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Krieg und Frieden
Betrachtung zu den Ereignissen bei EnDgAmE am 21.2.2015 in Halle
Es herrscht Krieg
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Am 21. Februar 2015 hat in Halle an der Saale ein Protest mit der Bezeichnung EnDgAmE stattgefunden. Es war nach Erfurt der zweite dieser Art. EnDgAmE steht für "Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas". Es hat sich wieder einmal gezeigt: wer öffentlichkeitswirksam gegen den US-Imperialismus auftritt, soll kaputt gemacht werden. Dem werden die Reifen aufgeschlitzt. Dem werden "linke" Gegendemonstranten gegenübergestellt, die mit USA- und Israel-Fahnen auftreten. Und der wird als "rechts" diffamiert – mit heimtückischen Methoden. Eine zentrale Rolle spielte dabei eine Abordnung der Geheimdienstorganisation NPD. Wojna von der Band DIE BANDBREITE hatte eine fulminante antifaschistische Rede gehalten und den Song "Kein Sex mit Nazis" vorgetragen, da kam mit freundlicher Miene ein Mann auf ihn zu und sprach ihn und den Versammlungsleiter Frank Geppert an. In dem Moment entstehen Fotos und werden alsbald ins Netz gestellt – eine Nähe von BANDBREITE und rechter Szene suggerierend. Der Mann war ein NPD-Funktionär.


Vertreter des US-Imperiums als Gegendemonstranten mit USA-Fahne, Israel-Fahne und aufgeblasenem Israel-Hammer (Quelle: Video von Hagen Grell „Reportage zur Demo in Halle vom 21.02.2015“)


Operation NPD – links: NPD-Mann Thomas Wulff, Mitte: Versammlungsleiter Frank Geppert, rechts mit Mikro: Wojna von der Band DIE BANDBREITE (Quelle: Video von Hagen Grell „Reportage zur Demo in Halle vom 21.02.2015“)


Zu erwarten wäre ein Aufschrei der Entrüstung und der Solidarisierung innerhalb der Linken und der Friedensbewegung – Entrüstung über die geheimdienstlichen Machenschaften zur Diskreditierung von Menschen, die im US-Imperialismus die entscheidende kriminelle Kraft auf unserem Globus erkennen – und Solidarität mit den Opfern dieser Machenschaften. Doch davon sind wir weit entfernt. Es ist extrem bedauerlich, dass z.B. in einer linken Wochenzeitung ein Artikel mit dem Titel "Pegada, Pegida, Endgame – Thüringer Zustände – Rechte Aufmärsche und neofaschistische Strukturen" erscheint, der genau der Linie folgt, Protest gegen das US-Imperium als "rechts" zu brandmarken.

Bezogen auf den Endgame-Protest in Erfurt heißt es darin: „Seit längerem ist Thüringen Schauplatz rechter Aufmärsche... Am 24.01.15 fand in Erfurt dann ein weiterer rechter Aufmarsch statt. Die Vereinigung 'Pegada' (Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes) rief im Sinne der Pegida gegen eine vermeintliche 'Amerikanisierung' unter dem Motto 'Endgame' (Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas) auf...“

Alles wird in den gleichen braunen Topf gestoßen – PEGIDA in gleicher Weise wie Endgame – und verquirlt, anscheinend ohne zu merken, wie falsch das ist. PEGADA und Endgame sind zwei Initiativen von zwei voneinander unabhängigen Initiatoren – wenn auch beide Reflex auf die der Irreführung dienende Kampagne PEGIDA – gerichtet auf die realen, vom US-Imperium ausgehenden Bedrohungen. Endgame-Initiator Frank Geppert ist aktiv in der "Friedensbewegung Halle". Motto: "Frieden! Ehrliche Medien! Soziale Gerechtigkeit! Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf!“ Frank Geppert sagt auf Nachfrage, es sei ihm wichtig, dass die im Wort PEGADA verwendeten Begrifflichkeiten "patriotisch" und "Abendland" in der Bezeichnung Endgame nicht mehr enthalten sind.

Und auch eine linke Tageszeitung stößt in die gleiche Richtung. Am 25.2.2015 schreibt sie auf ihrer antifa-Seite unter dem Titel "Neonazis bei 'Endgame' in Halle": „Laut Polizei fanden sich am Samstag auf dem Marktplatz in Halle rund 300 Anhänger der Gruppe 'Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas' (Endgame) ein, darunter bekannte Neonazis. Dabei sollen Organisator Frank Geppert und der Sänger der Band 'Die Bandbreite', Marcel Wojnarowicz alias 'Wojna', mit dem NPD-Funktionär Thomas Wulff gescherzt haben, meldeten Antifagruppen in sozialen Netzwerken. Ein Foto zeigt 'Wojna' im Gespräch mit Wulff.“

Es ist kaum zu glauben, wie die Dinge verdreht und verzerrt werden. Bewusst eingeschleuste Neonazis als typische Kundgebungsteilnehmer erscheinen zu lassen, ist bösartig. Es herrscht Krieg. Und linke Kräfte werden in diesen Kampf hineingezogen, anscheinend ohne es zu bemerken. Fast niemand erfährt, was sich tatsächlich in Halle ereignet hat, z.B. dass Wojna sich an die mit USA- und Israel-Fahnen auftretenden Gegendemonstranten gerichtet hat und sie spontan direkt mit folgenden Worten angesprochen hat.

Wojnas Spontan-Rede:

Ich möchte meine Worte direkt nach drüben richten, an unsere Gegendemonstranten. Ich sehe da diesen Hammer, den Hammer mit dem aufgedruckten Davidstern. Das ist genau das, was wir nicht brauchen, was wir nicht wollen. Wir wollen nicht mit dem Hammer irgendwo drauf hauen. Wir wollen in Kommunikation miteinander treten, auch mit Euch, denn Ihr behauptet von Euch, Ihr seid Antifaschisten. Und hier stehen auch Antifaschisten. Also kann etwas nicht stimmen, wenn wir gegeneinander demonstrieren. Oder?

Ich möchte Euch da drüben einladen mit uns zu demonstrieren gegen eine Weltmacht, die ständig – immanent – in etliche Länder eindringt, sie mit ihrer ungebremsten Militärmacht niederringt, ins Chaos stürzt und dann die am Boden liegenden Völker und ihr Land ausplündert. Dagegen möchte ich mit Euch kämpfen.

Ich möchte mit Euch kämpfen gegen eine Administration, die Saudi-Arabien unterstützt und finanziert, woher genau die Fanatiker der IS und der ISIS kommen, die Ihr doch genauso hasst wie wir. Oder?

Ich will mit Euch zusammen kämpfen gegen das Wiederaufkeimen der Nazis – in diesem Fall in der Ukraine. Ich hoffe, Ihr habt das mitbekommen. Ich hoffe, Ihr habt mitbekommen, dass wir einen Herrn Trojan als Chef der Kiewer Polizei haben, einen Nazi aus dem Asow-Bataillon, der ohne Probleme das Hakenkreuz am Stahlhelm trägt.

Und ich will mit Euch dagegen kämpfen, dass unsere Bundesregierung in einer Querfront mit den Nazis in der Ukraine 20 Polizei-Ausbilder schickt, um mit einem Nazi zusammenzuarbeiten.

Ich will mit Euch dagegen kämpfen, dass die übelste Geschichtsrelativierung in deutschen Medien stattfindet, dass im ZDF ein Auslandskorrespondent namens Armin Coerper einen Ivan Mamtschur hofiert und ihn zugegebenermaßen als einen ein wenig Rechten, aber als Freiheitskämpfer für die Ukraine tituliert und dabei vergisst, dass er in der SS-Division Galizien gedient hat. Dagegen möchte ich mit Euch da drüben kämpfen.

Ich möchte mit Euch dagegen kämpfen, dass unser Außenminister unverblümt neben einem Faschisten, dem Chef der Swoboda-Partei, zusammen mit Herrn Vitali Klitschko, der schon zu viele Schläge auf seine Nase und vorne auf seinen Kopf bekommen hat, posiert – mit einem Menschen, der vor noch zehn Jahren ausgerufen hat: geht hin, tötet die deutschen Russen- und Judenschweine – gegen einen solchen Antisemiten und die Kollaborateure im Deutschen Bundestag, Frau Göring-Eckardt, Herrn Steinmeier und den ganzen Rest der Fraktion sowie die Konrad-Adenauer Stiftung, die Vitali Klitschkos Partei unterstützt und sich gemein macht mit den Nazis. Mit Euch möchte ich dagegen kämpfen. Denn Faschismus darf sich nie wieder wiederholen. Faschismus darf nie wieder von deutschem Boden ausgehen. Und Krieg darf nie wieder von deutschem Boden ausgehen.

Ich wünsche mir so sehr von Euch, dass Ihr diese Ohren mal aufmacht, die Ihr an Euren Köpfen tragt, dass Ihr mal in ein paar Bücher rein lest, dass Ihr nicht die Propaganda glaubt, die Euch vorgelogen wird von Euren Gruppenführern und von Euren Organisationen, dass Ihr Euer Antideutschtum ablegt. Denn das ist genauso faschistisch und rassistisch wie jeglicher andere Rassismus auch. Das hat keine Zukunft. Wir brauchen den Dialog. Und wir brauchen den Frieden. Und wenn wir Menschen haben, die verwirrt in Dresden auf der Straße stehen, weil sie – obwohl sie keinen einzigen Muslim in ihrer Stadt haben – trotzdem Angst vor Überfremdung und Islamisierung haben, dann sind das Menschen, mit denen wir reden müssen. Denn, wenn man den besagten Holzhammer ihnen auf den Kopf haut, hören sie nicht auf, ausländerfeindlich zu sein, hören sie nicht auf, rassistisch zu sein. Wir müssen mit diesen Menschen reden. Die Kommunikation ist das, was wichtig ist. Alles andere ist "Teile und Herrsche". Das führt in die Spaltung und das führt dazu, dass die, die Euch und uns ausbeuten, da oben weitermachen können wie bisher. Und das dürfen wir nicht zulassen. Ich danke Euch. (Starker Applaus unter den Endgame-Teilnehmern)

Die Band DIE BANDBREITE nimmt einen Tag später wie folgt Stellung:

Derzeit kursiert im Internet ein Foto, das mich – Wojna – mit einem bekannten Neonazi zeigt. Ich war am 21.2.2015 bei der Demonstration "Endgame" in Halle. Dieses Foto wurde augenscheinlich aufgenommen, nachdem ich nach meinem Auftritt von der Bühne kam und er mich ansprach. An diesem Tag sprachen mich etliche der über 500 Demonstrationsteilnehmer an. Dieser Mensch ist weder mir noch der Orga von "Endgame" bekannt, sondern besuchte die Demonstration als Teilnehmer. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, mit ihm gesprochen zu haben. Es scheint, als handele es sich um eine konstatierte Aktion, um die Friedensbewegung und meine Band und mich wieder einmal in Misskredit zu bringen. Man darf sich die Frage stellen, ob dieses Foto aus einem Zufall heraus entstanden ist. Bitte gebt euch nicht blind der Hetze gegen uns hin. Hier wird wieder einmal versucht, mit manipulativen Medien braunen Dreck über uns auszukippen. Wir sind gestandene Antifaschisten und werden auch weiterhin gegen jedweden Faschismus kämpfen!

Frank Geppert, Versammlungsleiter und Moderator, äußert sich drei Tage nach der Veranstaltung wie folgt:

Wir hatten keine Bühne. Das war uns zu teuer. Dadurch hatten wir keinen abgegrenzten Raum. Und Leute kamen auf uns zu, haben uns angesprochen. U.a. war ein Mann da, der sah so aus wie Ernst Thälmann, kam mir vor wie ein Linker, hat mich freundlich angesprochen, und hat vielleicht nur fünf Sekunden mit mir gesprochen. Und innerhalb dieser fünf Sekunden wurden sofort professionelle Bilder aus der ersten Reihe geschossen. Keine Menschen dazwischen. Der Fotograf wusste ganz genau, wann er diese Fotos schießen muss. Und diese Fotos gingen natürlich durchs Netz. Und es stellte sich heraus, dass es ein hoher NPD-Funktionär aus dem Norden ist, den natürlich keiner von uns kannte – ich jedenfalls nicht. Ich habe mich noch nie mit der NPD beschäftigt. Nun wird das natürlich so dargestellt, als ob ich oder die ganze Bewegung Freunde dieser Partei sind.

Das haben wir oft genug gesagt, dass wir Freunde überhaupt keiner Partei sind – weder rechts noch links. Wir sind Freunde von Menschen. Wir sind nicht links- oder rechts-offen. Wir sind mensch-offen. Deshalb werde ich mich auch nicht von einem Menschen distanzieren, auch nicht von diesem Mann, sondern von der Ideologie. Von Nationalismus werde ich mich natürlich distanzieren. Das habe ich so oft erklärt. Das könnt ihr mir auch nicht ans Bein binden. Niemand kann mit so einem Dreck nach mir werfen. Das bleibt nicht haften an mir. Ich stehe für Subsidiarität, für Regionalität – und nicht für Nationalismus. Nationalismus ist die Ebene – wenn auf dieser Ebene Macht konzentriert ist, wenn dort soviel Macht in Unternehmen steckt, dass sie die Politik korrumpieren können, die Medien kaufen können, dann kann alles Mögliche passieren. Dann kann auch Faschismus und Totalitarismus entstehen. Deshalb stehen wir für Subsidiarität, dafür, dass die kleinsten Einheiten die Macht haben und die hohen – oben – in den Zentralen – sei es im Bund oder der EU – dürfen keine Macht haben, sondern müssen Dienstleistungsstellen sein, müssen den untergeordneten Ebenen und dem Volk dienen. Das ist echte Demokratie. Das ist das, was wir anstreben...

... Ich werde es nicht zulassen, dass Ihr diese Menschen [die für andere Menschen auf die Straße gehen] durch den Kakao zieht und in Schmutz werft – und schon gar nicht, wenn es von Leuten kommt, die in den eigenen Reihen Rassisten und Unmenschen zu stehen haben. Ich will Euch ein Beispiel bringen: unsere Gegendemonstranten standen dort mit so einem aufblasbaren, riesigen Hammer, mit einem Judenstern drauf – was ja schon [in dieser Kombination] ein sehr schlimmes Symbol ist, ein zerstörerisches Symbol von einer Religion ausgehend. Und mit diesem Hammer haben sie symbolisch auf die Palästina-Fahne geschlagen, also damit ein Volk gedemütigt, erniedrigt, das staatenlos lebt, das unsere Solidarität verdient hat. Und diese Unmenschen stehen in den Reihen von Grünen und Linken von der Linksjugend Solid, die regelmäßig "USA, USA" gerufen hat, also einen Staat verherrlicht, der imperialistisch ist, ein Beispiel schlimmsten Kapitalismus, in dem Menschen in Zeltstädten wohnen, ein Staat, der mit seiner Regierung einen militärisch-industriellen Komplex unterhält, die größten Rüstungsausgaben der Welt hat, fast 1000 Militärbasen in der ganzen Welt, die uns total überwachen, die Folter- und Drohnenmorde in der Welt betreiben. So etwas wird geduldet von den Linken. Das hat mit Links nichts mehr zu tun. Wir, die wir Humanisten sind, stehen viel weiter links als die...


Hinweise:

(EnDgAmE #2) Reportage zur Demo in Halle vom 21.02.2015 (komplett)
Video von Hagen Grell vom 24.02.2015
https://www.youtube.com/watch?v=uqhh3J9qf8Q

Derzeit kursiert im Internet ein Foto, das mich – Wojna – mit einem bekannten Neonazi zeigt.
Video-Statement von DIE BANDBREITE vom 22.02.2015
https://www.facebook.com/video.php?v=10153066778268162

Ich habe Fehler am 21.02.15 gemacht
Video-Statement von Frank Geppert vom 24.02.2015
https://www.youtube.com/watch?v=cH94_DpWPo8

Online-Flyer Nr. 501  vom 11.03.2015

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