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Lokales
Biografie der neuen Kölner Karls-Preis-Trägerin Evelyn Hecht-Galinski
"1972 kam der Glücksfall meines Lebens"
Von Peter Kleinert
Am vergangenen Sonntagabend wurde die Israel-kritische Autorin und Schriftstellerin Evelyn Hecht-Galinski in der Alten Feuerwache mit dem vierten Kölner Karls-Preis ausgezeichnet. In meiner Einführungsrede habe ich sie zahlreichen begeisterten ZuschauerInnen aus Deutschland und Palästina mit wesentlichen Teilen ihrer Biografie vorgestellt.
Evelyn Hecht-Galinski und ihr Ehemann Benjamin Hecht
Peter Kleinert
Auftritt des Musikers, Malers, Schriftstellers und Islamwissenschaftlers Anis Hamadeh
Online-Flyer Nr. 478 vom 01.10.2014
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Lokales
Biografie der neuen Kölner Karls-Preis-Trägerin Evelyn Hecht-Galinski
"1972 kam der Glücksfall meines Lebens"
Von Peter Kleinert
Am vergangenen Sonntagabend wurde die Israel-kritische Autorin und Schriftstellerin Evelyn Hecht-Galinski in der Alten Feuerwache mit dem vierten Kölner Karls-Preis ausgezeichnet. In meiner Einführungsrede habe ich sie zahlreichen begeisterten ZuschauerInnen aus Deutschland und Palästina mit wesentlichen Teilen ihrer Biografie vorgestellt.
Evelyn Hecht-Galinski und ihr Ehemann Benjamin Hecht
Alle Fotos: arbeiterfotografie.com
Liebe Freunde und Freundinnen der Neuen Rheinischen Zeitung. Ich bin richtig glücklich, dass ich Euch nach meiner etwas komplizierten Flugreise von der türkischen Datca-Halbinsel, wo ich ja seit 9 Jahren als Journalisten- und Filmemacher-Rentner die NRhZ – honorarfrei unterstützt von zahlreichen Autoren und Autorinnen – die NRhZ per Internet herausgebe, Evelyn Hecht-Galinski vorstellen kann. Warum sie heute den vierten Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik nach Werner Rügemer (2008), Wolfgang Bittner (2010) und Rolf Gössner (2012) mit Recht erhält, werden Euch die nächsten Redner sagen. Ich will Euch einiges über die Biografie dieser mutigen Tochter des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland erzählen, das man kaum in der Öffentlichkeit findet.
1949 in Berlin geboren besuchte sie dort einen Kindergarten der Pestalozzi-Fröbel-Stiftung und die Waldorfschule. "Mich störte schon in frühester Jugend, dass sich im Jüdischen Jugendzentrum alles um Israel drehte, mit Hatikva- und Horah-Tanzen", hat sie mir erzählt. "Deshalb nabelte ich mich schnell vom 'Jüdischen Gemeindeleben' ab. Hatte eigentlich immer nichtjüdische Freunde, die ich selbstverständlich überallhin mitnahm, auch zu allen 'Jüdischen Festivitäten' mit. Ich hatte das große Glück, in einem toleranten Hause, voll integriert in der Berliner Gesellschaft aufzuwachsen. Im Gegensatz zu vielen anderen Juden, die immer 'inzüchtig' erzogen wurden! Mein Vater war im Gegensatz zu vielen anderen Gemeindemitgliedern voll integriert im nichtjüdischen Alltag! Deshalb kann ich auch so schreiben, wie ich es mache!"
Nach der mittleren Reife ging sie für ein Jahr nach New York an das Queens College, um Englisch zu lernen. Dort lebte sie allerdings in einem furchtbaren Haushalt. Es war der eines ehemaligen KZ-Kameraden ihres Vaters und seine Familie redete den ganzen Tag nur über Auschwitz. Da bekam sie das Grausen und entdeckte New York allein, um dem zu entfliehen. "Auch hier zeigte sich wieder, wie tolerant meine Eltern auf Vorwürfe der Familie über mich reagierten und mich voll unterstützen", sagt sie. Nach diesem Jahr in New York kam sie zurück nach Berlin, hatte Interesse am Journalismus, sollte aber nur im Springer Verlag ein Volontariat annehmen, was sie ablehnte. "Ich war selbstverständlich gegen die Israel-Freunde bei Springer", sagt sie, "und hasste sie auch für ihre Dutschke- und RAF-Hetze. Ich beteiligte mich damals an Anti Springer-Demonstrationen und ging im Republikanischen Club ein und aus. Übrigens hieß mein erster Hund als Kompromiss auch "Dutschi", obwohl ich ihn 'Dutschke' aus Verehrung für diesen nennen wollte, mein Vater aber nicht mit 'Dutschke' spazieren gehen wollte! Ich bin von zu Hause aus sehr politisch erzogen worden und wir hatten so gut wie alle deutschen Zeitungen zum Lesen daheim."
Von ihrer Kindheit an sah und hörte Evelyn Politisches Kabarett, was sie auch "stark geprägt" habe, und "als Ausgleich" habe sie "schon immer Klassische Musik und Opern geliebt und daher auch sehr gern die Feuilletons gelesen". Als Jugendliche entschied sie sich noch für eine andere Leidenschaft, die Mode. Sie wurde Volontärin in einer bekannten Kleiderfirma in Berlin, und ihre Chefin vertraute ihr gleich den Stoff- und Zutateneinkauf an, damit sie Einrichterin würde. Nach 3 Jahren wurde ihr diese Arbeit aber körperlich zu schwer und sie hörte damit auf.
"Mit 23 Jahren, kam 1972 der Glücksfall meines Lebens", so Evelyn. "Ich lernte in Berlin meinen Mann Benjamin Hecht kennen und wusste von Anfang an, das ist der Mann meines Lebens." Das teilte sie ihren Eltern sofort nach ihrem ersten Treffen mit. Nach nur 3 Monaten heirateten sie und Evelyn zog zu ihrem Mann nach Düsseldorf. Dort arbeitete sie zuerst in einem der elegantesten Modegeschäfte Düsseldorfs auf der Kö, weil sie keine Möglichkeit hatte als Einrichterin in Düsseldorf zu arbeiten. Nachdem ihr Mann sich von seinem Kompagnon getrennt hatte, kam sie in seine Firma und war dort auch als Designerin tätig. "Das war eine wunderbare Zeit, die uns schon damals unzertrennlich zusammenschweißte! Wir waren immer ein Dream-Team, das sich alles selbst und allein erarbeitet hat. Diese Unabhängigkeit machte uns frei, so zu agieren, wie wir es für nötig hielten." Gemeinsam mit ihrem Ehemann führte sie viele Jahre einen Textilvertrieb namens Hecht-Design. Seit ihrem gemeinsamen Rückzug ins Private leben sie im südbadischen hinteren Kandertal und genießen diese Toskana Deutschlands in der Nähe zu Frankreich und der Schweiz. Sie haben keine Kinder. Der Berg, unter dem sie bei Badenweiler im Südschwarzwald leben, heißt "Hochblauen", weshalb die etwa 250 mutigen Kommentare, die Evelyn seit Dezember 2009 für uns schreibt, in der Oberüberschrift meistens "Kommentar vom Hochblauen" heißen. Den ersten hatte sie dem Freiherrn Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester von und zu Guttenberg, der zunächst CSU-Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und danach bis 2011 "der Verteidigung" war, unter dem passenden Titel "Der Lügenbaron" gewidmet.
Peter Kleinert
Schon in Düsseldorf, noch zu Lebzeiten ihres Vaters, opponierte sie gegen die Jüdische Gemeinde, die damals Zensur übte und z.B. die Aufführung des Theaterstücks "Die Palästinenserin" des israelischen Dramatikers und Schriftsteller Joshua Sobol im Düsseldorfer Schauspielhaus verhinderte. Sie schrieb Leserbriefe dagegen, wurde in der WDR-Landesschau mit einem kritischen Interview gegen den damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde vorgestellt. Schließlich gingen die Düsseldorfer mit dem Dramaturgen, Theaterkritiker, Theaterintendanten und Filmproduzenten Volker Canaris ins Asyl im Bonner Schauspielhaus! Aus Dank waren sie Ehrengäste bei der Premiere in Bonn! "Mein Vater stand damals voll hinter mir", sagt Evelyn. "Auch wenn ich oft Diskussionen mit ihm hatte, konnte ich mit ihm wenigstens diskutieren. Ich war natürlich auch für die Aufführung des Theaterstücks des von mir hoch verehrten Rainer Werner Fassbinder 'Der Müll, die Stadt und der Tod'. Nach dem Tod meines Vaters Heinz Galinski (geboren am 28. November 1912 in Marienburg, Westpreußen, gestorben am 19. Juli 1992 in Berlin) – er war der erste und vierte Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland – nahm ich meinen Doppelnamen an, solange das noch ging, und trat aus der Religionsgemeinschaft aus, da ich schon als Kind nichts mit Religion am Hut hatte!"
Nach Heinz Galinskis Tod ging die Berliner Gemeinde den Bach herunter und versank in Streit und Korruption. Tochter Evelyn schrieb damals viele Leserbriefe wegen nicht koscherer Immobilienspekulationen zum Schaden von Glaubensgenossen und wirbelte damit jede Menge Staub auf. Mit dieser jüdischen Gemeinde sei "kein Staat mehr zu machen, ein Glück, dass das mein Vater nicht mehr erleben musste!" Auch frühe Israel-Besuche mit ihren Eltern haben sie stark geprägt - mit der Abneigung gegen dieses Land. "Mir gefielen weder die "Chuzpe" (das Wort für "Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit“) noch der arrogante Umgang mit den dort lebenden Palästinensern. Kurz gesagt: ich lernte dazu, schrieb viele kritische Leserbriefe gegen die israelische Politik, bildete mich weiter und las viel. Besonders das Buch von Ilan Pappe, die "Ethnische Säuberung Palästinas" öffnete mir total die Augen!
Inzwischen bin ich kompromisslos geworden, und die ganze 'Weichspülerei der Israelkritik' ist mir zuwider. Nicht umsonst werde ich heute so oft kopiert und bekomme inzwischen so viel Zuspruch! In meinem Mann habe ich die große Stütze, die mich bestärkt in meinem Weg", so Evelyn. Ihr Vater hatte der jüdischen Gemeinde 43 Jahre lang vorgestanden. Nach Wahlen alle vier Jahre, die er trotz aller Anfeindungen von jüdischer Seite bravourös überstand! Zitat von Evelyn in einer E-Mail: "Du siehst, die meisten und übelsten Anfeindungen kommen immer von der eigenen Seite, auch das verbindet mich mit meinem Vater." (PK)
Online-Flyer Nr. 478 vom 01.10.2014
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