Wissenschaft, Demokratie und den Grundrechten der Bürger sagte, will niemand von der Uni-Obrigkeit etwas in der eigenen Praxis wissen. Die Zivilklausel, die nicht zufällig den Text der Tübinger Zivilklausel hat, wird in Rostock ebenso wie in Tübingen als zu ignorierendes Aushängeschild gesehen, gegen das umstandslos verstoßen wird, wie Beispiele in Rostock und aktuelle in Tübingen beweisen. Die Rostocker Friedensbewegung, die Gewerkschaften und der AStA sollten sich überlegen, wie sie die „Kritische Uni“ unterstützen und ehren können, ohne deren Wirken der ganze Schmuh überhaupt nicht verstanden werden konnte.

AStA der Uni Rostock zur „Causa Snowden“

Seit 6 Jahren arbeite ich bundesweit eng mit Studierendenvertretungen und ASten der Hochschulen gegen die Militarisierung der Bildung zusammen (siehe Impressum), insbesondere natürlich mit der Uni Karlsruhe (heute KIT), wo ich wohne und studiert habe. Deswegen war für mich von Interesse, was der AStA der Uni Rostock zu den Problemen sagt. Hier das traurige Ergebnis [12]:

„Als Allgemeiner Studierendenausschuss der Uni Rostock (AStA) bekommen wir häufig Anfragen, mit der Forderung Stellung zur Causa Snowden zu nehmen. Als ein Organ der gesamten Studierendenschaft, ist es schwierig bei einem so großen Thema, wie es der Fall Snowden ist, für eine einheitliche Meinung zu stehen. Die Philosophische Fakultät hat im Vorfeld des Verfahrens eine Umfrage unter den Studierenden der Fakultät durchgeführt, mit der sie die Frage, ob Snowden die Ehrendoktorwürde bekommen sollte oder nicht, beantworten lassen hat. Das Ergebnis fiel sehr knapp aus, sodass nur 51 Prozent der Studierenden der Philosophischen Fakultät für eine Verleihung der Ehrendoktorwürde stimmten. Das sehr knappe Ergebnis zeigt unseren Interpretationen nach, dass die Einstellungen zu der Snowden-Frage unter den Fakultätsangehörigen sehr divergieren. Auch aus diesem Grund behält sich der AStA der Universität Rostock vor, keine konkreteren Stellungen zur Causa Snowden zu nehmen. Wir vertreten die gesamte Studierendenschaft, und die Haltungen der Studierenden reichen von totaler Zustimmung bis zu totaler Ablehnung, daher würden wir nach unserer Auffassung unserer Aufgabe nicht gerecht werden, wenn wir nur eine Haltung öffentlich vertreten würden.“
 
Die Idee, bei allen Studierenden eine Umfrage zu machen, hätte womöglich eine für die Obrigkeit unangenehme überwiegende Zustimmung zur Folge gehabt. Und zu der gegen die Zivilklausel verstoßenden Geheimdienst-Kooperation konnte ich kein Sterbenswort finden.
 
Kurze Reaktion von Noam Chomsky
 
Dank der raschen und kompetenten Übersetzung von Lothar Letsche konnte ich den Offenen Brief in englischer Fassung [8] direkt an Noam Chomsky richten. Sein trockener Kurzkommentar [11]: „Sorry to hear this. Had hoped for better.” Ja, lieber Prof. Chomsky, Ihre Enttäuschung ist verständlich. Ihr Gutachten für die Uni Rostock hat dennoch einen bleibenden Wert für die Weltöffentlichkeit. Ich bleibe dabei: Edward Snowden kann sich glücklich schätzen, dass ihm der „Ehrendoktor“ dieser verdächtigen Universität erspart geblieben ist. Er hat Besseres verdient und bekommen. (PK)

[1a] http://www.theguardian.com/world/video/2014/sep/25/edward-snowden-sweden-alternativenobel-prize-video
[1] http://kritischeunihro.blogsport.de/2014/08/14/trotz-snowden-uni-rostock-kooperiert-mit-bundeswehr-und-bnd-bei-internet-ueberwachung/
[2] http://www.presseportal.de/pm/59019/2645176/neues-deutschland-snowden-ehrung-leggewie-und-stroebele-mahnen-uni-rostock-zu-mehr-offenheit
[3] http://www.taz.de/!144255/
[4] http://www.sueddeutsche.de/digital/auslandsgeheimdienst-bnd-will-soziale-netzwerke-live-ausforschen-1.1979677
[5] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/026/1802613.pdf
[6] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20140601.pdf
[7a] https://www.youtube.com/watch?v=K_Z9bsIsANw

[7b] https://www.youtube.com/watch?v=Av8uFvDTvw4
[7] http://kritischeunihro.blogsport.de/2014/08/21/nach-taz-artikel-prof-mackenthum-schreibt-leserinnenbrief/
[8] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20140919.pdf
     english http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20140919en.pdf  
[9] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20140919gm.pdf
[10] http://www.asta.uni-rostock.de/presse/pressemitteilungen/
[11] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20140920.pdf
 
Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe. 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit sowie in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“ und publizistisch tätig.
 


Online-Flyer Nr. 478  vom 01.10.2014

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