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Inland
Vergleich von Urteilen in Prozessen wegen Beihilfe zum Mord
Die Deutsche Justiz-Gefahr
Von Elias Davidsson

Am 11. September 2001 wurde in den USA ein Verbrechen begangen, dessen Täterschaft bis heute ungeklärt ist. Mounir el Motassadeq soll den angeblichen Tätern mit Gefälligkeiten geholfen haben. Die von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen in Auschwitz sind unbestritten. Beteiligt daran war der Zyklon-B-Lieferant Degesch. Sein Geschäftsführer war Gerhard P.. Gegen beide wurde Anklage erhoben wegen Beihilfe zum Mord. Elias Davidsson vergleicht die beiden Prozesse und die daraus resultierenden Urteile.


Gerhard P. und Mounir el Motassadeq

Bei der Suche nach deutschen Urteilen wegen Beihilfe zum Mord lassen sich nur sehr wenige Fälle aufspüren. Den vielleicht wichtigsten Vergleichsfall zum Fall Mounir el Motassadeq stellen die Gerichtsverhandlungen gegen Gerhard P. dar, die zwischen 1949 und 1955 abliefen.

Gerhard P., ausgebildeter Chemiker, wurde von einem Schwurgericht in Frankfurt/Main am 28. März 1949 wegen Beihilfe zu vielfachem Mord verurteilt, weil er in den Kriegsjahren als Geschäftsführer der "Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung m.b.H." (Degesch), Zyklon B für die Tötung "minderwertiger" Menschen an einer SS-Stelle geliefert hatte. Er wurde aber im Jahre 1955 freigesprochen, weil es – laut des wieder aufgenommenen Verfahrens – nicht nachgewiesen werden konnte, dass die von ihm gelieferten Zyklon-B-Sendungen tatsächlich bei Tötungen eingesetzt worden sind. Dabei wurde nachgewiesen, dass mindestens 1.380 kg des gelieferten Zyklon B nach Auschwitz gelangt sind. Der Angeklagte behauptete, dass er von Auschwitz nichts wusste, hätte aber das Giftgas in Hinblick auf ihren Einsatz zur Tötung "minderwertiger" Menschen geliefert.

In der Einleitung zum wieder aufgenommenen Verfahren gegen Gerhard P. im Jahre 1955 wird erklärt:

„In den Nürnberger Prozessen wurde festgestellt, dass in Auschwitz zur Massenvernichtung von Menschen ein Giftgas namens Zyklon B verwendet wurde. (...) Dr. [Gerhard] P. war während des Krieges ordentlicher Geschäftsführer der ‚Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfng’ (Degesch) in Frankfurt (Main), einer der IG-Farben nahestehenden Gesellschaft gewesen, von der das in den Konzentrationslagern in grösstem Umfange für Ausrottungszwecke benutzte Giftgas Zyklon B stammte. (....) [Deutsche Strafverfolgunsbehörden] erhoben gegen Dr. P. Anklage mit der Beschuldigung, durch die Lieferung des Zyklon B zu allen Tötungen, die in den Jahren 1941-1944 im Konzentrationslager Auschwitz erfolgt sind, durch Rat und Tat wissentlich Hilfe geleistet und sich dadurch der Beihilfe zu heimtückisch, grausam und aus Mordlust oder sonstigen niedrigen Beweggründen begangenen vorsätzlichen Tötungen, also der Beihilfe zu Morden, schuldig gemacht zu haben. Durch Urteil des Schwurgerichtes in Frankfurt (Main) vom 28. März 1949 ist Dr. P. wegen Beihilfe zum Verbrechen des §212 StGB in einer unbestimmten Anzahl von Fällen, begangen in Tateinheit zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, im übrigen freigesprochen worden. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist der Angeklagte in Abänderung dieses Urteils durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 19. Oktober 1949 der Beihilfe zum Mord in einer unbestimmten Zahl von Fällen für schuldig gefunden und durch Urteil des Schwurgerichts Wiesbaden vom 7.August 1953 zu sechs Jahren Zuchthaus rechtskräftig verurteilt worden. Der Angeklagte hat einen Teil dieser Strafe verbüsst.“

Freispruch des Zyklon-B-Lieferers

Der Angeklagte hatte eine Wiederaufnahme seines Verfahrens beantragt. Das Landgericht Frankfurt (Main) hatte durch Beschluss vom 25. September 1954 die Wiederaufnahme zugelassen und durch Beschluss vom 28. Januar 1955 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet. Auf Grund der neuen Hauptverhandlung wurde Gerhard P. freigesprochen:

„Da das Verbrechen der Tötung, zu dessen Begehung der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, nicht zur Ausführung gelangt ist, erfüllt sein Handeln den Tatbestand der sog. erfolglosen Beihilfe.(...) Er war insoweit mangels Beweises freizusprechen.“

Wie kam das Gericht zur Schlussfolgerung, dass die Begehung der Beihilfe zum Mord „nicht zur Ausführung gelangt ist“? Hatte Gerhard P. kein Giftgas zur Ermordung von unschuldigen Menschen geliefert, oder wird hier mit juristischen Tricks gespielt?

Argumentation für den Freispruch des Herrn P.

Der Freispruch des Zyklon-B-Lieferers ist damit begründet, dass es „nicht bewiesen werden [kann], dass mit dem von dem Angeklagten gelieferten Zyklon jemand getötet worden ist.“ Es reiche nicht aus, dass der Angeklagte bewusst Zyklon-B-Giftgas zur Tötung von unschuldigen Menschen geliefert hat, sondern es müsse vor Gericht auch nachgewiesen werden, dass diese Lieferungen tatsächlich für solche verbrecherischen Taten eingesetzt wurden. Es war aber nicht eindeutig nachweisbar, was mit dem vom Angeklagten gelieferten Giftgas letztendlich gemacht wurde. Wurde es begraben, vernichtet, zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt? Laut des Empfängers des Giftgases, Gerstein – gemäß Brief vom 24. Mai 1944 – sei von den gelieferten Mengen des Giftgases „bisher (...) überhaupt noch nichts verbraucht worden.“ Nach gängiger Rechtsprechung wurde die Haupttat damit nicht begangen, und der mutmaßliche Gehilfe wurde freigesprochen. Dass zur selben Zeit Massenvernichtungen in Konzentrationslagern mit demselben Giftgas stattfanden, dass ein Teil des gelieferten Giftgases auch nach Auschwitz gelangte und dass der Angeklagte sich mit der Ermordung "minderwertiger" Personen abfand, wurde vom Gericht als unerheblich betrachtet.

Zu dieser schockierenden Rechtsprechung muss allerdings angemerkt werden, dass die Mehrheit der deutschen Richter nach 1945 die Rechtsprechung des nationalsozialistischen Systems durch unmenschliche Urteile geprägt hatte. Die deutsche Justiz nach 1945 hatte sich nie von der Nazi-Justiz befreit.

Es folgt ein Vergleich des Falles Gerhard P. mit dem Fall Mounir e. M..

(a) Würdigung des objektiven Tatbestands der Beihilfe zum Mord

Gerhard P. hat vertragsmäßig erhebliche Mengen von Zyklon-B-Giftgas an einen Offizier des SS liefern lassen.

Mounir e. M. hat für seinen Freund Marwan Al Shehhi von dessen Konto, für das er eine Vollmacht besaß, ganze DM 5000 an Ramzi Binalshibh überwiesen; bezahlte, als Al Shehhi nicht in Hamburg war, dessen fällige Rechnungen, u.a. für Elektrizität, Krankenversicherung und dgl. und verschwieg seinen Aufenthalt und den seiner Freunde in Afghanistan.

(b) Würdigung des subjektiven Vorsatzes der Beihilfe zum Mord

Gerhard P. wurde erklärt, dass er Zyklon B. zur Tötung "minderwertiger" Personen liefern solle, darunter Geisteskranke. Von ihm wurde strenge Geheimhaltung verlangt, da die Rechtswidrigkeit des Vorhabens den Vertragspartnern völlig klar war. Bei seinen Lieferungen nahm Gerhard P. an, dass das Giftgas zur Tötung von zahlreichen unschuldigen Menschen benötigt würde. Er wusste nur nicht, wer genau getötet wird. Er wusste nicht, dass ein Teil des gelieferten Giftgases nach Auschwitz gelangen würde.

Mounir e. M. hat jeglichen strafrechtlichen Vorsatz, geschweige denn den Vorsatz der Tötung oder des Mordes, bestritten. Er bestritt, dass er nach Afghanistan in der Absicht gereist war, um nachträglich unschuldige Menschen zu töten oder dazu beizutragen. Das Gericht konnte auch nicht nachweisen, das er nach Afghanistan mit diesem Vorsatz gereist ist. Er bestritt, dass er irgendetwas über die mutmaßlichen terroristischen Pläne seiner Freunde, denen er ganz gewöhnliche Freundeshilfsleistungen erbrachte, wusste. Das Gericht konnte nicht nachweisen, dass er von diesen Plänen tatsächlich wusste, sondern versuchte durch eine Konstruktion sein mutmaßliches Wissen abzuleiten.

(c) Würdigung der Haupttat

Die Beihilfe zum Mord als Straftat verlangt, dass die Haupttat begangen wurde und dass der Beihelfer die Haupttat in irgendeiner Form gefördert hat.

Im Fall Gerhard P. ist nicht eindeutig nachgewiesen, dass speziell seine Giftgaslieferungen für Tötungen eingesetzt wurden. Der Fall könnte aber damit verglichen werden, dass ein Waffenproduzent Munition an eine Regierung liefert, die Völkermord betreibt. Da Munition aber gelagert wird, kann der Lieferant nicht wissen, ob seine Munition tatsächlich zum Einsatz gekommen ist oder sich noch im Lager befindet. Die Entscheidung, aus welchen Regalen die Munition für diesen oder jenen Einsatz verwendet werden soll, ist zur Beurteilung der Haupttat unerheblich.

Im Fall Mounir e. M. wurden nicht einmal die Täter der Haupttat identifiziert. Es steht zwar fest, dass am 11. September 2001 ca. 3000 Menschen ums Leben gekommen sind. Es bleibt aber ungeklärt, wie und – zum Teil – wo sie gestorben sind, und wer ihren Tod herbeigeführt hat. Da überhaupt nicht nachgewiesen ist, dass diejenigen, denen der Angeklagte geringfügig geholfen hat, mit der Haupttat etwas zu tun haben oder andere Terroranschläge geplant haben, sollte die Anschuldigung der Beihilfe entfallen und Mounir freigesprochen worden sein.

Man könnte einwenden, dass im Gerichtsverfahren gegen Gerhard P. die Haupttat – die Vernichtung von Menschen durch Vergasung – als offenkundig betrachtet wurde und es deshalb auch hinsichtlich der Anschläge vom 11. September 2001 gerechtfertigt sein könne, sich auf die mutmaßliche Offenkundigkeit der öffentlichen These in Sachen Täterschaft zu berufen. Das hat das Gericht aber nicht getan. Es hat einen FBI-Beamten vorgeladen, die Ereignisse mündlich darzustellen, und hat sich darauf als Beweislage bezogen. Das Wort „Offenkundigkeit“ wird auch nicht genannt. Die offizielle Darstellung der Ereignisse vom 11. September 2001 ist dabei weit von einer „Offenkundigkeit“ entfernt. Im Gegenteil: Seit 2001 mehren sich – sogar innerhalb des amerikanischen Establishments – die Stimmen, die die offizielle Darstellung bezweifeln. Sogar Mitglieder der Untersuchungskommission behaupten jetzt, dass sie betrogen und belogen wurden und dass ihr Schlussbericht daher irreführend sei.

Eine gerade Linie der deutschen Justiz von 1933 bis heute

Während des Dritten Reiches trug die große Mehrheit der deutschen Richter durch ihre Urteile zur Festigung des Unterdrückungs- und Ausrottungsapparates des Regimes bei. Die Zahl der Richter, die sich in irgendeiner Weise vom unmenschlichen Rechtssystem des Nazis distanziert hatten, kann an den Fingern einer Hand abgezählt werden. Viele Richter gingen sogar über die gesetzlich verordneten Strafen hinaus und zeugten so von besonderer Unmenschlichkeit.

Nach 1945 wurde fast kein Richter bestraft. Sie wurden bald mit der ideologischen Bekämpfung von Kommunisten beauftragt. In den 50er und 60er Jahren fällten deutsche Richter ganz besonders schwere Urteile gegen Menschen, die eine kommunistische Gesinnung hatten oder mit kommunistischen Ideen sympathisierten. Nach 1990 wurde die deutsche Justiz gegen ehemalige DDR-Beamte eingesetzt. Und nach 2001 wurde die deutsche Justiz gegen mutmaßliche islamistische Terroristen eingesetzt.

In allen Fällen stützte die deutsche Justiz die jeweilige Politik. Die Justiz machte, was ihr verordnet wurde. Von einer unabhängigen Justiz kann nicht die Rede sein. Das zu belegen, ist nicht schwer, denn die Rechtsprechung änderte sich zum Teil um 180 Grad, je nachdem, wer zu bekämpfen war. Die Bemühungen der Justiz, Nazi-Verbrecher mit Samt-Handschuhen zu behandeln und sogar die Gesetze zu ihren Gunsten zu ändern, stehen im Kontrast zu den späteren Bemühungen, mit vollem Eifer gegen ehemalige DDR-Beamte oder mutmaßliche islamistische Terroristen vorzugehen.

Der Vergleich zwischen dem Prozess gegen den Lieferer von Zyklon-B-Giftgas zum Zweck von Tötungen und dem Prozess gegen einen marokkanischen Studenten in Hamburg, der nichts unternahm, was andere Menschen gefährden konnte, macht die Gefahr sichtbar, die die deutsche Justiz für die Bevölkerung darstellt. (PK)


Vorab-Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 11 (Dezember 2014) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.



Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/


Online-Flyer Nr. 487  vom 03.12.2014

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