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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Lokales
Industriebrache ehemaliger Güterbahnhof in Köln-Mülheim
Politik entsorgt 20 Jahre Bürgerengagement
Von Heinz Weinhausen

Auf einmal soll holterdipolter ein Bebauungsplan her für die Industriebrache Alter Güterbahnhof in Mülheim-Nord. 20 Jahre Bürgerengagement in Sachen Planung von Arbeiten und Wohnen eines neuen Stadt-Quartiers würden damit einfach weggewischt. Schon die Mülheimer Erklärung von 1997, die von Initiativen und den Mülheimer Diensten breit aufgestellt war, sprach sich für eine moderne ganzheitliche Stadtquartier-Planung aus. Konkrete Projekte wurden im Rahmen von Plan04 und eines Advocacy-Planning im Bezirksrathaus öffentlich vorgestellt. Teile dieser Planungen flossen in das Mülheim 2020-Programm, was 2009 vom Rat beschlossen, aber von der Verwaltung in der Ausführung bezüglich der Industriebrache ignoriert wurde.

Unbestelltes Land - Industriebrache Alter Güterbahnhof Mülheim-Nord heute
Foto: Helmut Goldau
 
Jetzt heißt es für die Mülheimer Vereine und Bürgerinitiativen, ganz abzutreten und Platz zu machen für die Zürich-Versicherung, die sich nun ansiedeln will mit angeblich 3.000 Arbeitsplätzen, die hierhin verlagert werden sollen. Kein Wort mehr davon, dass auch ein Bau-Recyclinghof mit Secondhand-Baumarkt und das Internationale Geschäftshaus mehr als 1.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen würden, günstigerweise als Chance für Langzeitsarbeitslose und für viele ImmigrantInnen.
 
Jetzt am 27. April fiel in der Bezirksvertretung Mülheim die Entscheidung. Einzig Nijat Bakis von der LINKEN setzte sich in seinem Änderungsantrag zum Bebauungsplan dafür ein, dass Bürgerinnen und Bürger nicht als Manövriermasse zu behandeln sind. Er beharrte darauf, dass erst das vorgesehene demokratische Werkstattverfahren durchzuführen sei, bevor der Bebauungsplan aufgestellt wird.

Erschreckend war in der Abstimmung, dass er damit alleine blieb. Die grüne Fraktion, die sich stets für ein Wohnen und Arbeiten auf der Industriebrache eingesetzt hatte, fiel mal wieder um und stimmte für die Zürich. Vor einiger Zeit wechselte sie schon einmal ihre Farbe und stimmte mehrheitlich für Tempo 50 im Einkaufsbereich der Frankfurter Straße. 

plan04B - BürgerInnen entwickeln Vorschläge
Quelle: INA

Die MBL-Mülheimer Bürgerliste mit ihrer Pressemitteilung wie der Verein "Nachbarschaft Mülheim-Nord" und der Geschichtswerkstatt Mülheim mit ihrem offenen Brief versuchten dieses für Mülheim schlimme Szenario zu verhindern. Wir dokumentieren beides im Folgenden. Die im Jahre 2009 vom Rat der Stadt Köln beschlossenen vorgesehenen Entwicklungen auf der Industriebrache können im Mülheim 2020-Programm nachgelesen werden. (1)

Information der MBL - Mülheimer Bürgerliste vom 27.04.2015
 
Heute geht es in der BV darum, ob die Firma OSMAB ihren Riegel mit Hochhäusern von 10-13 Geschossen bauen und damit UNSEREN GÜTERBAHNHOF vollstellen darf. Das vom Rat in MÜLHEIM 2020 längst beschlossene und von uns Mülheimern gewünschte Konzept von Wohnen und Arbeiten wäre damit für alle Zeit erledigt. 
 
Die Zürcher wird dabei nur als grober Keil verwendet, denn wie Weißenstein für die LINKE im Stadtentwicklungsausschuss (StEA) richtig vermerkt hat, wird das Konzept, welches jetzt auf Betreiben der SPD durchgepeitscht werden soll, auch dann weitergelten, wenn die Zürcher aussteigt.

Stadtteilführung mit Martin Stankowski
Quelle: INA
 
Es ist ja nicht auszuschließen, dass die klugen Schweizer irgendwann feststellen, dass sie gleich zwei faule Angebote erhalten haben, welche mit hoher historischer Hypothek belastet sind, nämlich das Barmer Viertel, wo 2006 in einem städtebaulichen Amoklauf von SPD, CDU, FDP und Grünen ein historisches Kölner Musterwohngebiet mit 400 Genossenschaftswohnungen der Spitzhacke zum Opfer fiel, und der Mülheimer Güterbahnhof, dessen Bebauung mit einem "liebens- und lebenswerten Viertel für die Mülheimer" ( so heißt es in einer Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen) für die Entwicklung von Mülheim Nord und die Verbindung der isolierten Problembereiche Berliner Straße und Keupstraße für die Entwicklung Mülheims unverzichtbar ist.
 
Dagegen hatte sich von Anfang an die Mülheimer SPD und ihr Ratsmitglied und Stellv. StEA-Vorsitzender Michael Zimmermann gesperrt, welche auch die Fortsetzung der Sanierung in diesem ehemaligen "Ersatzgelände der Sanierung" verhindert und auf diese Weise die Grundstücksspekulation von DB an AURELIS und von AURELIS an OSMAB erst ermöglicht hat. Die Grünen, unter Barbara Moritz noch Vorkämpfer für Wohnen und Arbeiten zwischen Keupstraße und Berliner Straße, sind nun umgekippt und haben dem Irrsinns- Bebauungsplan im StEA zugestimmt.
 
Es wird sich nun heute Nachmittag in der BV zeigen, ob der Ortsverband Mülheim und deren Vertreter in der BV ebenfalls umkippen oder sich dem berechtigten Protest der Bürger anschließen.
Dieses Vorgehen der Grünen Ratsfraktion ist auch ein Schlag in das Gesicht der Grünen OB-Kandidatin Henriette Reker, welche als Teil ihres Wahlprogrammes für mehr Bürgerbeteiligung eintritt.
 
Deswegen wird heute Nachmittag der Vertreter der LINKEN, Nijat Bakis, die Forderung der Mülheimer aufgreifen und beantragen, dass das B-Planverfahren solange ausgesetzt wird, bis das Werkstattverfahren zu einem Abschluss gekommen sein wird. Wir sind gespannt, ob sich die Mülheimer Grünen diesem Kompromissvorschlag anschließen oder ob sie wie schon bei MÜLHEIM 2020 wieder der SPD hinterherlaufen und Mülheim und seine Bürger ihrer politischen Karriere opfern.

Offener Brief von Geschichtswerkstatt Mülheim und Nachbarschaft Mülheim-Nord e.V. vom 21.04.2015:
 
Bebauungsplan ehemaliger Güterbahnhof Mülheim
 
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Geschichtswerkstatt Mülheim und die Nachbarschaft Mülheim-Nord e.V. wenden sich entschieden gegen die Bebauung des ehemaligen Güterbahnhofs entsprechend dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Eine solche Entscheidung macht nach unserer Auffassung eine positive Entwicklung Mülheims über Jahrzehnte hinaus unmöglich und vergibt Chancen, die über viele Generationen nicht wieder genutzt werden können.
 
Die vorgestellte monokulturelle Nutzung durch die Versicherungswirtschaft würde die Zerschneidung Mülheims bzw. von Mülheim-Nord manifestieren. Das Gebiet zwischen Schanzenstraße und Mülheim Nord benötigt hingegen eine durchlässige Gestaltung, damit städtebauliche Chancen einer kreativen Quartiersentwicklung genutzt werden können. Daher bitten wir Sie dringendst, einer Bebauung entsprechend des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes in dieser Form nicht zuzustimmen.
 
Begründung der Ablehnung dieses Bebauungsplans mit dem integrierten Handlungskonzept (IHK) MÜLHEIM 2020
 
Die über Jahre entwickelten Gedanken zur Bebauung sind in vielen Plänen und Veranstaltungen öffentlich präsentiert und diskutiert worden. Eine Zusammenfassung enthält das integrierte Handlungskonzept, das als Grundlage für das Mülheim 2020 Programm vom Rat der Stadt Köln in 2009 verabschiedet wurde. Hierin sind u.a. die folgenden Punkte enthalten.
 
Der Mülheimer Norden ist wenig geordnet und durch vielfältige städtebauliche Schneisen geprägt. Für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sind die Öffnung des nördlichen Mülheim vom Gewerbegebiet Schanzenstraße bis zum Rhein und das Zusammenwachsen dieses Viertels von grundlegender Bedeutung.
 
Mit der Öffnung wird die Berliner Straße mit ihren soziokulturellen Einrichtungen MüTZe, Kulturbunker und Bürgerpark als Einkaufsstraße an das Schanzenviertel angeschlossen. Durch zusätzliche Wohnbevölkerung werden auch diese Einrichtungen stärker frequentiert und eine Belebung des Stadtteils erreicht.
 
Das Gewerbe der Medien-, Kultur- und Kreativwirtschaft braucht ein Hinterland und eine Anbindung an ein Wohnviertel. Das Böckingviertel und die neue Wohnbebauung am ehemaligen Kabellager („Schlackenbergviertel“) werden zusätzlich belebt. Eine bisher nicht rentable Restauration/Café am Rheinufer könnte sich endlich etablieren.
 
Auch die Keupstraße wird damit angebunden und ihr wirtschaftliches Potential besser genutzt. Bereits jetzt besteht in der türkisch geprägten Keupstraße ein eklatanter Mangel an geeigneten Geschäftsräumen. Durch die Erschließung des Geländes für Gewerbe und Handel kann diesem Mangel abgeholfen werden und darüber hinaus eine gemeinsame Stadtteilidentität entstehen. Politisch ist eine Geste gegenüber der Keupstraße erforderlich. Bewohner und Gewerbetreibende haben seit dem Anschlag 2004 viele Diskriminierungen und Benachteiligungen erfahren müssen. Möglichkeiten der Aufwertung und Wiedergutmachung sind eine moralische Pflicht. Die vielen Bekundungen guten Willens vor und nach Birlikte würden endlich beim Wort, die Solidarität ernst genommen.
 
Der lange diskutierte Standort für ein Migrationsmuseum ist hier oder in einem Gebäude des alten Carlswerks ideal. Die zwei Jahre Exil des Schauspiels im Carlswerk haben gezeigt, dass der Ort sehr gut angenommen wird. Mit dem Umzug zurück an den Offenbachplatz wird hier eine Leerstelle entstehen, die möglichst bald gefüllt werden sollte. Die Keupstraße ist die erfolgreichste Geschäftsstraße Mülheims und eine der erfolgreichsten Kölns. Die Insolvenzen und Leerstände sind geringer als in jeder anderen Geschäftsstraße Mülheims. Die Anbindung über den geöffneten Güterbahnhof erschließt das wirtschaftliche Potential. Sie ist ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Das Erscheinungsbild, die Wirtschaftsstruktur der Keupstraße und Mülheims insgesamt werden verbessert.
 
Mit einer Blockbebauung wird die Bevölkerung aus diesem Teil Mülheims fern gehalten. Das Potential in Mülheim-Nord wird nicht erschlossen. Die Verinselung der Viertel bleibt weiterhin bestehen. Die künftige Nutzung dieser Flächen muss zwischen Schanzenstraße, Keupstraße und der westlich angrenzenden Wohnbebauung vermitteln. Die Bebauung ist so zu planen, dass die jetzt noch bestehenden Produktionsanlagen, insbesondere die Drahtwerke Köln, keine Einschränkung für die künftige Nutzung bringen. Dies ist nach Meinung von Fachleuten auch für eine Wohnbebauung möglich.
 
Köln braucht dringend zusätzlichen Wohnraum. Hier bieten sich Flächen an, die eine Bereicherung des Bestandes und eine äußerst verträgliche Erweiterung sehr gut möglich machen. Die Stadterweiterung Mülheims, die 1615 durch die Schleifung von Neumülheim durch die Kölner verhindert wurde, kann 400 Jahre später endlich möglich gemacht werden.
 
Alle Möglichkeiten, die Stadtentwicklung mit staatlicher und bürgerschaftlicher Hilfe zu fördern, sollten genutzt werden. Wie in anderen Fällen öffentlichen Grundstückserwerbs (z.B. Güterbahnhof Gereon, Rheinauhafen) sollte die Stadt mit Unterstützung aus EU-Fonds Bundes- und Landesmitteln die Planung des Geländes zu einer öffentlichen Aufgabe machen. Die Bürger haben es mit ihrer über 30 jährigen Beteiligung bereits so gesehen. Sie möchten endlich gehört und ernst genommen werden!
Wir fordern daher:
 
1) Ablehnung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans und Wiederaufnahme des  2014 begonnenen und von der Stadt Köln zugesicherten, offenen Werkstattverfahrens für den Güterbahnhof
 
2) Start eines Stadtentwicklungskonzeptes für Mülheim-Nord entsprechend der Empfehlung des integrierten Handlungskonzeptes MÜLHEIM 2020 „Wege öffnen – Übergänge schaffen – zusammenwachsen“
 
3) Kauf des Güterbahnhofsgeländes durch die Stadt Köln (Nutzung von Städtebaufördermitteln von EU, Bund und Landl), um eine positive städtebauliche Entwicklung in Mülheim-Nord nach den Vorstellungen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger Kölns und nach Kriterien einer vernünftigen, zukunftsorientierten Quartiersentwicklung zu ermöglichen.
Für die Geschichtswerkstatt Mülheim
Helmut Goldau, Mathilde Kriebs, Eva Rusch
 
Engelbert Becker, Gabi Schönau
Für die Nachbarschaft Mülheim-Nord e.V.
 
Anlagen:
A. Zur städtebaulichen Entwicklung Mülheims
 
1. Zersiedelung Mülheims trotz städtischer Sanierungsprogramme
Ab Ende der 1970er Jahre wurde die Stadtsanierung in Mülheim-Nord vorbereitet und nach langwierigem Werben um Bürgerbeteiligung 1981 begonnen. Bis Mitte der 1990er sind über 120 Mio. € zur Förderung sozialer und wirtschaftlicher Ziele, Verbesserung von Verkehrs- und Erholungsflächen aus Landesmitteln geflossen.
 
Nicht zum Sanierungsgebiet gehörten die Flächen der damals noch produzierenden Betriebe (als größte: F&G, Martin & Pagenstecher und die Bahnflächen). Seit Beginn der Industrialisierung lagen sie außerhalb der Mülheimer Wohngebiete. Mülheim-Nord hat sich um diese Flächen entwickelt, die über 100 Jahre Arbeit brachten und der Stadt Mülheim am Rhein Reichtum und Wohlstand.
 
Die Sanierung war erforderlich, weil die Industrie abwanderte und die Wohnverhältnisse und die wirtschaftliche Situation des Stadtteils sich rapide verschlechterten. Leider erreichten weder die Sanierung noch die Umsetzung des MÜLHEIM 2020 Programms eine grundlegende Verbesserung der Struktur. Eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Mülheim-Nord kann nur erreicht werden, indem Verbindungen geschaffen und Barrieren abgebaut werden. Das wird mit der geplanten Blockbebauung verhindert.
 
2. Situation in Mülheim seit Aufgabe des Güterbahnhofs
Besonders deutlich wird die Zersiedlung Mülheims nach der Aufgabe des Güterbahnhofs und der Entwicklung der Kultur-und Kreativwirtschaft auf den alten Industrieflächen. Mitte der 1990er Jahre wurden erstmals Ideen der Bürgerschaft, zur Bebauung der seit 1985 ungenutzten Brachflächen des Bahngeländes dokumentiert. Damals ging es um eine Gesamtfläche von mehr als 10 ha Güterbahnhof, die als Einheit mit zusätzlich 1,6 ha der zu dieser Zeit aufgegebenen F&G Feuerwache (Keupstraße zwischen Markgrafenstraße und Schanzenstraße) beplant wurde.
 
Es wurden Pläne erstellt, um eine Erweiterung der Wohngebiete von Mülheim-Nord und die Verbindung zwischen dem alten Wohngebiet und dem neuen Kulturgewerbegebiet zu schaffen. Akteure bemühten sich, Flächen zur Realisierung dieser Pläne zu erwerben, entweder als Privatinitiative oder durch Forderungen an die Stadt, diese in öffentliches Eigentum zu überführen.
 
Die Planung zielte auf eine gemischte Wohn- und Gewerbebebauung, die eine Durchlässigkeit vom alten Wohn- zum neuen Gewerbegebiet möglich machen und das gesamte Stadtviertel Mülheim-Nord bereichern sollte. Über die Von-Sparr-Straße und die Langemaßstraße und den Durchgang zum Marktplatz (mit Kulturbunker) sollte eine Anbindung des denkmalgeschützten, äußerst wertvollen und attraktiven Wohnbestandes erreicht werden. Die vorhandene Infrastruktur (u.a. Schule, Bürgerhäuser, Geschäfte, Markt) in den alten Wohnvierteln von Mülheim-Nord könnte erheblich besser genutzt und mit der neu entstandenen im alten Industriegelände optimal verbunden werden.
 
3. Verkehrsituation in Mülheim
Mülheim ist in seiner gesamten Geschichte ein Ort gewesen, in dem die Menschen auch vom Handel und den durch seine Lage entstandenen Verkehrswegen gelebt haben. Die mittelalterliche Rheinfähre, Eisenbahnlinien ab der Frühindustrialisierung, die Autobahn seit 1936 und neuerdings der Flugbetrieb führten immer wieder Verkehrsströme durch und über Mülheim nach Köln. Mit der Zunahme des Gesamtverkehrs, insbesondere des individuellen, ist die Belastung weit über das zulässige Maß hinaus angestiegen.
 
Die Schadstoffmessungen in Mülheim übersteigen seit Jahren die erlaubten Grenzwerte. Regelmäßig werden am Clevischen Ring die höchsten Stickoxidwerte in ganz NRW registriert. Lärmbelastung und Trennungswirkung der vielen Verkehrsarten sind ein städtebauliches Problem, das entschärft werden muss. Zusätzliche Arbeitsplätze ausschließlich für Pendler verschärfen die Verkehrsprobleme und die Belastung für Mülheim erheblich.
 
Dagegen können Diskussionen über Lärmemissionen der Drahtwerke als letztem Betrieb des industriellen Mülheim nicht als echtes Argument gegen eine Wohnbebauung angeführt werden. Bevor zusätzliche Arbeitsplätze mit zusätzlichen Verkehrsströmen angesiedelt werden, muss ein Verkehrskonzept realisiert werden, dass diese Situation entschärft!
 
4. Eigentumsverhältnisse der zu entwickelnden Flächen
In der langen Zeit der Bürgerplanung änderten sich die Eigentumsverhältnisse mehrfach, weshalb ein dauerhafter Dialog zwischen Eigentümern und Bürgern nicht geführt wurde.
 
1) Bundesbahn und F&G, (Reduzierung des Geländes durch Verkauf von ca. 4 ha des nördlichen Bereichs an Drösser, Stahlhandel
2) DB und F&G                                                         (1998 Gründung der DB)
3) DB und Odental Vermögensverwaltung  (Verkauf in 2002)
4) Aurelis und Odental                                              (1998 Ausgliederung aus der DB)
5) Osmab und Odenthal                                            (Verkauf in 2012)

5. Verwertung des Geländes
Die Realisierung des Bebauungsplans wäre aus Sicht des Eigentümers ein Erfolg. Nach über 20jähriger erfolgloser Bürgerplanung konnte innerhalb von weniger als drei Jahren ein finanzkräftiger Investor gefunden werden. Die Rentabilität für den Eigentümer steht außer Frage. Eine andere Frage ist, ob die Planung eine sinnvolle Struktur für den Stadtteil schafft. Das ist nach Analyse der historischen und zukünftigen Strukturentwicklung ganz klar zu bestreiten.
 
Ähnliches ist für das Gelände der ehemaligen Feuerwache zu befürchten. Auf einer Grundfläche von 16.000 qm können laut Informationen auf der Internetseite medienzentrum-ost.de- Feuerwache 50.000 qm bebaute Nutzfläche entstehen. Daraus könnte bei einem Mindestverkaufspreis von 3.000 €/qm Gebäudenutzfläche ein Erlös von 150 Mio € erzielt werden. Dieses Grundstück ist Ende der 1990er Jahre für einen Bodenpreis von 200 DM/qm vom damaligen Eigentümer F&G einer Gemeinschaft vorwiegend türkischstämmiger Geschäftsleute angeboten und später gegen deren Entscheidung an den anderen Interessenten verkauft worden. Bei den Gesamtkosten und -preisen für die bebaute Fläche wäre dieser Preis mit weniger als 1% Kostenanteil eine geringe Einflussgröße. Die Rechnung zeigt, die relativ geringe Bedeutung des Kaufpreises für den Investor bei der folgenreichen Entscheidung über den Standort eines Immobilienprojektes
 
B. Suche nach alternativen Standorten
 
1. Gelungene Beispiele von Ansiedlungen für versicherungswirtschaftliche Nutzung
Die Gothaer Versicherung hat ihren zentralen Standort in Köln-Zollstock zwischen Höninger Weg, Pohligstraße und der linksrheinischen Haupteisenbahnlinie. Dieser Standort ist ein ideales Beispiel für ein gewerbliches Verwaltungsareal. Es ist eingegliedert in die Verkehrsumgebung und steht nicht in Konkurrenz zur Wohnbebauung. Die mit dem Bau erschlossenen Straßen wurden nach Vorschlag des Eigentümers benannt und heißen Gothaer Allee und Berlin-Kölnische Allee. Hier ist ein Firmenquartier entstanden, das im Interesse der Mitarbeiter und der Bewohner in die originäre Umgebung eingebunden ist.
 
Vergleichbare mögliche Standorte ohne Nutzungskonkurrenz gibt es in Köln mehrfach, es existieren weitere geeignete (Brach)Flächen, die verkehrsgünstig angebunden sind. Die Konkurrenz zwischen Wohnen und Gewerbe könnte auf dem Gelände des ehemaligen Barmer Viertels neun Jahre nach dem Abriss endlich zu einem versöhnlichen Ende kommen. Die teure Fehlentscheidung zum Abriss von 280 Wohnungen würde mit der Ansiedlung der Zuricher Versicherung hier geheilt werden und die Entwicklung von Mülheim-Nord weiterhin möglich sein. Daher hoffen wir mit allen an einer lebendigen und rationalen Entwicklung interessierten Menschen, dass die Versicherungsgesellschaft und der Grundstückseigentümer des ehemaligen Barmer Viertels handelseinig werden.
 
2. Weitere Optionen
Wir wollen die Ansiedlung von Gewerbe in Köln nicht verhindern, auch wenn diese in anderen Gemeinden genauso dringend nötig wäre. Daher sollte eine solche Entscheidung nicht mit Dringlichkeit unter Kosten- und Erlösaspekten getroffen, sondern sorgfältig erwogen werden. Im rechtsrheinischen Köln gibt es Alternativen, weitere in anderen Kölner Stadtteilen:
 
1) Nördlich der Mülheimer Eisenbahnstrecke (Cottbuser Str. 1) befand sich bis 2007 die Druckerei J. P. Bachem. Die Flächen liegen seitdem brach. Das Gelände bietet Entwicklungsmöglichkeiten mit künftig idealer Verkehrsanbindung (S-Bahn Haltestelle Berliner Str.). Es liegt in der Nähe eines historischen Ortes (jüdischer Friedhof aus dem 18. Jahrhundert), der endlich aus seinem Nischendasein heraus gelöst und seiner Bedeutung entsprechend integriert werden könnte. Das Gelände würde durch die Bebauung aufgeschlossen und aufgewertet, die Erschließung des Stadtteils würde nicht blockiert sondern gefördert.
 
2) Die Bebauung beim AXA Gelände in Holweide könnte erweitert werden. Hier ist Platz für ein Versicherungsviertel mit variabler Nutzung der Flächen.
Eine bessere Planung würde von vorhandenen, bebaubaren Flächen ausgehen. Wo sind Lagen, die optimal geeignet sind für die Bedürfnisse des Investors und die der Bewohner und des Stadtteils? Ausgehend von den Bedürfnissen und nicht allein vom Angebot lassen sich sicherlich bessere Lösungen finden. Die Geschichtswerkstatt und viele Aktive in der Diskussion um Bürgerbeteiligung werden sich gerne daran beteiligen. (PK)


(1) Download unter http://rettet-unsere-veedel.ina-koeln.org
 


Online-Flyer Nr. 509  vom 06.05.2015

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