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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Das Konkordat
Karlheinz Deschner



Hitler waehlen Im Kölner Dom wurde unter großem öffentlichem Beifall ein Kirchenfenster eingeweiht, das  nicht – wie ursprünglich geplant – sechs WiderstandskämpferInnen gegen die Nazis ehrt, sondern stattdessen 11.263 quadratische Glasstücke in 72 verschiedenen Farbtönen zeigt. Warum die katholische Kirche – deren Kardinal Meisner wenig später mit dem Hinweis, dass „die Kultur entartet“, Schlagzeilen machte - solche Probleme mit dem Aufarbeiten ihrer jüngeren Vergangenheit hat, wird durch Karlheinz Deschners Serie zur Politik der Päpste im 20. Jahrhundert deutlich und aktuell durch die Seligsprechung von einigen hundert „Märtyrern" im spanischen Bürgerkrieg. – Die Redaktion

Das römische Papsttum – durch Kriege und Betrug groß geworden, durch Kriege und Betrug groß geblieben – hatte durch Pius X. den Ausbruch des Ersten Weltkriegs gefördert und durch Pius XI. entscheidend die Heraufkunft des Faschismus in Italien und Deutschland.  

Nachdem nun der Führer bekommen, was des Führers war, mußte auch der Papst das Seine erhalten. Am 10. April 1933 erschienen bei ihm Hitlers Vizekanzler Franz von Papen und Hermann Göring, der bereits mit der „Nacht der langen Messer“ gedroht und geäußert hatte: „Ich habe keine Gerechtigkeit auszuüben, sondern nur zu vernichten und auszurotten.“ Pius XI. empfing beide mit großen Ehren und zeigte sich, nachdem er Hitler schon früher wiederholt für sein Verbot der Kommunistischen Partei gelobt, abermals beglückt darüber, an der Spitze der Deutschen Regierung eine Persönlichkeit zu sehen, die kompromißlos gegen den Kommunismus kämpfe. 


Hermann Göring: „Nur vernichten und ausrotten..."
Foto: Allgemeingut

So schloß man bereits am 20. Juli 1933 das Konkordat, dessen meiste Artikel, fast zwei Drittel, zugunsten der Kirche ausfielen. Doch wichtiger als jede Einzelheit erschien Hitler das Konkordat als solches (der einzige seiner maßgeblichen außenpolitischen Verträge übrigens, der das Fiasko Deutschlands überdauerte und noch heute in der Bundesrepublik geltendes Recht darstellt). Sein erster völkerrechtlicher Kontrakt. Und mit dem Papst geschlossen! Der „Heilige Vater“, bescheinigten alle katholischen Bischöfe Deutschlands Hitler später – und diese Tatsache muß man sich merken! – , hat derart „das moralische Ansehen Ihrer Person und Ihrer Regierung in einzigartiger Weise begründet und gehoben“ – ich wiederhole: nach dem Zeugnis des gesamten deutschen Episkopats hat der Papst das Ansehen Adolf Hitlers begründet, und er hat es gehoben, in einzigartiger Weise – was Hitler mit Recht als „rückhaltlose Anerkennung“ und „unbeschreiblichen Erfolg“ bezeichnen konnte, verlieh es ihm doch plötzlich vor aller Welt die Legitimität.  


Faulhaber Gedenkstein – wird nach  
vor in Münchner Frauenkirche ver-
ehrt | Foto: Chris 73, Wikipedia.org
Denn in Wirklichkeit – und auch dies ist äußerst bemerkenswert angesichts der nun schon jahrzehntelangen schamlosen Widerstandslügen dieser Kirche, die freilich seit fast zwei Jahrtausenden lügt – denn „in Wirklichkeit“, wie Kardinal Faulhaber von München predigte, „ist Papst Pius XI. der beste Freund, am Anfang sogar der einzige Freund des neuen Reiches gewesen. Millionen im Ausland standen zuerst abwartend und mißtrauisch dem neuen Reich gegenüber und haben erst durch den Abschluß des Konkordats Vertrauen zur neuen deutschen Regierung gefaßt.“

Dabei war der Papst auch mit der eventuellen Mißachtung völkerrechtlicher Verträge durch Hitler einverstanden, traf er doch mit ihm schon damals, in einem geheimen Zusatzprotokoll, eine Abmachung für den Fall, daß die allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden würde.  

Nachdem aber Rom gesprochen, schwenkte der deutsche Episkopat jäh zu Hitler um, nun, so ein Erzbischof: „der große Führer unseres Volkes...“ Und Adolf Bertram, Kardinal von Breslau, pries jetzt dem hochverehrten Herrn Reichskanzler sogleich die Katholiken an als „zuverlässige Stützen der staatlichen und kirchlichen Autorität“ und versicherte, sie seien „freiwillig und aus edelsten Motiven zur Mitarbeit“ bereit, „auch gern... zu Geländesport und Wehrertüchtigung“. Er rechtfertigte die entschlossene Kehrtwendung des hohen Klerus mit den ekelhaften Sätzen: „Wieder hat sich gezeigt, daß unsere Kirche an kein politisches System, an keine weltliche Regierungsform, an keine Parteikonstellation gebunden ist. Die Kirche hat höhere Ziele...“  

Dabei waren für den Freiburger Weihbischof Burger die „Ziele der Reichsregierung... schon längst die Ziele unserer katholischen Kirche“; versprach Bischof Bornewasser von Trier, dem Nazistaat „zu dienen mit dem Einsatz aller Kräfte unseres Leibes und unserer Seele“; wollte Bischof Vogt von Aachen „am Aufbau des neuen Reiches freudig mitarbeiten“; wollte es Bischof Berning von Osnabrück, von Göring zum Staatsrat ernannt, nebst allen deutschen Oberhirten „mit heißer Liebe und mit allen unseren Kräften“ unterstützen; sah Bischof Graf von Galen, der große katholische Widerstandskämpfer, „die höchsten Führer unseres Vaterlandes erleuchtet und gestärkt“ durch die „liebevolle Führung“ Gottes selbst; stellte sich der Freiburger Erzbischof Gröber, der „braune Konrad“, Förderndes Mitglied der SS (wozu ihn freilich wohl nur die entdeckte Verbindung mit einer Geliebten, noch dazu einer jüdischen Geliebten getrieben), nun „restlos hinter die neue Regierung und das neue Reich“; rief Bischof Kaller von Ermland: „Diese große Zeit ist eine Gnade Gottes“; kam es Kardinal Faulhaber, dem hochverdienten Feldprediger des Ersten Weltkriegs, dem Speichellecker von Kaisern, Königen und Diktatoren, durchaus typisch „aufrichtig aus der Seele: Gott erhalte unserem Volk unseren Reichskanzler“.

Graf von Galen
Von Galen – Widerstand von katholischer Seite
Foto: Gustav Albers, Bistumsarchiv Münster

Ja, alle biederten und bräunten sich jetzt an – bis hin zu Konrad Adenauer wieder. Denn dieser lebenslange Opportunist, der als Oberbürgermeister Kölns 1917 die Stadt „untrennbar mit dem Deutschen Reich vereinigt“ sehen, sie 1919 aber „direkt oder als Pufferstaat zu Frankreich“ bringen wollte, erklärte im Winter 1932/33 öffentlich, „daß nach meiner Meinung eine so große Partei wie die NSDAP unbedingt führend in der Regierung vertreten sein müsse“ – und zählte schließlich in einem Brief an Hitlers Innenminister seine Verdienste für die Nazipartei auf, die er „immer durchaus korrekt behandelt“ habe, sogar „wiederholt in Gegensatz zu den damaligen ministeriellen Anweisungen“ (!), und dies auch noch „jahrelang“.  

Kurz, die Stimmung war so, daß gegen Jahresende die – schon im Ersten Weltkrieg vor Chauvinismus und Kriegshetze überschäumende – Jesuiten-Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ nicht nur Hitler das Glaubenssymbol der deutschen Nation nannte, sondern auch das Kreuz Christi die notwendige Ergänzung des Hakenkreuzes: „Das Zeichen der Natur findet seine Erfüllung und Vollendung erst im Zeichen der Gnade.“ 1947 schrieb dieselbe Zeitschrift: „Kirche und Nationalsozialismus schlossen sich in allem Wesentlichen gegenseitig aus wie Licht und Finsternis, wie Wahrheit und Lüge, wie Leben und Tod.“  

Vor 1933 gegen den Nazismus. Nach 1933 für den Nazismus. Seit 1945 wieder dagegen. Dies Verhalten ist mutatis mutandis durchaus symptomatisch für das Verhalten der römischen Kirche durch fast zwei Jahrtausende und die Erklärung für ihr Überleben. Aber: Wer seinen Standpunkt wechselt, muß nicht seine Überzeugung wechseln, wenn das Wechseln des Standpunkts zu seiner Überzeugung gehört. (CH)


Karlheinz Deschner, 1924 in Bamberg geboren, im Krieg Soldat, studierte Jura, Theologie, Philosophie, Literaturwissenschaft und Geschichte. Über seine literarischen, literatur- und kirchen-kritischen Werke berichtet der Dokumentarfilm "Im Grunde bin ich ein aus lauter Zweifeln bestehender gläubiger Mensch" (siehe www.kaos-archiv.de). Der 83jährige arbeitet zurzeit am 9. Band seines Werks „Kriminalgeschichte des Christentums“ (siehe www.deschner.info) und erhielt – nach einigen anderen Literaturpreisen – Anfang 2007 in Mailand den Giordano Bruno-Preis.

Einen Teil des hier vorliegenden Textes finden Sie als Filmausschnitt in dieser NRhZ-Ausgabe
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Online-Flyer Nr. 505  vom 26. Dezember 2024



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