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Lokales
CBG-Prozess wegen Kooperation zwischen der Uni Köln und der BAYER AG
Prof. Kreiß „Kooperationen mit Industrie offenlegen“
Von Peter Kleinert

Bereits im Frühjahr 2008 hatte der BAYER-Konzern mit der Kölner Universität eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung vereinbart. Die Vertragsbedingungen blieben jedoch im Dunklen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) befürchtet eine Ausrichtung der pharmakologischen Forschung an öffentlichen Einrichtungen nach rein wirtschaftlichen Kriterien: "Insgesamt zehn Verbände unterstützen unsere Forderung, den Vertragstext offen zu legen. Der Beauftragte für Informationsfreiheit des Landes NRW befürwortet unser Anliegen. Trotzdem verweigert die Universität weiterhin eine Einsichtnahme", so die CBG, die deshalb jetzt erneut Gericht zieht. Professor Christian Kreiß, Autor des Buches „Gekaufte Forschung – Wissenschaft im Dienst der Konzerne“, unterstützt die Klage der CBG auf Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag.

Demo von UnterstützerInnen des ersten CBG-Prozesses in Köln
Quelle: CBG
 
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat nun für den 18. August eine Verhandlung zur Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zwischen der Universität Köln und dem BAYER-Konzern angesetzt. Das Kölner Verwaltungsgericht hatte sich im Dezember 2012 über das Votum des NRW-Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Ulrich Lepper zugunsten der CBG hinweg gesetzt. Dieser hatte den Vertrag eingesehen und keine Inhalte gefunden, die einer Einsichtnahme entgegenstehen. Die CBG ging daher in Berufung.
 
Prof. Dr. Christian Kreiß von der Hochschule Aalen begrüßt das Verfahren: „Durch den zunehmenden Einfluss von Konzernen auf die öffentliche Forschung - sei es über direkte Zahlungen, sei es über industriefreundliche Gremienbesetzungen - werden die Ergebnisse immer einseitiger und immer stärker interessengeleitet. Letztlich stellt sich die Frage, ob die Forschung öffentlicher Hochschulen dem Allgemeinwohl oder den Gewinninteressen einiger weniger dienen soll. Es ist daher das mindeste, solche Kooperationsverträge offenzulegen. Ich würde sogar einen Schritt weitergehen und direkte Zahlungen von Wirtschaftsunternehmen an öffentliche Hochschulen untersagen.“
 
Professor Kreiß: Gekaufte Forschung
 
Prof. Kreiß verweist auf die mitunter gravierenden Konsequenzen der Heimlichtuerei. So bezahlte die Tabakindustrie jahrzehntelang renommierte Forscher dafür, dass sie behaupteten, Rauchen und Passivrauchen wären unschädlich. Interne Unterlagen zeigen, dass die Finanzierung der Wissenschaftler top secret war, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden. So gelang es über Jahrzehnte, raucherfeindliche Gesetze zu verhindern. Ähnlich verfuhr die Chemieindustrie: Durch gekaufte Gutachten verfälschte sie Studienergebnisse zu gesundheitsschädigenden Chemikalien wie Holzschutzmittel oder Polychlorierte Biphenyle (PCB) und konnte diese jahrzehntelang weiterproduzieren.
 

CBG-Unterstützer Professor Dr. Christian Kreiß
Quelle: Webseite Prof. Christian Kreiß
 
In der Medikamenten-forschung werden heute rund 90 Prozent aller veröffentlichten Studien durch die Pharmaindustrie finanziert. Negative Studienergebnisse veröffentlichen die Unternehmen häufig nicht, so dass der Nutzen neuer Medikamente aufgebauscht und die Schäden verharmlost werden. Dies führt oft zu falschen Therapie-Empfehlungen.
 
Christian Kreiß abschließend: „Das Problem gelenkter Forschung ist meist nicht, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse falsch sind, sondern dass Teilwahrheiten zur einzigen oder Gesamtwahrheit erklärt werden und mit großer Kapitalkraft in der Öffentlichkeit kommuniziert werden. So setzen sich in den Medien und der Politik nicht die besseren Argumente durch, sondern diejenigen mit dem dickeren Geldbeutel.“
 
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte vergangene Woche entschieden, dass der Bundestag jedem Bürger Einsicht in wichtige Dokumente des Wissenschaftlichen Dienstes geben muss. Geklagt hatte die Redaktion der "Welt". Zur Anwendung kam das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das Bürgern den Zugang zu amtlichen Unterlagen gewährt. Das Gericht kam nun zu der Entscheidung, dass die Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes nicht direkt der geschützten Tätigkeit der Abgeordneten zugeordnet werden können.
 
Die „Welt“ hatte 2011 gestützt auf das IFG die Herausgabe von Dokumenten gefordert, die der frühere Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg für seine Doktorarbeit verwendet hatte. Die Zeitung vertrat die Ansicht, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf Offenlegung und Prüfung der Dokumente hatte. Nur so könne geklärt werden, ob der Bundestag im Jahr 2011 dem Verdacht von Urheberrechtsverstößen ausreichend nachgegangen sei.
 
Nicht durchgesetzt hat sich dabei die Rechtsposition der Anwaltskanzlei Redeker, die auf einem Verschluss der Dokumente beharrte. Redeker ist auch der Prozessgegner der Coordination gegen BAYER-Gefahren in Bezug auf Offenlegung des Kooperationsvertrags von BAYER mit der Uni Köln. Die Experten des Wissenschaftlichen Dienstes erstellen in zehn Fachabteilungen Gutachten zu allen möglichen Themen und liefern den Politikern eine Grundlage für ihre Arbeit. Eine Arbeit des wissenschaftlichen Dienstes hatte vor einigen Jahren festgestellt, dass Drittmittelvereinbarungen zwischen Industrie und Hochschulen einem Transparenzgebot unterliegen können. Dies sei letztlich eine politische und keine juristische Frage.
 
Obwohl der Datenschutzbeauftragte des Landes NRW Ulrich Lepper den im Jahr 2008 geschlossenen Vertrag geprüft und eine Offenlegung nach dem Informationsfreiheitsgesetz empfohlen hatte, setzen sich der BAYER-Konzern und die Universität Köln über dieses Votum hinweg und beharren bis heute auf Geheimhaltung. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung hat sich die Coordination gegen BAYER-Gefahren entschlossen, ihre im Dezember 2012 erstinstanzlich abgewiesene Klage auf Einsichtnahme vom März 2011 erneut einzureichen, weil die Richter am Verwaltungsgericht Köln "sich offenbar nicht die Mühe gemacht hatten, den umstrittenen Vertrag zu lesen und weitgehend der Argumentation der von BAYER und der Universität Köln engagierten Kanzleien Redeker und Freshfields gefolgt waren. Die CBG ging daher in Berufung."
 
Das Berufungsverfahren beginnt am Dienstag, dem 18. August, 11.30 Uhr beim OVG Münster (Sitzungssaal II), Aegidiikirchplatz 5. Eine Kundgebung vor dem OVG wird ab 10.30 Uhr in Münster erwartet. (PK)


Online-Flyer Nr. 517  vom 01.07.2015

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