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Filmclips
Chansons
Von Peter Kleinert



George BrassensMit Filmmaterial aus dem Deutschen Kabarett-Archiv und mit der Unterstützung von dessen Gründer Reinhard Hippen konnte KAOS Film- und Video-Team Köln ab Februar 1991 in seine 15-teilige Fernsehserie "90 Jahre Satire gegen den Zeitgeist“ auch einige Chanson-SängerInnen aufnehmen, unter ihnen Kate Kühl, Ursula Herking und George Brassens.


Kate Kühl

geboren 1899 in Köln; war Kabarettistin, Chansonnière und Schauspielerin. Als 19-Jährige ging sie nach dem 1. Weltkrieg nach Berlin, um ein klassisches Gesangsstudium zu beginnen, schloss sich aber bald lieber der engagierten Bohème an, die sich im Berliner Westen in den bekannten Caféhäusern und Künstlerlokalen rings um der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche versammelte. Einer dieser neuen zeitkritisch-literarischen Treffpunkte war das „Café des Westens“ - im Berliner Jargon „Café Größenwahn“ genannt.

1920 stand sie zum ersten Mal auf einer Bühne und trug vor Premierenpublikum Chansons vor. Durch ihre Auftritte lernte Kate Kühl Musiker, Komponisten und Autoren kennen. Am stärksten geprägt wurde ihre künstlerische Laufbahn durch Kurt Tucholsky. Erfolge feierte sie auch auf den Berliner Theaterbühnen. Am 31. August 1928 fand die Uraufführung der „Dreigroschenoper“ von Kurt Weill und Bertolt Brecht statt. Kate Kühl wurde für die Rolle der Lucy engagiert.

Zusammen mit Hubert von Meyerinck trat sie kurz vor Hitlers Machtübernahme in Friedrich Hollaenders Kabarett-Revue „Höchste Eisenbahn“ herausfordernd an die Rampe und schmetterte ein Zeitungscouplet gegen das Blatt des Berliner Gauleiters Joseph Goebbels in die Menge. Danach kam das Aus. Sie ging nicht ins Exil, sondern blieb in Nazi-Deutschland, arbeitete als Landfunksprecherin und trat gelegentlich in Unterhaltungsfilmen als Nebenrollendarstellerin auf.

Nach dem Krieg überzeugte sie Ernst Busch, mit dem sie eine jahrelange Freundschaft verband, zum Umzug nach Ost-Berlin, wo sie in die KPD eintrat. In dem von Bertolt Brecht mit Helene Weigel gegründeten Berliner Ensemble trat sie in mehreren Inszenierungen auf. Mitte der fünfziger Jahre verließ sie Ost-Berlin wieder und unterstützte im Westen die SPD, z.B. in Günther Weisenborns „Göttinger Kantate“, einer musikalischen Warnung gegen die atomare Bewaffnung Europas, die der Regisseur Erwin Piscator 1958 für den Stuttgarter SPD-Parteitag inszenierte. Als die SPD in Sachen Militär ihre Kehrtwendung vollzog, rächte sich Kate Kühl auf ihre Weise: Sie trat in einer karnevalistischen Kulturveranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion auf und schmetterte dort provozierend die „Rote Melodie“, Tucholskys flammendes Antikriegs-Chanson, in die Menge. Danach zog sie sich aus allen politischen Aktivitäten zurück.

Bis 1961 trat sie gelegentlich noch im „Mitternachtsbrettl“ in Berlin auf. In ihren letzten Lebensjahren lebte Kate Kühl sehr zurückgezogen, schwer an Diabetes leidend, allein in ihrer Wohnung im Berliner Westend, wo sie 1970 starb.

Ursula Herking

geboren 1912 in Dessau, begann ihre Karriere am „Friedrichstheater“ ihrer Heimatstadt, wo sie die „Seeräuber-Jenny“ in der „Dreigroschenoper“ und die Großmutter in „Emil und die Detektive“ darstellte. 1933/34 spielte sie am Staatstheater Berlin und wirkte bis zur Schließung 1935 durch die Nazis in Werner Fincks Kabarett „Die Katakombe“ mit. Ab Herbst 1944 arbeitete sie zwangsverpflichtet in einem Rüstungsbetrieb.

Nach dem Krieg wurde sie 1946 in München der Star in Rudolf Schündlers Nachkriegskabarett „Die Schaubude“. Berühmt wurde sie unter anderem mit ihrer Interpretation von Erich Kästners antifaschistischem „Marschlied 1945“, dessen Verse damals sogar auf den Straßen gesungen wurden - allerdings nicht von ehemaligen Nazis:

„Meine Schuh' sind ohne Sohlen,
und mein Rucksack ist mein Schrank,
meine Möbel ham die Polen
und mein Geld die Dresdner Bank...
Links zwei drei vier…“

1948 war sie Mitbegründerin des Theaters „Die Kleine Freiheit“, 1956 gehörte sie zur ersten Generation der Münchner „Lach- und Schießgesellschaft“. Später trat sie im „Kom(m)ödchen“ in Düsseldorf und in den Berliner Kabaretts „Der Rauchfang“ und „Die Hinterbliebenen“ auf. Mit Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller gründete sie den „Nürnberger Trichter“.

Beim Theater spielte Ursula Herking in der „Kleinen Freiheit“ 1966 die Präsidentin in Jacques Devals „Eine Venus für Milo“ und 1967 June Buckridge in Frank Markus' „Schwester George muß sterben“. Beim Westfälischen Landestheater in Castrop-Rauxel übernahm sie 1968 die Titelrolle in „Die Mutter“ und am „Jungen Theater“ Hamburg 1972 in Rolf Hochhuths „Die Hebamme“. In Bern verkörperte sie 1973/74 Winnie in Samuel Becketts „Glückliche Tage“. Weitere Auftritte hatte sie an der Komödie Berlin und seit Anfang der 1970er Jahre am Landestheater Tübingen und am Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg.1974 ist Ursula Herking in München gestorben.
 
Georges Brassens

war ein französischer Dichter und Schriftsteller, geboren 1921 in Sète, vor allem aber in den 1950er bis 1970er Jahren ein bekannter Chansonnier. 1942 veröffentlichte er 13 Gedichte unter dem Titel „A la venvole“. Im März 1943 wurde er als Zwangsarbeiter nach Nazi-Deutschland deportiert und arbeitete in der Flugzeugmotorenfertigung in Basdorf. Als er ein Jahr später eine Genehmigung erhielt, für zehn Tage nach Paris zu fahren, kehrte er nicht zurück und versteckte sich bis zur Befreiung in Paris.

Das erste Chanson, das er öffentlich vortrug, war „Le gorille“, oberflächlich ein frivoles Couplet über einen brünftigen Affen, in seiner Pointe ein Plädoyer gegen die Todesstrafe. Es wurde später von Franz Josef Degenhardt in einer deutschen Fassung („Vorsicht! Gorilla“) sowie von Fabrizio De André ins Italienische übertragen und weiterverbreitet („Attenti al gorilla“).

1952 hatte Brassens seine ersten erfolgreichen Auftritte im Pariser „Cabaret“ der bekannten Chanteuse Patachou, der er seine Chansons angeboten hatte, und die darauf entschied, dass er diese auch selbst vortragen solle. Bald folgten die ersten Plattenaufnahmen. Während der 1950er- und 1960er-Jahre wurde Brassens zu einem der populärsten Vertreter des künstlerischen französischen Chansons überhaupt. Politisch stand er, wie sein Kollege Léo Ferré, den Anarchisten nahe; häufig sang er zugunsten der „Fédération Anarchiste“ und deren Zeitung Le Libertaire bzw. Le Monde Libertaire.

In dem Film „Porte des Lilas“ (auf deutsch „Die Mausefalle“) von René Clair spielte Brassens 1956 den „Artiste“ und sang dort auch einige seiner Chansons, darunter das Titellied. Bereits in den 1970er-Jahren begann er an Nierenkrebs zu leiden, wurde 1980 operiert und starb 1981. (PK)

Mehr zu dieser Chanson-DVD, von der Sie hier einige Ausschnitte gesehen haben, und zur Kabarett-Serie „90 Jahre Satire gegen den Zeitgeist“ finden Sie im KAOS Kunst- und Videoarchiv unter http://www.kaos-archiv.de/


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