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Aktueller Online-Flyer vom 30. Oktober 2024  

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Globales
Haltlose Vorwürfe an die Landesregierung: Nein!
Demonstration zu Fukushima: Ja!
Von Franz Alt, Sylvia Kotting-Uhl und Peter Kleinert

"Vor vier Jahren, am 11. März 2011, hat die Dreifach-Katastrophe in Nordost-Japan (Erdbeben, Tsunami und Atomunfall) weite Teile dieser Region verwüstet. Am nachhaltigsten sind die Folgen des Reaktorunfalls. Die Strahlenbilanz ist inzwischen stark zurückgegangen. Aber: noch leben die meisten der 160.000 Flüchtlinge in der 20-Kilometer-Zone um den Reaktor in Notunterkünften. Der AKW-Betreiber Tepco hat erst Ende Februar 2015 zugegeben, dass seit einem Jahr hochverstrahltes Regenwasser vom Dach des Reaktors 2 ins Meer fließt. 300 Tonnen Grundwasser strömen täglich in die verseuchte Anlage und treten verstrahlt wieder aus. 7.000 Arbeiter sind mit den Problemen an den drei havarierten Reaktoren beschäftigt.

Satellitenaufnahme vom 14. März 2011 kurz nach der Explosion im Reaktor 3 von Fukushima.
© digitalglobe
 
40 Jahre, so Tepco, werde es dauern bis die zerstörten Reaktoren abgewrackt sind. Ausgerechnet am 4. Jahrestag, so berichten japanische Medien, soll ein Zwischenlager für den Strahlenschrott aus den Meilern wie für das verstrahlte Erdreich um Fukushima eröffnet werden. Dieser strahlende Müll war bisher an 75.000 Orten vorläufig gelagert. Das Zwischenlager soll den gefährlichen Abfall 30 Jahre behalten. Was danach damit geschehen soll, weiß niemand, so wenig wie es weltweit auch nur ein einziges atomares Endlager gibt, das diesen Namen verdient.
 
Auch die UNO geht davon aus, dass die Aufräumarbeiten in Fukushima noch etwa 40 Jahre andauern und zwischen 250 und 500 Milliarden Dollar kosten werden, die natürlich nicht die Betreiber, sondern die Steuerzahler aufbringen müssen. So war das auch in Tschernobyl 1986. Auch für diese Atomkatastrophe schätzte Michail Gorbatschow die Kosten auf circa 500 Milliarden Dollar.
 
Billiger Atomstrom?
 
Das Märchen vom "Billigen Atomstrom" ist bei zwei großen Atomunfällen bereits zweimal widerlegt worden. Dennoch will die liberalkonservative japanische Regierung Abe die seit 2011 stillgelegten 48 AKWs in Japan wieder ans Netz bringen. Nur die japanische Bevölkerung hat dies bisher verhindert. Muss erst der nächste Unfall passieren, bis auch die Regierung in Tokio zur Vernunft kommt? Demonstration zu Fukushima: Ja! Haltlose Vorwürfe an die Landesregierung: Nein!"
 

Franz Alt
So jetzt aktuell der von 1972 bis 1992 als Leiter und Moderator des politischen SWR/ARD-Magazins "Report" engagierte Journalist Franz Alt, der 1997 Leiter des Magazins "QUER-DENKER" bei 3SAT, dann bis  2003 Leiter und Moderator des 3sat-Magazins „GRENZENLOS“ wurde und ab  2003 Gastkommen- tare und Hintergrundberichte für über 40 Zeitungen und Magazine schreibt, weltweit Vorträge hält und Konzerne und Regierungen in Energiefragen berät. Am Schluß dieses "Sonnenseite"-Artikels weist er auf einen zweiten Beitrag zu Fukushima der Karlsruher Grünen-Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Sprecherin für Atompolitik ihrer Bundestagsfraktion hin.
 

Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl
Die engagierte Grüne kündigt hier an: "Ich werde an der Demonstra- tion in Neckarwestheim am 8.3. zum Fukushima-Jahrestag teilnehmen. Seit dem GAU bin ich in engem Kontakt mit vielen politischen und gesellschaftlichen Akteuren in Japan. Siebenmal war ich seitdem dort, auch auf der havarierten Anlage selbst. Mein Mitgefühl gehört den Menschen, die durch die Dreifach-Katastrophe Angehörige, Freunde, ihr Land, ihre Existenz verloren haben und Angst vor der Zukunft und der fortdauernden Katastrophe in Fukushima Daiichi haben. Viele Arbeiter auf der Anlage Fukushima Daiichi riskieren ihre Gesundheit bei den Versuchen die Situation in den Griff zu bekommen. Völlig ungelöste Probleme sind der bisher unauffindbare geschmolzene Kernbrennstoff des Reaktors 3 und die unaufhörliche Vermehrung des in großen Tanks gelagerten kontaminierten Wassers. Niemand weiß wie das Ganze enden wird.

 
Erste Versuche von TEPCO, Fukushima in den Griff zu bekommen
NRhZ-Archiv


Mit vielen Organisationen und Menschen in Japan und Deutschland arbeite ich daran, die Chancen für Atomausstieg und Energiewende in Japan zu verbessern. Auf Basis des traditionell guten Verhältnisses zwischen Deutschland und Japan könnte die Bundesregierung hier mehr tun. Die Kanzlerin reist morgen nach Tokio. Ich fordere sie auf, beim geplanten Treffen mit Premierminister Abe das Beispiel des deutschen Atomausstiegs anzusprechen. Die Bevölkerung Japans würde es ihr danken.
Den Organisatoren der Demonstration am 8.3. in Neckarwestheim danke ich für ihre Initiative. Zu ihrem Aufruf und den darin enthaltenen Vorwürfen nehme ich wie folgt Stellung:

Zum Punkt “Atommüll-Notstand”:

Das Verursacherprinzip gilt für die Atomindustrie. Das Standortauswahlgesetz bekräftigt noch einmal die Verpflichtung der AKW-Betreiber finanziell für die Entsorgung des Atommülls aufzukommen. Die Rückstellungen müssen allerdings gesichert werden. Deshalb fordert meine Fraktion im Bundestag die Überführung der Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds.
Eine Langfrist-Strategie für den hochradioaktiven Atommüll wird derzeit von der nach dem Standortauswahlgesetz eingesetzten Endlager-Kommission erarbeitet. Die Kommission setzt sich zusammen aus Mitgliedern des Bundestags, Mitgliedern von Landesregierungen, Wissenschaftlern und Vertretern der Zivilgesellschaft. Sie wird ihre Zwischen- und Endergebnisse mit der interessierten Öffentlichkeit diskutieren und von ihr bewerten lassen.

Zu “Gefahr für Alle: Freimessen beim Abriss von Neckarwestheim”:

Die Freimessung von Abrissmüll ist nicht “skrupellos”. Aber sie muss korrekt vorgenommen werden und es muss die Möglichkeit eigener Stichproben für besorgte Bürger geben. Jedem, der sich mit Atommüll beschäftigt, muss aber klar sein, dass nicht alles, was beim Abriss eines AKW anfällt, gleich behandelt werden kann. Die Risiken von hochradioaktivem, schwachradioaktivem und Müll, der freigemessen werden kann, sind völlig unterschiedlich und nach entsprechend unterschiedlichen Standards mussn er auch behandelt werden. Nur, wenn man die Dimensionen auseinander hält, lassen sich die notwendigen höchsten Standards für die Endlagerung hochradioaktiven Mülls durchsetzen.

Zum Punkt “Klimaschutz ade – Energiewende ausgebremst!”:

Neue Kohlekraftwerke behindern Umweltschutz und Energiewende und rechnen sich auf Dauer nicht mehr. Der RDK8 in Karlsruhe stößt über 700g CO2 pro Kilowattstunde aus. Auch als Anteilseigner der EnBW konnte die Landesregierung die Inbetriebnahme des neuen Kohlekraftwerksblocks nicht verhindern. Einen “Ausstiegsfahrplan für den Klimakiller Kohlekraft” haben die Grünen im Bundestag vorgelegt.

Zum Punkt “Atomstaat Deutschland”:

Hermes-Bürgschaften für Atomtechnik sind nicht erlaubt. Auf grünen und öffentlichen Druck hat die Bundesregierung letztes Jahr beschlossen, keine Hermes-Bürgschaften mehr für Exporte im Bereich der atomaren Stromerzeugung zu vergeben. Das gilt für Neubauten wie für Bestandsanlagen.
Richtig ist, dass zu einem vollständigen Atomausstieg in Deutschland auch die Schließung der Atomfabriken in Gronau und Lingen gehört. Diese Forderung hat die grüne Fraktion im Bundestag mehrfach gestellt. Durch Deutschland gehen jährlich rund 500.000 Atomtransporte. 10.000 dieser Transporte stehen in direktem Zusammenhang mit der Atomkraftnutzung, die meisten davon kommen von oder gehen nach Gronau oder Lingen. Diese Transporte sind meist kaum bekannt und stellen eine permanente Gefährdung dar. Das muss aufhören!
Bei allen noch vorhandenen atompolitischen Defiziten ist es schade und verkennt den Erfolg der Anti-Atom-Bewegung, wenn ignoriert wird, dass der “Atomstaat Deutschland” das Atomausstiegsland der Welt ist. Gerade für die AtomkraftgegnerInnen Japans ein in ihren Augen unerreichbares großes Vorbild!
Obwohl der Aufruf der Organisatoren sich mehr mit vermeintlichem Fehlverhalten der Landesregierung und des Bundestages befasst als mit der Situation in Japan, werde ich an der Demonstration teilnehmen. Ich hoffe auf zahlreiche Teilnahme, starke Solidarität mit den Opfern von Fukushima, aber bei allen Beteiligten auch auf einen klaren Blick für das, was im Land atompolitisch passiert – an Schlechtem, aber auch an Gutem. (PK)
 


Online-Flyer Nr. 501  vom 11.03.2015

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