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Aktueller Online-Flyer vom 16. April 2024  

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Medien
US-Hardliner fordert in der FAZ aggressiveres Vorgehen gegen Russland:
Eine Monroe-Doktrin für Osteuropa
Von Hans Georg

Die NATO soll ihren Hegemonialanspruch auf Osteuropa und den Südkaukasus mit einer neuen "Monroe-Doktrin" reklamieren. Diese Forderung stellt einer der führenden deutschen Tageszeitungen, die FAZ, zur Diskussion. Demnach lägen Länder wie etwa die Ukraine, Moldawien und Georgien "in einer gefährlichen Grauzone". Man müsse ihnen unabhängig von der Frage einer NATO-Mitgliedschaft einen Status verleihen, der alle "Versuche einer außenstehenden Macht", ihre "Souveränität ... zu untergraben", zu einer Aggression "gegen die westliche Allianz" erkläre und für diesen Fall Maßnahmen "knapp" unterhalb der NATO-Beistandsklausel vorsehe.

US-Journalist, Hardliner und FAZ-Autor James Kirchick
Quelle: http://rt.com/op-edge/meet-true-journalists-kirchick-924/
 
Autor des Meinungsbeitrags ist der US-Journalist James Kirchick, der Ansichten außenpolitischer Hardliner in den Vereinigten Staaten vertritt und in deutschen Medien schon mehrfach Raum zur Darstellung seiner Positionen erhalten hat. Seine Beiträge stärken die Position deutscher Hardliner, die ihrerseits ein aggressives Vorgehen gegen Russland fordern und sich damit gegen die aktuelle Regierungspolitik wenden. Außenminister Steinmeier hat am 2.11. zum wiederholten Mal erklärt, es sei "wichtig, dass wir damit beginnen, über die Kriterien für Sanktionserleichterungen zu diskutieren". Das habe er "auch im EU-Außenministerrat angeregt".
 
Der NATO-Hegemonialanspruch
 
Die NATO soll ihren Hegemonialanspruch auf Osteuropa und den Südkaukasus mit einer neuen "Monroe-Doktrin" reklamieren, fordert James Kirchick in einem Beitrag in der Internet-Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".[1]
Als "Monroe-Doktrin" wird allgemein der Anspruch der USA bezeichnet, Mittel- und Südamerika unterstünden ihrer Hegemonie; die Staaten Europas dürften diese nicht zu untergraben versuchen. Der Anspruch ist vom damaligen US-Präsidenten James Monroe am 2. Dezember 1823 in einer "Rede zur Lage der Nation" formuliert worden und damals Ausdruck eines sich abzeichnenden Einflusskampfs zwischen den langsam erstarkenden Vereinigten Staaten und den alten europäischen Mächten gewesen, bei dem es um die Verteilung globaler Einflusssphären ging. Kirchick versucht sich nun an einer anderen Interpretation. Demnach habe Washington mit der "Monroe-Doktrin" lediglich "einen Raum für die lateinamerikanischen Nationen" geschaffen, "in dem diese über ihr eigenes Schicksal entscheiden konnten".[2] Die kreative Umdeutung der Monroe-Doktrin erstaunt nicht zuletzt mit Blick auf die bis in die Gegenwart anhaltende direkte Einmischung der USA in Lateinamerika, die bis zur Unterstützung von Putschen (etwa in Honduras 2009) und Putschversuchen (etwa in Venezuela 2002) gegen demokratisch gewählte Regierungen reicht und nicht vom Respekt für die Entscheidung der dortigen Bevölkerungen über ihr "eigenes Schicksal" motiviert ist.
 
Knapp unter der Beistandsklausel
 
Wie Kirchick in seinem aktuellen Beitrag schreibt, den die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" jetzt zur Diskussion stellt, müsse nun ein identischer Anspruch auf die Länder erhoben werden, "die zwischen der Nato und Russland liegen". Diese Länder - Kirchick nennt die Ukraine, Moldawien und Georgien - befänden sich "in einer gefährlichen Grauzone, einer Zone des Streites zwischen West und Ost" und nur "durch einen geografischen Nachteil außerhalb der Nato-Allianz". Das westliche Kriegsbündnis könne ihnen gegenwärtig keine Vollmitgliedschaft anbieten; deshalb solle man auf sie "etwas anwenden, das der Monroe-Doktrin gleicht". Das könne "so formuliert werden", dass "Versuche einer außenstehenden Macht, die Souveränität dieser Staaten zu untergraben", als ein unfreundlicher Akt "gegen die westliche Allianz gewertet" würden.[3] "In der Praxis" liege das "knapp" unterhalb der NATO-Beistandsklausel, die sämtliche NATO-Mitglieder zum Kriegseintritt auf der Seite eines anderen, angegriffenen Mitgliedstaates verpflichtet. Für den aktuellen Konflikt um die Ukraine hätte das "bedeutet, dass sofort schmerzhafte Sanktionen gegen Russland verhängt worden" wären; zudem wäre Moskau "umgehend diplomatisch komplett isoliert" worden, erläutert Kirchick.
 
Strategische Differenzen
 
Kirchicks FAZ-Beitrag erscheint zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung sich um eine schrittweise Rücknahme der Sanktionen gegen Russland bemüht. Hintergrund sind Interessen deutscher Firmen am Russland-Geschäft und vor allem am Zugriff auf die riesigen russischen Erdgasvorkommen [4], aber auch strategische Erwägungen. So hat kürzlich Horst Teltschik, einer der einflussreichsten Berater des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, darauf gedrungen, "die Beziehungen zu Russland langfristig" zu sehen: Man müsse sich entscheiden, ob man "ein ungebundenes Russland" haben wolle oder "ein Russland, das Teil Europas ist" - also einen weltpolitischen Rivalen oder einen locker verbundenen Kooperationspartner. Teltschik plädiert explizit für Letzteres.[5] Ähnlich haben sich inzwischen alle drei noch lebenden Ex-Bundeskanzler geäußert. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bereits vor zwei Wochen eine Debatte über die Beendigung der Sanktionen gegen Russland gefordert: "Auch wenn jetzt noch nicht der Zeitpunkt für eine Aufhebung ist, müssen wir uns Gedanken machen, wie es weitergehen soll."[6] Am 3.11. hat er erneut erklärt, es sei "wichtig, dass wir damit beginnen, über die Kriterien für Sanktionserleichterungen zu diskutieren"; das habe er "auch im EU-Außenministerrat angeregt".[7]
 
Krieg mit Russland "real möglich"
 
Diese Position ist im bundesdeutschen Polit-Establishment genauso umstritten wie in den Vereinigten Staaten. Auf deutscher Seite hat Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, unlängst eine gegensätzliche Auffassung vertreten. "Die Bundesregierung wird sich jetzt eine Eskalationsstrategie einfallen lassen müssen", hatte er erklärt und "verschärfte, effektive Wirtschaftssanktionen" wie einen Öl- und Gasboykott sowie die Entsendung "signifikanter westlicher Truppen" in die baltischen Staaten, nach Polen und nach Rumänien gefordert. "Auch sollten Waffenlieferungen westlicher Staaten an die Ukraine kein Tabu mehr sein", verlangte Krause. Womöglich schon "in wenigen Jahren" sei ein "Krieg zwischen Russland und dem Westen ... eine reale Möglichkeit".[8] Umgekehrt polemisiert der US-Journalist Kirchick, den die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nun mit seinem Beitrag Deutschlands außenpolitische Hardlinerfraktion unterstützen lässt, massiv gegen die aktuelle US-Administration. Präsident Barack Obama habe es Russland "unbeabsichtigt" gestattet, "die Souveränität der Ukraine" zu verletzen, heißt es in seinem Beitrag.[9] Kirchicks Positionen völlig entgegengesetzt ist auch "die Botschaft", die laut einem Bericht Obama auf dem NATO-Gipfel in Newport zum Streit zwischen der EU und Russland um das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine vermittelt hat: "Die EU und die Ukraine sollen sich mit den Russen einigen."[10]
 
"Die NSA tut recht"
 
Kirchick hatte bereits mehrfach in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Raum erhalten, Ansichten der US-amerikanischen Hardlinerfraktion in Deutschland stark zu machen und damit die Position ähnlich orientierter Kreise in der Bundesrepublik zu stärken. Im September etwa hat er vor einem "Wiederaufleben des Marxismus" gewarnt und erklärt, "die steigende Sorge über die Einkommensungleichheit in Amerika", auf der Obama "herumreite", sei Teil einer "Skala", die "im Extremfall dazu führen kann, dass die Schrecken des Kommunismus vergessen werden"; dieser sei "die tödlichste Ideologie der Geschichte" und "verantwortlich für den Tod von rund 100 Millionen Menschen".[11] Bereits im Juli hatte Kirchick geäußert, angesichts der "intensiven wirtschaftlichen und politischen Beziehungen (Deutschlands, d. Red.) zu Russland und Iran ... wären die amerikanischen Geheimdienste doch verrückt, wenn sie keine intensiven Spionageoperationen in Deutschland durchführen würden". "Die Amerikaner müssen sich nicht dafür entschuldigen, in Deutschland spioniert zu haben", erklärte Kirchik: "Das Problem" sei "nicht, dass die NSA Angela Merkel ausspioniert hat", sondern nur, "dass dieser Vorfall öffentlich wurde".[12] "Die Deutschen" sollten "tief in sich gehen und sich fragen, warum Washington nicht das Bedürfnis hatte, es viel früher zu tun". (PK) 
 
[1], [2], [3] James Kirchick: Eine Monroe-Doktrin für die Nato. www.faz.net 03.11.2014.
[4] S. dazu Keine Champagnerstimmung mehr und Weltpolitische Weichenstellungen.
[5] Türen nie zuschlagen! Warum der Westen weiter mit Russland reden muss. Die Politische Meinung Nr. 528, September/Oktober 2014.
[6] Steinmeier will Kriterien für Ende der Sanktionen diskutieren. www.zeit.de 22.10.2014.
[7] Norbert Wallet: "Wir dürfen Russland nicht ignorieren". www.general-anzeiger-bonn.de 03.11.2014.
[8] Dietmar Neuerer: "Krieg zwischen Russland und Westen reale Möglichkeit". www.handelsblatt.com 28.08.2014.
[9] James Kirchick: Eine Monroe-Doktrin für die Nato. www.faz.net 03.11.2014.
[10] Daniel Brössler, Cerstin Gammelin: Durchlöchert von Tausenden Ausnahmen. www.sueddeutsche.de 12.09.2014.
[11] James Kirchick: Die Opfer des Kommunismus verdienen ein Denkmal. www.faz.net 16.09.2014.
[12] James Kirchick: Warum wir die Deutschen ausspionieren müssen. www.faz.net 11.07.2014.
 


Online-Flyer Nr. 483  vom 05.11.2014

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