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Trauer um Kurt Holl
Als Verliebtsein und Rebellieren eins waren
Von Arbeiterfotografie
Wir trauern um Kurt Holl. Am 10. Dezember 2015, dem Tag der Menschenrechte, starb er im Alter von 77 Jahren. Eine entscheidende Kraft im Kampf für eine menschliche Gesellschaft geht uns verloren. Herausragend war sein Eintreten für die Rechte von Roma und Sinti, insbesondere im Rahmen des Rom e.V.. Die Arbeiterfotografie kam mit Kurt Holl über Jahrzehnte immer wieder in Berührung. Vierzig Jahre nach 1968, im Jahr 2008, hat die Kölner Arbeiterfotografie Kurt Holl im Rahmen des Projekts 68er-Köpfe portraitiert. "Als Verliebtsein und Rebellieren eins waren" war das Motto, mit dem er sich präsentiert hat. Dieses Motto kann auch über seinem Wirken insgesamt stehen.
Kurt Holl: „Gegen Macht- und Karrieregeilheit, Indifferenz, Feigheit und Opportunismus…“
(Alle Fotos: arbeiterfotografie.com)
Kurt Holl zuhause am Friesenwall: „Den Kriegstreibern in den Arm fallen… den Überwachungsstaat sabotieren... Es gibt nichts Gutes – außer man tut es!“
Kurt Holl: „Überall auf der Welt den Kampf gegen den US-Imperialismus aktiv unterstützen…“
Selbst gebauter 'Segelflieger' – „Ekelgefühle gegenüber den Kirchen, die mit den Nazis kollaboriert hatten und nach 1945 im Adenauerstaat dummdreist-moralische Zensurherrschaft ausübten…“
Kurt Holl: „Wir dürfen nicht darauf warten, dass Gewerkschaften, Parteien, Parlamente, Priester, Intellektuelle und andere Stellvertreter sich gegen die Sauereien hier und sonst auf der Welt militant wehren…“
Kurt Holl: „Die herrschenden Eliten haben es geschafft, das Protestpotential zu kanalisieren…“
Kurt Holl: „Gegen die Segnung von Soldaten und Rechtfertigung von Kriegen, gegen die aktive Kooperation der Kirchen mit allen europäischen und lateinamerikanischen Mörderregimen...“
1986 gründete Kurt Holl mit anderen Engagierten die Roma-Initiative, 1987 den Verein Rom e.V., in dessen Vorstand er bis zu seinem Tode, zuletzt als Ehrenvorsitzender, aktiv war.
SDS-Zentrum Köln in der Palanterstraße 5b, 1968 – „Herr Holl hat nicht die für einen Beamten notwendige charakterliche Eignung“
Kurt Holl: geboren 1938 in Nördlingen im schwäbischen Ries +++ überlebt den Krieg auf dem Hof seiner Großeltern, umsorgt von zwei russischen Zwangsarbeitern +++ 1953 verschlägt es ihn nach Köln +++ hat während seiner Schulzeit Kontakt zur algerischen Befreiungsfront (FLN), für die er manchen Kurierdienst erledigt +++ erhält 1959 während seines Theologiestudiums zum ersten Mal Besuch vom Verfassungsschutz +++ als die BRD nicht nur den Kolonialkrieg der Franzosen unterstützt, sondern dann auch den Vernichtungskrieg der USA gegen das vietnamesische Volk, tritt er aus der SPD aus +++ Staatsexamen als Lehrer +++ sein Marsch durch die Institutionen ist kurz +++ weil er sich seit 1968 als SDS-Mitglied eine Reihe von Strafverfahren eingefangen hat, wird er 1976 wieder aus dem Schuldienst geworfen (Begründung: „Herr Holl hat nicht die für einen Beamten notwendige charakterliche Eignung“) +++ der Versuch der Stadt, ihn durch „Pflichtarbeit“ auf dem Melatenfriedhof zu resozialisieren, misslingt: ihm wird verboten den „Friedhof weiterhin zu betreten“, er habe die anderen Pflichtarbeiter zum Streik aufgestachelt +++ bereitet einen Einbruch in das „EL-DE Haus“ vor, in dessen Kellerräumen sich die Zellen des ehemaligen Gestapogefängnisses befinden, wo Tausende von Wandinschriften der Häftlinge einer „Renovierung“ zum Opfer fallen sollen (in einer Nacht gelingt es, zusammen mit dem Fotografen Goni Huber 1200 der Graffitis abzulichten und sie so zu retten) +++ als er wieder Lehrer sein darf, fällt er unter die Zigeuner, die von der Wiese hinter seiner Schule vertrieben werden sollen, und versucht zusammen mit ihnen, die unverschämtesten Angriffe auf ihre Rechte abzuwehren +++ wenn er manchmal resignieren wollte, machten ihm seine Frau Hanne und seine Söhne Hannes und Benjamin wieder Mut.
Gegen Macht- und Karrieregeilheit, Indifferenz, Feigheit und Opportunismus
Vierzig Jahre nach 1968, im Jahr 2008, haben wir Kurt Holl im Rahmen des Projekts 68er-Köpfe portraitiert. Der vorstehende, knapp gefasste Lebenslauf ist dabei entstanden. Und wir haben ihm im Rahmen des Projekts eine Reihe von Fragen gestellt:
Was war damals (um 1968) persönlicher Auslöser, Dein Umfeld und Deine Hauptaktivität?
Als Theologiestudent zunehmende Ekelgefühle gegenüber den Kirchen, die mit den Nazis kollaboriert hatten und nach 1945 im Adenauerstaat dummdreist-moralische Zensurherrschaft ausübten. Ab 1958 aktive Solidaritätsarbeit für die algerische Befreiungsbewegung. Bruch mit der westlichen Freiheitsideologie angesichts des Völkermordes in Algerien und dann in Vietnam; Abrechnung mit den Alt-Nazis im BRD Establishment.
Was ist für Dich ein für die 68er-Zeit besonders typisches persönliches Erlebnis?
Meine Verlobung platzte 1968. Wir waren einander herzlich zugetan, hatten zusammen studiert, Examen gemacht. Sie hatte Pläne: Heiraten, Staatsdienst, Kinderkriegen, ein Haus im Grünen. Ich nicht. An Ostern 1968 sollte ich bei einem großen Empfang sein: meine Schwiegermutter feierte ihren 60. Geburtstag. Das hatte ich ganz vergessen. Ich war wieder mal woanders eingeladen und schleppte in Essen Balken aus einer Baustelle, um Springerautos zu blockieren. Das war eine Demo zuviel. I was more at ease with my enemies, than I was ever holding your hand!
Was war damals das Wichtigste, was es Deiner Meinung nach zu erreichen galt?
Basisdemokratie an der Uni, in Schulen, in Medien und Betrieben, in Parteien und im Staat. Überall auf der Welt den Kampf gegen den US-Imperialismus aktiv zu unterstützen - hasta la victoria siempre!
Was hat die 68er-Bewegung tatsächlich erreicht?
Sie hat für viele Jahre Mut gemacht, sich zusammen mit anderen gegen die Sauereien hier und sonst auf der Welt militant zu wehren und nicht darauf zu warten, dass Gewerkschaften, Parteien, Parlamente, Priester, Intellektuelle und andere Stellvertreter das für uns tun.
Welches sind wesentliche Ziele, bei Denen Du ein Scheitern der 68er-Bewegung siehst? Und wie kam es dazu?
Die BRD unterstützt heute nicht mehr nur den US-Imperialismus, sie beteiligt sich militärisch an völkerrechtswidrigen Kriegen. Die Grundrechte werden radikaler ausgehöhlt als es die Notstandsgesetze von 68 je vorsahen. Die Mitbestimmung an Uni und in Betrieben Ist entweder abgeschafft oder ausgehöhlt. Warum ist das so gekommen: die herrschenden Eliten haben es geschafft, das Protestpotential zu kanalisieren, zuerst in die Brandt-SPD, dann in die grüne Partei: Nach dem letzten Aufbäumen in Friedensbewegung, Anti-AKW- und Häuserkampf sorgen Macht- und Karrieregeilheit beim ehemals linken Führungspersonal, Illusionen über den Parlamentarismus sowie Indifferenz, Feigheit und Opportunismus an der Basis dafür, dass der 68er-Geist erlahmt.
Womit ist damals versucht worden, die 68er-Bewegung zu Fall zu bringen?
Kriminalisierung, Berufsverbote, Gewerkschaftsausschlüsse, Terrorismusverdacht grenzen Militante aus, schüchtern andere ein. Zeitweise verloren geglaubte Söhne und Töchter aus bürgerlichem Hause dürfen sich wieder integrieren und sich weiter um ihr Fortkommen kümmern.
Womit wird heute im nachhinein versucht, die Auswirkungen der 68er-Bewegung kaputt zu machen?
Die ganze Scheiße, die der Kapitalismus täglich produziert, wird den 68ern angelastet: Auflösung von Ehen und Familien, gestörte Kinder, aggressive Jugendliche, Pornowelle, Drogen, egoistischer Individualismus, Werteverlust, Konkurrenzdenken, Konsum- und Shoppingfetischismus. Während die staatliche Gewalt bis hin zu Kriegen immer offener gerechtfertigt wird, wird das 68er-Erbe: das Recht auf Rebellion immer stärker kriminalisiert.
Wo und wie siehst Du für heute die Notwendigkeit einer ähnlichen Bewegung wie 1968? Was möchtest Du der heute jungen Generation vermitteln?
Den Kriegstreibern in den Arm fallen, Befehlsverweigerer und Deserteure unterstützen, Aktionen gegen alle, die der dritten Welt die Ressourcen rauben, z.B. gegen Fangflotten, die die Meere leer fischen; Monsanto und seinen Gendreck Weg! AKWs blockieren! Unterstützung für alle, die den Überwachungsstaat sabotieren usw. Es gibt nichts Gutes – außer man tut es!
Was gibt es sonst noch, was Dir wichtig ist, zum Ausdruck zu bringen?
Wo ist die antiklerikale Wut der 68er geblieben? Stattdessen weiter Frömmelei in Schulen, Politik und Medien. Kniefälle vor frauen- und schwulenfeindlichen Greisen. Kruzifixe in Schulen und öffentlichen Gebäuden, die Andersgläubige belästigen. Kirchensteuer, Konkordatslehrstühle, Segnung von Soldaten und Rechtfertigung von Kriegen. Die aktive Kooperation der Kirchen mit allen europäischen und lateinamerikanischen Mörderregimen längst vergessen...
Siehe auch:
http://www.romev.de/wir-trauern-um-kurt-holl/
Online-Flyer Nr. 541 vom 16.12.2015
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Trauer um Kurt Holl
Als Verliebtsein und Rebellieren eins waren
Von Arbeiterfotografie
Wir trauern um Kurt Holl. Am 10. Dezember 2015, dem Tag der Menschenrechte, starb er im Alter von 77 Jahren. Eine entscheidende Kraft im Kampf für eine menschliche Gesellschaft geht uns verloren. Herausragend war sein Eintreten für die Rechte von Roma und Sinti, insbesondere im Rahmen des Rom e.V.. Die Arbeiterfotografie kam mit Kurt Holl über Jahrzehnte immer wieder in Berührung. Vierzig Jahre nach 1968, im Jahr 2008, hat die Kölner Arbeiterfotografie Kurt Holl im Rahmen des Projekts 68er-Köpfe portraitiert. "Als Verliebtsein und Rebellieren eins waren" war das Motto, mit dem er sich präsentiert hat. Dieses Motto kann auch über seinem Wirken insgesamt stehen.
Kurt Holl: „Gegen Macht- und Karrieregeilheit, Indifferenz, Feigheit und Opportunismus…“
(Alle Fotos: arbeiterfotografie.com)
Kurt Holl zuhause am Friesenwall: „Den Kriegstreibern in den Arm fallen… den Überwachungsstaat sabotieren... Es gibt nichts Gutes – außer man tut es!“
Kurt Holl: „Überall auf der Welt den Kampf gegen den US-Imperialismus aktiv unterstützen…“
Selbst gebauter 'Segelflieger' – „Ekelgefühle gegenüber den Kirchen, die mit den Nazis kollaboriert hatten und nach 1945 im Adenauerstaat dummdreist-moralische Zensurherrschaft ausübten…“
Kurt Holl: „Wir dürfen nicht darauf warten, dass Gewerkschaften, Parteien, Parlamente, Priester, Intellektuelle und andere Stellvertreter sich gegen die Sauereien hier und sonst auf der Welt militant wehren…“
Kurt Holl: „Die herrschenden Eliten haben es geschafft, das Protestpotential zu kanalisieren…“
Kurt Holl: „Gegen die Segnung von Soldaten und Rechtfertigung von Kriegen, gegen die aktive Kooperation der Kirchen mit allen europäischen und lateinamerikanischen Mörderregimen...“
1986 gründete Kurt Holl mit anderen Engagierten die Roma-Initiative, 1987 den Verein Rom e.V., in dessen Vorstand er bis zu seinem Tode, zuletzt als Ehrenvorsitzender, aktiv war.
SDS-Zentrum Köln in der Palanterstraße 5b, 1968 – „Herr Holl hat nicht die für einen Beamten notwendige charakterliche Eignung“
Kurt Holl: geboren 1938 in Nördlingen im schwäbischen Ries +++ überlebt den Krieg auf dem Hof seiner Großeltern, umsorgt von zwei russischen Zwangsarbeitern +++ 1953 verschlägt es ihn nach Köln +++ hat während seiner Schulzeit Kontakt zur algerischen Befreiungsfront (FLN), für die er manchen Kurierdienst erledigt +++ erhält 1959 während seines Theologiestudiums zum ersten Mal Besuch vom Verfassungsschutz +++ als die BRD nicht nur den Kolonialkrieg der Franzosen unterstützt, sondern dann auch den Vernichtungskrieg der USA gegen das vietnamesische Volk, tritt er aus der SPD aus +++ Staatsexamen als Lehrer +++ sein Marsch durch die Institutionen ist kurz +++ weil er sich seit 1968 als SDS-Mitglied eine Reihe von Strafverfahren eingefangen hat, wird er 1976 wieder aus dem Schuldienst geworfen (Begründung: „Herr Holl hat nicht die für einen Beamten notwendige charakterliche Eignung“) +++ der Versuch der Stadt, ihn durch „Pflichtarbeit“ auf dem Melatenfriedhof zu resozialisieren, misslingt: ihm wird verboten den „Friedhof weiterhin zu betreten“, er habe die anderen Pflichtarbeiter zum Streik aufgestachelt +++ bereitet einen Einbruch in das „EL-DE Haus“ vor, in dessen Kellerräumen sich die Zellen des ehemaligen Gestapogefängnisses befinden, wo Tausende von Wandinschriften der Häftlinge einer „Renovierung“ zum Opfer fallen sollen (in einer Nacht gelingt es, zusammen mit dem Fotografen Goni Huber 1200 der Graffitis abzulichten und sie so zu retten) +++ als er wieder Lehrer sein darf, fällt er unter die Zigeuner, die von der Wiese hinter seiner Schule vertrieben werden sollen, und versucht zusammen mit ihnen, die unverschämtesten Angriffe auf ihre Rechte abzuwehren +++ wenn er manchmal resignieren wollte, machten ihm seine Frau Hanne und seine Söhne Hannes und Benjamin wieder Mut.
Gegen Macht- und Karrieregeilheit, Indifferenz, Feigheit und Opportunismus
Vierzig Jahre nach 1968, im Jahr 2008, haben wir Kurt Holl im Rahmen des Projekts 68er-Köpfe portraitiert. Der vorstehende, knapp gefasste Lebenslauf ist dabei entstanden. Und wir haben ihm im Rahmen des Projekts eine Reihe von Fragen gestellt:
Was war damals (um 1968) persönlicher Auslöser, Dein Umfeld und Deine Hauptaktivität?
Als Theologiestudent zunehmende Ekelgefühle gegenüber den Kirchen, die mit den Nazis kollaboriert hatten und nach 1945 im Adenauerstaat dummdreist-moralische Zensurherrschaft ausübten. Ab 1958 aktive Solidaritätsarbeit für die algerische Befreiungsbewegung. Bruch mit der westlichen Freiheitsideologie angesichts des Völkermordes in Algerien und dann in Vietnam; Abrechnung mit den Alt-Nazis im BRD Establishment.
Was ist für Dich ein für die 68er-Zeit besonders typisches persönliches Erlebnis?
Meine Verlobung platzte 1968. Wir waren einander herzlich zugetan, hatten zusammen studiert, Examen gemacht. Sie hatte Pläne: Heiraten, Staatsdienst, Kinderkriegen, ein Haus im Grünen. Ich nicht. An Ostern 1968 sollte ich bei einem großen Empfang sein: meine Schwiegermutter feierte ihren 60. Geburtstag. Das hatte ich ganz vergessen. Ich war wieder mal woanders eingeladen und schleppte in Essen Balken aus einer Baustelle, um Springerautos zu blockieren. Das war eine Demo zuviel. I was more at ease with my enemies, than I was ever holding your hand!
Was war damals das Wichtigste, was es Deiner Meinung nach zu erreichen galt?
Basisdemokratie an der Uni, in Schulen, in Medien und Betrieben, in Parteien und im Staat. Überall auf der Welt den Kampf gegen den US-Imperialismus aktiv zu unterstützen - hasta la victoria siempre!
Was hat die 68er-Bewegung tatsächlich erreicht?
Sie hat für viele Jahre Mut gemacht, sich zusammen mit anderen gegen die Sauereien hier und sonst auf der Welt militant zu wehren und nicht darauf zu warten, dass Gewerkschaften, Parteien, Parlamente, Priester, Intellektuelle und andere Stellvertreter das für uns tun.
Welches sind wesentliche Ziele, bei Denen Du ein Scheitern der 68er-Bewegung siehst? Und wie kam es dazu?
Die BRD unterstützt heute nicht mehr nur den US-Imperialismus, sie beteiligt sich militärisch an völkerrechtswidrigen Kriegen. Die Grundrechte werden radikaler ausgehöhlt als es die Notstandsgesetze von 68 je vorsahen. Die Mitbestimmung an Uni und in Betrieben Ist entweder abgeschafft oder ausgehöhlt. Warum ist das so gekommen: die herrschenden Eliten haben es geschafft, das Protestpotential zu kanalisieren, zuerst in die Brandt-SPD, dann in die grüne Partei: Nach dem letzten Aufbäumen in Friedensbewegung, Anti-AKW- und Häuserkampf sorgen Macht- und Karrieregeilheit beim ehemals linken Führungspersonal, Illusionen über den Parlamentarismus sowie Indifferenz, Feigheit und Opportunismus an der Basis dafür, dass der 68er-Geist erlahmt.
Womit ist damals versucht worden, die 68er-Bewegung zu Fall zu bringen?
Kriminalisierung, Berufsverbote, Gewerkschaftsausschlüsse, Terrorismusverdacht grenzen Militante aus, schüchtern andere ein. Zeitweise verloren geglaubte Söhne und Töchter aus bürgerlichem Hause dürfen sich wieder integrieren und sich weiter um ihr Fortkommen kümmern.
Womit wird heute im nachhinein versucht, die Auswirkungen der 68er-Bewegung kaputt zu machen?
Die ganze Scheiße, die der Kapitalismus täglich produziert, wird den 68ern angelastet: Auflösung von Ehen und Familien, gestörte Kinder, aggressive Jugendliche, Pornowelle, Drogen, egoistischer Individualismus, Werteverlust, Konkurrenzdenken, Konsum- und Shoppingfetischismus. Während die staatliche Gewalt bis hin zu Kriegen immer offener gerechtfertigt wird, wird das 68er-Erbe: das Recht auf Rebellion immer stärker kriminalisiert.
Wo und wie siehst Du für heute die Notwendigkeit einer ähnlichen Bewegung wie 1968? Was möchtest Du der heute jungen Generation vermitteln?
Den Kriegstreibern in den Arm fallen, Befehlsverweigerer und Deserteure unterstützen, Aktionen gegen alle, die der dritten Welt die Ressourcen rauben, z.B. gegen Fangflotten, die die Meere leer fischen; Monsanto und seinen Gendreck Weg! AKWs blockieren! Unterstützung für alle, die den Überwachungsstaat sabotieren usw. Es gibt nichts Gutes – außer man tut es!
Was gibt es sonst noch, was Dir wichtig ist, zum Ausdruck zu bringen?
Wo ist die antiklerikale Wut der 68er geblieben? Stattdessen weiter Frömmelei in Schulen, Politik und Medien. Kniefälle vor frauen- und schwulenfeindlichen Greisen. Kruzifixe in Schulen und öffentlichen Gebäuden, die Andersgläubige belästigen. Kirchensteuer, Konkordatslehrstühle, Segnung von Soldaten und Rechtfertigung von Kriegen. Die aktive Kooperation der Kirchen mit allen europäischen und lateinamerikanischen Mörderregimen längst vergessen...
Siehe auch:
http://www.romev.de/wir-trauern-um-kurt-holl/
Online-Flyer Nr. 541 vom 16.12.2015
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