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Lokales
Berliner Wasserrat fordert umfassende Demokratisierung der BWB
Wasser-Privatisierungssumpf weiter austrocknen!
Von Ulrike von Wiesenau

Die zehnte Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates am 27. November 2014 und die Dezembersitzung des Berliner Wassertisches wurden inhaltlich bestimmt durch ein Impulsreferat des Bremer Rechtsanwalts Benno Reinhardt zur Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft in Bremen und eine Standort-Bestimmung der Grünen-Abgeordneten Heidi Kosche zum bislang erkennbaren Umstrukturierungsprozess der Berliner Wasserbetriebe (BWB) nach der Rekommunalisierung.
 
In Bremen wurden Anfang der 90iger Jahre Abfallwirtschaft und Straßenreinigung des Landes privatisiert. Lange vor dem Auslaufen der Leistungsverträge zwischen der Kommune und dem Nehlsen-Konzern kam es zu einem Bürgerbegehren. Anhänger der Privatisierung wollten die Verträge verlängern, dagegen setzten sich die Befürworter einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) durch, die ab 2018 Müllabfuhr und Straßenreinigung übernehmen soll. Für die anstehende Rekommunalisierung wurde das Modell eines drittelparitätischen Entscheidungsgremiums erwogen, das zu je einem Drittel mit Eignern, Beschäftigten und Nutzern besetzt werden sollte. Mit finanzieller Unterstützung der Gewerkschaft ver.di wurde ein Gutachten der an der Unversität Bremen ansässigen Forschungsgruppe von Prof. Ernst Mönnich, Dipl. Ökonom Malte Moewes und Rechtsanwalt Benno Reinhardt eingeholt. Für den Berliner Wasserrat ist dabei von Interesse, inwieweit man vom Fall Bremen für den Rekommunalisierungsprozess in Berlin lernen kann, insbesondere bei der Frage der Bürgerbeteiligung.
 
Die Gutachter sahen vor allem drei rechtliche und politische Probleme: Lässt die Gewährträgerhaftung sich noch halten, wenn die Eigner, in diesem Falle Vertreter des Landes Bremen, nur noch ein Drittel Einfluss haben?
Hoheitliche bzw. öffentlich-rechtliche Aufgaben wie auch die Abwasserwirtschaft unterliegen, der Gefahrenabwehr wegen, Bundesgesetzen, ein Land hat jeweils nur sehr begrenzten Regelungsspielraum.
Bei der Frage der Wahl der an einem drittelparitätischen Modell zu beteiligenden Bürger sahen sie  das Problem der demokratischen Legitimation bzw. einer kaum zu verhindernden Besetzung des Nutzer-Drittels durch Lobbygruppen auf. Das Modell der Drittelparität wurde aus diesen Gründen in Bremen wieder aufgegeben.
 
Die Diskussion kristallisierte zentrale Leitfragen: die Frage nach dem Konsensprinzip in Entscheidungsgremien ergab, dass sich mit dem Konsensprinzip das Problem der Gewährträgerhaftung im Prinzip lösen ließe, weil gegen den ausdrücklichen Willen der Eignervertretung keine Gruppe etwas durchsetzen könnte. Nach Ansicht des Referenten sichert das Konsensprinzip zwar eine Verhinderung von Maßnahmen, führt aber zu keiner konstruktiven weiteren Gestaltung über einen status quo hinaus. Ein Verweis erging auf die Darstellung von Prof. Andreas Fisahn von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld zur Handhabung des Konsens- vs. Mehrheitsprinzip in EU-Gremien, wo bei unterschiedlichen Regelwerken beide Formen vorkommen: das Konsensprinzip für die Verhinderung, das Mehrheitsprinzip für die Durchsetzung von Vorhaben. Dem wurden Hinweise auf die Publikationen von Andreas Wehr entgegengesetzt, der für das Konsensprinzip als wirkungsvolles Mittel plädiert, um die Unterdrückung von Minderheitspositionen zu verhindern. Im Zusammenhang von denkbaren Entscheidungsgremien weist der Referent darüber hinaus auf Konstruktionen hin, die von gewählten Regierungen völlig unabhängig sind, sogenannte "Unterhaltungsverbände", die es z.B. für Eigentümer von Deichabschnitten an der Nordsee-Küste und auch bei sonstigen Wasserverbänden gibt.
 
Die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche stellte bei der Dezembersitzung des Berliner Wassertisches anhand der Senatsdrucksache 17/1919 vom 22.10. 2014 und den veröffentlichten Bilanzen der BWB eine Analyse des bislang erkennbaren Umstrukturierungsprozesses der Berliner Wasserbetriebe nach der Rekommunalisierung vor. Im Senat seien Schritte zur Strukturvereinfachung im Gang, auch steuerliche Gesichtspunkte wie die weitere Handhabung der seinerzeit aus steuerlichen Gründen im Betrieb verbliebenen, den Privaten nach der 6. Änderungsvereinbarung zustehenden Ausschüttungen, würden dabei berücksichtigt. Nach der jetzigen Konstruktion ist die vorherige RWE-Veolia-Beteiligungsgesellschaft (RVE) in Berlinwasser Beteiligungs GmbH umbenannt worden, die Berlinwasser Holding AG mit ihren stillen Gesellschaften I und II sind darunter subsumiert.
 
Diese Konstruktion hat zur Folge, dass der Konsortialvertrag weiter gilt, d.h. das Land Berlin als 100%-iger Eigentümer hat sich in zwei Anteilseigner aufgespalten, das Land Berlin (99,96%) und die landeseigene IBB (Invesitions-Bank Berlin) Holding AG (0,04%) als gemeinsame Eigentümer der BWB Rekom Berlin GmbH & Co KG. Die beabsichtigten Strukturvereinfachungen und die Rückführung der BWB in Landeseigentum mit entsprechender Strukturveränderung gestaltet sich, unter den Erblasten der Vergangenheit, teuer und langsam. Die landeseigenen Betriebe sind weiterhin in einem komplizierten und intransparenten, teilweise privatrechtlichen Konstrukt organisiert. Zudem wurden mit der Rekommunalisierung die Konzerne RWE und Veolia aus dem Haushalt der BWB abgefunden, obwohl der Verkauf 1999 dem Landeshaushalt zugute kam. Die hoch verschuldeten Wasserbetriebe werden deshalb die Rekommunalisierungskredite an die Investitionsbank Berlin (IBB) über Jahrzehnte abbezahlen müssen.
 
Das nunmehr kommunale Unternehmen plant Investitionen zur Sicherung der Infrastruktur in den Klärwerken bis 2022 in Höhe von insgesamt rund 450 Millionen Euro, in die Erneuerung des Kanalnetzes sollen in den kommenden Jahren rund 1,6 Milliarden Euro fließen, jährlich werden somit um die 300 Millionen Euro investiert werden. Doch der Berliner Wasserrat sieht ein Problem in den zugrunde gelegten kalkulatorischen Kosten, die als Preistreiber wirken und weiter von den Wasserkunden bezahlt werden. Die Kredite, mit denen die Privaten ausgekauft wurden, werden auf Kosten der Wasserkunden bedient, d.h. trotz Kartellamtsverfügung ist die erfolgte Preissenkung damit nicht dauerhaft angelegt. Die BWB werden weiterhin unter dem Druck der Gewinnerwirtschaftung geführt, was erneuten Privatisierungsdruck erzeugen und mit den Plänen zu einem Stadtwerk akut werden kann.
 
Die Verunsicherung bei den Beschäftigten der BWB hält an, vor allem in Bezug auf das Programm »Nachhaltig Effiziente Optimierung« (NEO), mit dem ein weiterer Stellenabbau, konkret 400 Stellen bis 2018, angedroht wird und weitere Arbeitsverdichtung sowie schlechtere Rentenregelungen zu befürchten sind. Unsicherheit herrscht auch in Bezug auf die Umstrukturierung, Investitions- bzw. Sanierungsstrategien. Damit fehlt dem Betrieb nach wie vor der beste Erfolgsmotor: die Arbeitsmotivation der Beschäftigten. Der Berliner Wasserrat fordert daher: Alle Vorgänge bei den BWB müssen öffentlich und transparent gemacht werden. Eine Änderung bei den Grundlagen für die kalkulatorischen Kosten muss vollzogen werden, neuen Begehrlichkeiten der Politik in Bezug auf die BWB als Gewinnquelle ist entgegenzutreten, Gewinne auf Kosten der Beschäftigten sind abzulehnen. Die missproportionale Konstruktion eines Stadtwerkes unter dem Dach der BWB muss revidiert werden.
 
Als gemeinsame Forderung im Berliner Wasserrat gilt: Bei den Berliner Wasserbetrieben ist ein weitergehendes Maß an Transparenz und Mitbestimmung zu etablieren. Der in Berlin offiziell durch die BWB installierte Kundenbeirat, der in seiner jetzigen Form übereinstimmend als unzureichend beurteilt wurde, kann dennoch als Einstieg in eine echte Bürgerbeteiligung genutzt werden. Das Urteil des Berliner Verfassungsgerichtes von 2009, mit dem der Berliner Wassertisch sein Volksbegehren durchsetzen konnte und in dem explizit festgestellt wurde, dass öffentliche Daseinsvorsorge, auch wenn private Rechtsformen zulässig seien, dem öffentlichen Recht Genüge zu leisten habe, kann dabei für die politische Arbeit das Maß setzen.
 
Der Berliner Wasserrat fordert, das unübersichtliche und intransparente Konstrukt, das die BWB immer noch darstellen, neu zu organisieren, parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen, und Kunden und Beschäftigten Einfluss auf die Betriebe zu geben. Ein Jahr nach der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe steht eine umfassende Demokratisierung noch aus. (PK) 
 
Ulrike von Wiesenau ist Expertin für direkte Demokratie und Pressesprecherin des "Berliner Wassertisches". Die Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des "Berliner Wasserrates" arbeitet als Beraterin von NGO´s, Organisationen, Verbänden und Initiativen.


Online-Flyer Nr. 493  vom 14.01.2015

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