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Arbeit und Soziales
Bundestagsabgeordneter der LINKEN knöpft sich die Große Koalition vor
Union und SPD "rentenpolitisch handlungsunfähig"
Von Matthias W. Birkwald
Am letzten Tag vor der Sommerpause des Bundestages gab es am Freitag zur Primetime im Plenum noch einmal eine rentenpolitische Debatte. Es ging um 2 Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. MdB Matthias W. Birkwald von der LINKEN nutzte die Gelegenheit, um der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD ihre rentenpolitische Handlungsunfähigkeit vor Augen zu führen. Denn nach dem Rentenpaket der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr wurde nach seiner Ansicht zwar "manches besser, aber nichts wirklich gut!"
Matthias W. Birkwald
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorgestern hatte das Rentenpaket mit der sogenannten Mütterrente und der Rente ab 63 seinen ersten Geburtstag.
Online-Flyer Nr. 518 vom 08.07.2015
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Arbeit und Soziales
Bundestagsabgeordneter der LINKEN knöpft sich die Große Koalition vor
Union und SPD "rentenpolitisch handlungsunfähig"
Von Matthias W. Birkwald
Am letzten Tag vor der Sommerpause des Bundestages gab es am Freitag zur Primetime im Plenum noch einmal eine rentenpolitische Debatte. Es ging um 2 Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. MdB Matthias W. Birkwald von der LINKEN nutzte die Gelegenheit, um der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD ihre rentenpolitische Handlungsunfähigkeit vor Augen zu führen. Denn nach dem Rentenpaket der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr wurde nach seiner Ansicht zwar "manches besser, aber nichts wirklich gut!"
Matthias W. Birkwald
NRhZ-Archiv
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Seit einem Jahr tagt auch Ihre Arbeitsgruppe für einen flexiblen Übergang in die Rente, die AG „Flexi-Rente“. Und was ist seit einem Jahr? Still ruht der See. Mit anderen Worten: Die Große Koalition ist rentenpolitisch handlungsunfähig.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dabei gibt es gute Gründe, über flexible Altersübergänge nachzudenken. Den wichtigsten kann ich Ihnen allen leider nicht ersparen. Die Rente erst ab 67 ist nach wie vor für die übergroße Mehrheit der Beschäftigten nicht zu schaffen. Darum fordert DIE LINKE: Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen spätestens ab 65 Jahren abschlagsfrei aus guter Arbeit in die Altersrente gehen können. Dafür müssen wir alles tun.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir müssen dringend dafür sorgen, dass die Krankenschwester und der Bauarbeiter in Rente gehen können, ohne am Ende ihres Berufslebens auf Hartz IV angewiesen zu sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Krankenschwester muss im Durchschnitt vor ihrem 61. Geburtstag aus dem Beruf ausscheiden, und der Bauarbeiter kann durchschnittlich nur bis 57,5 Jahren schwere Steine schleppen. Dann geht es nicht mehr. Vor allem für diese Menschen sollte die Große Koalition nach Lösungen suchen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ja, es stimmt: Die SPD setzt sich in der AG „Flexi-Rente“ dafür ein, dass besonders belastete Beschäftigte vor dem 63. Geburtstag in die Rente gehen können sollen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben sie eben noch bestritten!)
Okay, diese Zielrichtung stimmt. Aber, liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, seit einem Jahr lassen Sie sich von der Union ausbremsen, und das ist schlecht.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)
Doch, Herr Brauksiepe. - Die Union will, dass die Rentnerinnen und Rentner arbeiten bis zum Umfallen, weit über das Rentenalter hinaus. Ich sage: Diese Art von flexiblem Übergang brauchen wir nicht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die SPD will in eine andere Richtung als die Union.
(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Da war der Kurth noch besser mit seinem Beitrag!)
Selbst das Bundesarbeitsministerium beteiligt sich nicht mehr an dieser Zeitverschwendung, wie das Kollege Linnemann genannt hat. Kein Wunder. Ein Jahr lang läuft Ihre AG „Flexi-Rente“ nun. Was haben Sie vorgelegt? Nichts. Niente. Nietzsche. Nada. Null. So ist es.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich mache Ihnen einen Vorschlag - das, was Herr Kurth gesagt hat, trifft nämlich auf DIE LINKE zu: Wir LINKEN haben bereits im November 2014 einen Antrag mit dem schönen Titel „Statt Rente erst ab 67 – Altersgerechte Übergänge in die Rente für alle Versicherten erleichtern“ eingebracht. SchauenSie da einmal hinein; darin stehen gute Ideen, zum Beispiel: Weg mit den Abschlägen bei der Erwerbsminderungsrente!
(Beifall bei der LINKEN)
Wer wegen Krankheit in Rente gehen muss, dem darf doch die Rente nicht gekürzt werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Den Gesetzentwurf dazu hatten wir LINKEN übrigens schon direkt nach der Bundestagswahl im Oktober 2013 eingebracht. Und: Die Hartz-IV-Betroffenen dürfen nicht mehr gegen ihren Willen in die Rente gezwungen werden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diesen Antrag hat DIE LINKE bereits im Februar in den Bundestag eingebracht.
(Katja Mast (SPD): Und nicht umgesetzt!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich freue mich, dass Sie uns LINKE hier unterstützen und diese beiden Punkte in Ihren Antrag aufgenommen haben. Ich danke Ihnen dafür ausdrücklich im Namen der Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner und der 63-jährigen Hartz-IVBerechtigten.
(Beifall bei der LINKEN)
(Dr. Mathias Zimmer, CDU/CSU): Das erste Mal, dass ein Plagiat was taugt!)
Ihr Antrag enthält noch andere gute Vorschläge. Sie wollen die Erhöhung der Regelaltersgrenze für Schwerbehinderte von 63 auf 65 Jahre zurücknehmen und das Aussortieren von älteren Arbeitslosen abschaffen. Gut so! Hier sind wir uns einig. Das war es dann aber auch.
In der FAZ vom 23. Juni 2015 war zu lesen - ich zitiere -: Jeder entscheidet ab 60 Jahren selbst, wann er in Rente geht. Wer früher in Rente geht, erhält eine geringere, wer später geht, eine höhere Rente.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja! So ist es doch!)
Das sagte Johannes Vogel, FDP-Bundesvorstandsmitglied.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Bündnis 90/Die Grünen schlagen jetzt in die gleiche Kerbe. Die Grünen wollen - ich zitiere aus ihrem Antrag - „eine längere Teilhabe am Erwerbsleben… ermöglichen“.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sind wir uns zufällig mal einig mit der FDP!)
Im Handelsblatt vom 29. Juni heißt es - Zitat -: Der Vorschlag der Grünen zielt darauf ab, Ältere so lange wie möglich im Job zu halten. … Jeder dürfte ab 60 gehen, aber mit vollen Abschlägen.
Die Rückkehr von Rentnern ins Erwerbsleben soll gefördert werden, indem der Rentenbeitrag, den Arbeitgeber auch für sie zahlen, zu einer höheren Rente führt.
Jetzt kommt es:
Damit kommen die Grünen ähnlichen Forderungen des CDU-Wirtschaftsflügels entgegen.
(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind doch nicht dafür verantwortlich, was die FAZ schreibt! Das ist ja lächerlich!)
FDP und CDU-Wirtschaftsflügel, liebe Grüne, das zeigt: Hier seid ihr auf dem Holzweg.
(Beifall bei der LINKEN - Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, ist das billig! Das kannst du besser!)
Meine Damen und Herren, die Grünen sagen, man soll schon vor 63 in Rente gehen können, aber dann eben mit noch höheren Abschlägen. Das klingt ja schön und einfach. Aber was bedeutet das? Der Jahrgang 1950 geht ab 65 Jahren und vier Monaten in Rente. Ginge man schon ab 61 in Rente, müsste man dann lebenslang 15,6 Prozent Abschläge von der monatlichen Rente von sagen wir einmal 1.200 Euro in Kauf nehmen. Das macht bei der aktuellen Lebenserwartung also rund - halten Sie sich an den Stühlen fest - 46 000 Euro
Verlust für den Mann und 54 250 Euro Verlust für die Frau. Nein, liebe Liberale vom Wirtschaftsflügel der Union, und nein, liebe Liberale von den Grünen, das ist keine Grundlage für eine freie Entscheidung. Ihr Vorschlag ist nur für Besserverdienende gut. Alle anderen können sich die Abschläge nicht leisten. Dieser Vorschlag ist sozial ungerecht, und darum lehnen wir ihn ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie, liebe Grüne, schlagen vor, dass „Rentenbeiträge der Arbeitgeber künftig rentenwirksam und freiwillige Rentenbeiträge der beschäftigten Rentnerinnen und Rentner ermöglicht werden“. Ich sage Ihnen klipp und klar: Davon halte ich gar nichts. Entweder jemand ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt und will über seine persönliche Regelaltersgrenze hinaus arbeiten. Wer das kann und das will, darf das tun - heute schon; das hat Herr Weiß
berichtet. Dafür brauchen wir kein neues Gesetz. Wer länger arbeiten will, bekommt dafür 6 Prozent lebenslange Zuschläge pro Jahr auf seine Rente und den üblichen Entgeltpunktanteil. Das bedeutet bei einer regulären Altersrente von 1.000 Euro: Ein Jahr länger arbeiten gibt 1.090 Euro Rente. Anders gesagt: Es wird so getan, als hätte er oder sie in diesem Jahr rund 9.000 Euro verdient. Ich finde, das ist attraktiv genug.
(Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Birkwald, darf ich Sie an die Redezeit erinnern, welche schon ausreichend genutzt wurde?)
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ja, Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Lassen Sie mich noch diesen Gedanken ausführen. - Oder aber jemand ist bereits in Altersrente; dann darf er oder sie unbegrenzt hinzuverdienen und zahlt weder Beiträge zur Arbeitslosenversicherung noch Beiträge zur Rentenversicherung, hat also netto mehr in der Tasche. Ich finde, auch das ist attraktiv genug.
(Beifall der Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE)
Wir dürfen die Grenze zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand nicht weiter auflösen. Wir LINKEN wollen kein neues gesellschaftliches Leitbild des arbeitenden Rentners oder der rentenberechtigten Arbeiterin. Wir sind gegen Maloche bis zum Tode. Was wir brauchen, ist eine armutsfeste und den Lebensstandard sichernde Rente und ein deutlich höheres Rentenniveau.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Martin Rosemann (SPD): Und die Erde ist eine Scheibe!)
(PK)
Buchtipp:
Armut im Alter - Probleme und Perspektiven der sozialen Sicherung
Herausgegeben von Prof. Dr. Christoph Butterwegge; Prof. Dr. Gerd Bosbach
und Matthias W. Birkwald, MdB - DIE LINKE
395 S. in deutscher Sprache, Kartoniert
2012 Campus Verlag
ISBN 3-593-39752-8
ISBN 978-3-593-39752-8 | KNV-Titelnr.: 33514901
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