Glossen
LINKE und Grüne dämmern mit
Die Merkel-Dämmerung
Von Ulrich Gellermann
Wenn Angela Merkel den CDU-Parteitag in zwei Wochen überstehen sollte, dann nur, weil sich keiner als Gegenkandidat aus der Deckung getraut hat: Schäuble nicht, weil er zu alt ist, von der Leyen nicht, weil sie zu kalt ist und de Maizière nicht, weil er erkennbar zu dumm ist. Wenn sich keiner traut. Denn die Dauer-Kanzlerin droht zwischen zwei Schnittkanten geschreddert zu werden: Der wachsenden Zahl von Flüchtlingen aus den Kriegsländern und der Ausweitung des Syrienkrieges auf die Bundesrepublik Deutschland. Auf dem EU-Sondergipfel mit der Türkei hat die Kanzlerin den Rest an demokratischem Ballast in der Außenpolitik über Bord geworfen und durchgesetzt, dass dem Schutzgeld-Erpresser Erdogan viel Geld gezahlt wird, um die vom Westen erzeugten Flüchtlinge ins türkische Ghetto zu pferchen.
Präsident Hollande schätzt seine Kollegin Merkel besonders
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de
Die Türkei ist nachweislich ein Unterstützer des IS: Nicht nur, weil Wladimir Putin unwidersprochen sagen kann: "Tag und Nacht fahren Tank-Lastwagen in die Türkei. Sie kommen aus den vom IS kontrollierten Gebiet voll beladen, und sie fahren leer wieder zurück.“ Es sind "Fahrzeuge, die Öl transportieren, in einer Kolonne, die bis über den Horizont reicht.“ Nicht nur weil das vom IS eroberte Öl seit langem über den staatlich kontrollierten türkischen Hafen Ceyhan, nahe der Stadt Adana, die Kasse der Terror-Organisation füllt. Auch weil Sultan Erdogan lieber Kurden bomben lässt als sich ernsthaft gegen den IS zu wenden. Dieser Erdogan war nun Merkels Wunschpartner in Brüssel und kam nicht mal selbst, sondern schickte nur seinen Laufburschen, Ahmet Davutoglu, der durfte sich dann als Retter der EU darstellen.
Der neue deutsche Krieg in Syrien ist – glaubt man den Mehrheits-Medien – längst beschlossene Sache. Fröhlich textet der verhaltensauffällige Daniel Brössler in der SÜDDEUTSCHEN von einem "Waffengang", als sei in Syrien ein Ritter-Turnier zu bestreiten. Die ZEIT titelte zum Bundeswehr-Syrien-Einsatz: "Aus Liebe zu Frankreich". Denn Liebe geht anscheinend durch Granaten. Auf "tagesschau.de" ist sich Jochen Graebert vom ARD-Hauptstadtstudio schon gewiss: "Jetzt ist Deutschland also doch Kriegspartei in Syrien." Wer will sich schon mit dem Parlament, dem Völkerrecht oder gar mit dem Grundgesetz aufhalten? Zumal die Stammtisch-Leuchte Stefan Kornelius von der SZ jetzt schon entschieden hat, wie der Krieg ausgeht: "Die Person Assad wird gehen müssen." Die Schreibtisch-Helden freuen sich erkennbar auf einen weiteren deutschen Krieg.
So wie die Bundesregierung keinen Plan zum Flüchtlingsproblem vorlegt, so will sie sich planlos in einen Krieg stürzen, der schon verloren ist, bevor deutsche Piloten ihn weiter verlieren helfen. Ohne Assad und ohne die Syrer, die ihn stützen, gibt es keine Lösung. Ohne eine Koordination mit Russland, kann der "Islamische Staat" nicht zurückgedrängt werden. Und ohne den IS von seiner Finanzierung durch die Türkei und die arabischen Scharia-Staaten abzuschneiden, wird der Islamische Staat weiter terrorisieren. Doch ernsthafte Anti-IS-Aktionen wünschen die USA offenkundig nicht. Die Merkel-FREUNDE arbeiten schon lange erfolgreich daran, einen weiteren kaputten Staat im arabischen Raum herzustellen. Dem wird sich die FREUNDIN nicht entgegenstellen.
Weil Merkel den Zusammenhang zwischen den US-Kriegen und dem Flüchtlingselend nicht thematisieren will, kann sie auch keine Lösungen anbieten. Das befeuert rechte Rechte und Nazis: Die AfD bekommt beschämende Umfragewerte, Pegida besetzt Straßen und Plätze, Nazis können Heime abfackeln, als hätte die Staatsgewalt gerade Urlaub. Wenn nun doch, ob auf dem CDU-Parteitag oder später, einer aus der Deckung kommt, wenn sich die Söders und Schäubles, gestützt auf die von der AfD mobilisierte Straße, doch trauen nach dem Thron zu greifen, dann wird aus der Merkel-Dämmerung das Morgen-Grauen werden: Die Republik wird einen krassen Rechtsruck erleben.
Und während die Merkel dämmert, schläft die deutsche Linke und überlässt den Rechten das Feld. Die GRÜNEN haben offenkundig vergessen, dass sie auch aus der Friedensbewegung entstanden sind. Dass sie ihre ersten, wesentlichen Schritte zur politischen Kraft Anfang der 80er Jahre auf dem Weg zur Anti-Pershing-Blockade in Mutlangen und gemeinsam mit der halben Million Nachrüstungsdemonstranten im Bonner Hofgarten gegangen sind. – Dass der SED-Genosse Gregor Gysi am 4. November 1989 vor 500.000 Menschen während der Massenkundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz für eine gründlich andere DDR plädierte: Vergangen. Dass der Sozialdemokrat Oskar Lafontaine gemeinsam mit prominenten GRÜNEN gewaltfreien Widerstands gegen die Stationierung von Atomraketen leistete: Vorbei. GRÜNE und LINKSPARTEI verlassen sich auf ein Parlament, in dem die Niederlage jener Mehrheit der Deutschen, die gegen eine Beteiligung am Syrienkrieg sind, schon programmiert ist. Die linken Parteien vertreten das Volk, sie mobilisieren es nicht. Gute Nacht. (PK)
Diese Glosse haben wir mit Dank aus Ulli Gellermanns Rationalgalerie geholt. http://www.rationalgalerie.de/home/bruessel-die-merkel-daemmerung.html
Online-Flyer Nr. 539 vom 02.12.2015
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