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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Inland
Offener Brief an den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier
Warum haben Sie diesen Juden vergessen?
Von Evelyn Hecht-Galinski

Die den NRhZ-LeserInnen seit Jahren bekannte Autorin und Publizistin Evelyn Hecht-Galinski hat dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu seiner Rede bei der Gedenkveranstaltung des 70. Jahrestag des Kriegsendes vor dem Abgeordnetenhaus von Berlin einen Offenen Brief geschickt, den Sie im Folgenden lesen können. Steinmeiers Rede hat das Auswärtige Amt anschließend im Internet veröffentlicht. Den Link dazu finden Sie unter dem Offenen Brief. Die Redaktion.

Was ist von einem Geschichtsverständnis eines deutschen Außenministers zu halten, der in seiner Rede zum Gedenken des Kriegsendes vor 70 Jahren in Berlin , wenn er an die beispiellosen Verbrechen der Shoah erinnert, eine der wichtigsten jüdischen Persönlichkeiten, die mit der Stadt Berlin verbunden waren, aber einfach unerwähnt lässt.
Es war Heinz Galinski, der jüdisches Leben nach 1945 in Berlin maßgeblich wieder aufbaute. Es war Heinz Galinski, der trotz seines Schicksals - seine erste Frau und seine Mutter wurden in Auschwitz vergast, er selbst der Hölle von Zwangsarbeit in mehreren Konzentrationslagern entkommen - es sich zum Lebensziel gemacht hatte, nach seiner Befreiung wieder jüdisches Leben in Deutschland aufzubauen. Heinz Galinski, ein deutscher Jude, war ganz besonders mit Berlin verbunden. Seit seiner Befreiung in Bergen Belsen 1945,zog es ihn sofort wieder nach Berlin, dort wurde er vom damals noch Gesamtberliner Magistrat angestellt und mit der Betreuung der "rassisch verfolgten Opfer des Faschismus" betraut. Unter anderem stellte er auch Erich Honecker, dem späteren Staatsratsvorsitzenden der DDR seinen "Entnazifizierungsschein" aus.
 
Bis 1948 lebte Galinski in Ost-Berlin in der Schönhauser Allee, wo es eine Gedenkplakette an seinem ehemaligen Wohnhaus für ihn gibt. 1948 zog er in den Westen der Stadt Berlin, wo er 1949, als die Teilung Berlins faktisch auch die Jüdische Gemeinde in Berlin auseinander gerissen hatte, der erste  Vorsitzende der jüdischen Gemeinde zu Berlin wurde und dieses Amt bis zu seinem Tod 1992 behielt. Außerdem wurde er noch Zentralratsvorsitzender der Juden in Deutschland und  war seit 1987 Ehrenbürger der Stadt Berlin und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes.

Der Name von Heinz Galinski ist mit der Stadt Berlin, dem Neuanfang von jüdischem Leben in Berlin und Deutschland nach der Shoah eng verbunden und sucht seinesgleichen. Er gab den überlebenden Juden das Gefühl, wieder eine Heimstätte in Berlin zu haben und verabscheute es auf gepackten Koffern zu leben. Ebenso lehnte Galinski es vehement ab, den Deutschen eine Kollektivschuld an den Verbrechen der Nazi-Zeit zu geben.

Wie also Herr Außenminister Steinmeier können Sie an diesem Tag von einem Wunder dieser Freundschaft mit Juden und Israel nach der Shoah sprechen, Heinz Galinski aber vergessen? Ich erwarte von einem deutschen Außenminister Geschichtsbewusstsein  und Wissen, das Sie leider vermissen lassen. So erscheint es mir allerdings als Wunder, dass Sie Außenminister werden konnten. Ungezügelte Liebe zu Israel und Juden, philosemitische Verklärung reichen nicht aus. im Gegenteil, damit schaden Sie den jüdischen Bürgern nur!
 
Das jüdische Leben blüht nicht durch Bagels in Berlin auf, sondern durch deutsche Juden, wie Heinz Galinski, die dieses Leben zu neuer Blüte brachten. Heinz Galinski und Berlin sind ein Begriff, wie Willy Brandt und Berlin, aber auch dieses Erbe hat die SPD inzwischen verraten und vergessen. (PK)
 
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2015/150502_Rede_BM_70_Jahrestag_Kriegsende_Berlin.html
 
Evelyn Hecht-Galinski ist die Tochter von Heinz Galinski und schreibt regelmäßig Kommentare für die NRhZ vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt: sicht-vom-hochblauen.de.


Online-Flyer Nr. 508  vom 03.05.2015

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