Lokales
Klage gegen das Land NRW und die BAYER Material Science AG
Ab 19. Januar 2016 gegen hochgiftige CO-Pipeline
Von Gottfried Schweitzer
Ab 19. Januar 2016 führt das Verwaltungsgericht Köln eine öffentliche Verhandlung durch.Beklagt sind das Land Nordrhein-Westfalen und die BAYER Material Science AG. Es geht um den sofortigen Stopp der hochgiftigen und lebensgefährlichen Bayer-CO-Pipeline von Dormagen nach Leverkusen! Kläger ist der Leverkusener Bürger Gottfried Schweitzer.
Seit Dezember 2013 ist bekannt: Durch ein 49 Jahre altes rostiges Stahlrohr jagt BAYER seit 2002 täglich das hoch-giftige Gas Kohlenmonoxid von Dormagen nach Leverkusen, 10 km weit, mit bis zu 18 Bar Überdruck und 3500 m³ in der Stunde. Das CO ist geruchlos, farblos – und lebensgefährlich. Das Einatmen von nur einem Zehntel Liter ist tödlich. Auch kleinste Mengen bleiben im Blut. Bei einem Leck können in 15 Minuten 1000 m³ entweichen – rein rechnerisch reicht die Menge für den Tod von 10 Millionen Menschen! Je
nach Wetterlage gibt es eine Todeszone von bis zu 6 km. Im Februar 2014 hatte Schweitzer Akteneinsicht bei der Bezirksregierung Köln beantragt und erhalten. Die Durchsicht führte zu erschreckenden Ergebnissen, von denen im Folgenden einige wenige genannt werden. Alle Zitate sind Originalzitate aus diesen Akten.
1. Der "Kathodische Korrosionsschutz" funktionierte nie richtig.
Der elektrische KKS soll und kann Rost vermindern, was gerade bei diesem Rohr, das unmittelbar im feucht-sandigen Ufer des Rheins ca. 80 cm unter der Oberfläche verläuft, lebenswichtig ist. Der KKS ist deshalb gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Wenn er nicht funktioniert, darf die Leitung nicht benutzt werden! Schon am 20.6.67 meldete der TÜV: "An drei Kreuzungsstellen... ist der KKS nicht mehr gewährleistet." Ruhrgas AG 24.2.2000: "Die Situation ist ... unverändert. Durch die bestehenden Kontakte zwischen Dükermantelrohr und einigen Leitungen ist der kathodische Schutz nicht gewährleistet." TÜV 25.1.2013: "...ist ein kathodischer Schutz dieser Leitung im Mantelrohr nicht gewährleistet." Anstatt diese Leitung sofort still zu legen, sagte die Bezirksregierung dazu - nichts. Allein diese Tatsache zeigt, wie fahrlässig BAYER und die Bezirksregierung mit gesetzlichen Umweltschutz-Auflagen umgehen! Es verwundert nicht, dass die Pipeline an
vielen Stellen ständig mehr rostet:
2. Rost an 202 Stellen!
Eine Prüfung (Molchung) im Jahr 2001 – gerade als das Rohr umgestellt wurde auf den Transport des hochgiftigen CO - stellte man schon damals an mindestens 202 Stellen Rost fest! An zwei Orten war das ursprünglich 5,6 mm starke Stahlrohr schon auf "3,66 und 3,87 mm" durchgerostet! Der - von Bayer gut bezahlte - TÜV bescheinigte Bayer aber freundlicherweise, das sei „unkritisch“, denn "3 mm Restwandstärke" seien ausreichend. In mehreren späteren Gutachten (22.2.13 und 5.7.13) schätzt derselbe TÜV, dass der Rost, "die Korrosionsgeschwindigkeit mit dem maximalen Wert von 0,5 mm/a (Jahr) abgeschätzt" werden muss: In den 14 Jahren seit 2001 könnten das also bis zu 7 mm sein?! Schon die Ergebnisse von 2001 hätten den CO-Transport von Anfang an stoppen müssen. BAYER und der
Bezirksregierung waren sie egal.
3. Die Sicherheitsüberprüfung - "Molchung" - ist schwerwiegend fehlerhaft!
Ein Molch ist ein Messgerät, das durch das Rohr gejagt wird und dabei die Wandstärke des Rohres versucht zu messen. 2011 wurde eine zweite Molchung vorgenommen. In den folgenden Monaten ließ BAYER an einigen Stellen das Rohr freilegen: "Zur Überprüfung der Molchinspektionsergebnisse sind einige Fehlstellen freigelegt und verifiziert worden..." Das Ergebnis: An 9 von 13 frei gelegten und nachgemessenen Roststellen war der Rost um
25 % und mehr, an zwei Stellen um über 100 % mehr fortgeschritten als der Molch angegeben hatte! Sowohl BAYER wie die Bezirksregierung ignorieren diese Fakten völlig. Dieses Gutachten allein hätte aber zum sofortigen Stopp des CO führen müssen!
Als der ganze Skandal um diese rostige Pipeline ruchbar wurde, erklärte der
Standortleiter NRW von BAYER Material Science, Klaus Jaeger: „Wir sind sicher, dass die Leitung in Ordnung ist und dem heutigen Stand der Technik gerecht wird“ (Leverkusener Anzeiger vom 31.1.14) - eine glatte Lüge! Denn selbst im TÜV-Gutachten von 2011 wird festgestellt, dass die Leitung „nicht dem neuesten Stand der Technik“ entspricht.
BAYER lässt sich vor Gericht durch die internationale Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer vertreten. Das wird aber nicht viel nützen. Viele Leverkusener und andere Anrainer protestierten bereits gegen die CO-Pipeline, darunter allein 94 Ärzte. BAYER verhöhnte diese Proteste. Noch im Juni 2015 eröffnete die AG eine neue Anlage zur CO-Produktion - in Dormagen! Wenn man sie in Leverkusen errichtet hätte, wäre die CO-Pipeline überflüssig geworden. Das beweist endgültig: Nicht "Sicherheit hat bei BAYER oberste Priorität", wie der Konzern an Schweitzer schrieb, sondern der Profit.
Die öffentliche Verhandlung zu dem Konflikt findet statt am Dienstag, 19. Januar 2016, um 9.30 Uhr, im Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, Eingang Burgmauer, Saal 160 - 1. Stock. Um 9 Uhr findet vor dem Eingang eine kleine Kundgebung der Umweltgewerkschaft Köln-Leverkusen - M.Budde, Legienstraße 12, 51063 Köln statt. Ich stehe Ihnen gern für Rückfragen zur Verfügung und kann Ihnen auch Einsicht in die mir vorliegenden Akten der Bezirksregierung geben. Sie erreichen mich unter meiner e-mail-Adresse go.schweitzer@unitybox.de oder unter 02171/43747 oder 0177 8237695.
Im Folgenden einige Auszüge aus meiner Klage-Begründung an die Bezirksregierung Köln:
... Ich beziehe mich dabei auf die von der Bezirksregierung durchnummerierten Akten zu dieser CO-Pipeline, die ich im Februar 2014 einsehen und fotografieren konnte.
1) Rost des Rohrs:
Im Dezember 2013 hatte ich nur vermutet, dass ein über 50 Jahre altes Stahlrohr in ständig feuchter Uferlage des Rheins rostet. Die Akten der Bezirksregierung bestätigen das:
- Blatt 44: TÜV-Bericht vom 20.6.67: "An drei Kreuzungsstellen ... und im Düker werden Berührungen zwischen Transportrohr und Schutzrohr bzw. Dükerwanne festgestellt. An diesen Stellen ist der kathodische Korrosionsschutz nicht mehr gewährleistet. Außerdem sind Beeinflussungen fremder Leitungen möglich."
- Blatt 85: Bericht der Ruhrgas AG vom 24.2.2000: "Die Situation am Rheindüker ... ist unverändert. Durch die bestehenden Kontakte zwischen dem Dükermantelrohr und einigen Leitungen ist der kathodische Schutz nicht gewährleistet."
- Die Folge: Blatt 122: TÜV vom 20.12.2001: "Bewertung Molchanzeigen:. Der Inspektionsreport der Fa..... weist in der untersuchten CO-Leitung 3 insgesamt 202 Anzeigen mit Wanddickenminderungen auf, die im Rahmen der Auswertung ausnahmslos als Korrosionsstellen klassifiziert wurden..... Die beiden geringsten Restwanddickenwerte liegen bei 3,66 mm und 3,87 mm und sind damit ebenfalls unkritisch." Das sind Reste von ursprünglich 5,6 mm bzw 7,1 mm starken Rohren; über die Genauigkeit der Molchmessung s.u.
- Blatt 149, TÜV vom 22.2.2013: "Dabei zeigten sich im Randbereich des Rheindükers (innerhalb des Dükermantelrohres) gravierende externe Materialverluste."
- Dass Minderung der Wanddicke durch Rost nicht stagniert, sondern weiter fortschreitet, erwähnt der TÜV an mehreren Stellen in den Akten. Blatt 153: TÜV 5.7.2013: Eine Auswertung der Molchung von 2011 "…verbleibt auch hier eine Restlebensdauer von zwei Jahren ... bei einer konservativ angenommenen Korrosionsrate von 0,5 mm/a" - das bedeutet, dass der TÜV einen jährlichen Verlust von 0,5 mm im Jahr einkalkuliert.
2) Die Ungenauigkeit der Messungen - bis 100 %
Die Beispiele über Rost lassen sich fortsetzen. Grundlage für diese Messungen waren zwei Molchungen 2001 und 2011; dabei wird ein Gerät durch das Rohr getrieben, das mittels Magnet- und Abtastverfahren die Stärke des Rohrs zu messen versucht. Die Bezirksregierung hat in der Antwort auf eine Anfrage erklärt, dass es mehr Messungen/Molchungen nicht gegeben habe (Bescheid vom 5.3.2014).
Diese Molchmessungen sind aber sehr ungenau. Das dokumentiert der TÜV in einem Gutachten vom 19.12.2013. Dort heißt es - auf Blatt 162 der Akten der Bezirksregierung - :
"Zur Überprüfung der Molchergebnisse sind einige Fehlstellen freigelegt und verifiziert worden." Im Folgenden werden die Ergebnisse der Ausgrabungen an drei Orten mit 13 vom Molch angegebenen Roststellen innerhalb dieser drei Bereiche nachgemessen. Nur an 4 Stellen ist die tatsächlich gemessene, verifizierte Wanddickenminderung durch Rost höchstens 10 % stärker als das Molch-Messergebnis; an allen anderen 9 Stellen aber wesentlich stärker. Am extremsten ist er an zwei von den 13 Stellen, einmal 3,0 mm statt 1,48 mm (Molch) und einmal sogar 4,0 mm anstatt 1,98 mm (Molch). Das bedeutet, dass die Wanddickenminderung durch Rost mehr als doppelt so stark sein kann, wie der Molch angegeben hat - und allein die Molchergebnisse waren bis jetzt die Grundlage, Aussagen über den Rostbefall/die Sicherheit des Rohrs zu machen!
3) Der desolate Düker:
Das ist ein von einem Stahlrohrmantel umschlossenes Bündel von 10 Rohren, einschließlich des CO-Rohrs, das den Rhein zwischen Köln-Merkenich und dem Leverkusener Werk/Nordseite unterquert. Zusammenfassend heißt es nach immer wiederkehrenden Feststellungen von Mängeln auf Blatt 149, TÜV 22.2.2013:
"Die Leitungen im Rheindüker sind durch ein gemeinsames Mantelrohr geführt worden. Dieses Mantelrohr besteht aus Stahlhalbschalen, die punktuell miteinander verschweißt sind. Durch die offenen Schlitze an den Stoßkanten findet ein ständiger Austausch von Grund- und Rheinwasser statt. Als Abstandshalter der Leitungen untereinander und zum Metallrohr wurden Gummiringe verwendet. Zum Schutz der Isolierung der Rohrleitungen (Bitumen) im Bereich der Abstandshalter wurden Metallbleche mit Metallspannbändern eingesetzt. Die visuelle Prüfung des Dükers hat ergeben, dass die Gummiringe teilweise zerrissen und plattgedrückt sind. Daher besteht teilweise ein direkter metallener Kontakt zwischen Mantelrohr und einzelnen Produktrohren sowie zwischen den Produktrohren untereinander... Die Sachverständigen halten es deshalb für erforderlich, den Düker durch eine geeignete neue Konstruktion zu ersetzen."
Blatt 147 desselben Gutachtens:"...dass die Konstruktion des Rheindükers nicht dem heutigen Stand der Technik entspricht.."
Zum Beweis, dass der TÜV unglaubwürdige Gutachten erstellt und der Rost das Rohr tatsächlich lebensgefährlich zerfressen hat, verweise ich zunächst auf Blatt 153: In diesem Gutachten des TÜV vom 5.7.2013 geht der TÜV von einer "rechnerisch geforderten Mindestrohrstärke von 3,6 mm" aus, und gibt dem Rohr noch eine "Restlebensdauer von 2 Jahren".
Dabei ging der TÜV von einer jährlichen Wanddickenminderung durch Rost von 0,5 mm und von den Molchergebnissen 2011 aus (Blatt 153).
Vor dem nächsten TÜV-Gutachten vom 19.12.2013, ein knappes halbes Jahr später, waren an drei Stellen Ausgrabungen vorgenommen worden. Die bewiesen, dass die Molchergebnisse um teilweise über 100 % zu niedrig lagen; an einer Stelle war die Wanddicke sogar um 4 mm durch Rost gemindert (statt 1,9 mm wie der Molch angegeben hatte). An dieser Stelle
betrug die Wanddicke also nur noch 3,1 mm (das Rohr hatte ursprünglich eine Wanddicke von 7,1 mm)! (Alle Angaben auf Blatt 162 der Akten der Bezirksregierung.)
Entsprechend dem vorherigen Gutachten vom 5.7.13 hätte das Rohr sofort still gelegt werden müssen: Dort waren ja 3,6 mm Mindestrohrstärke gefordert - jetzt erwies sich, dass das Rohr mindestens an einer Stelle nur noch eine Stärke von 3,1 mm hatte!
Was macht der TÜV? Er setzte einfach die Maßstäbe herab, die er früher selbst gesetzt hatte; so konnte BAYER, der das Gutachten bestellt und bezahlt hatte, weiter CO durch das Rohr jagen:
Zunächst wird die jährliche Korrosionsrate herab gesetzt: Auf Blatt 163 der Akten heißt es in dem Bericht des TÜV vom 19.12.13: "Aufgrund von Laboruntersuchungen und Erfahrungswerten ist bei einer freien Korrosion in Wässern realistisch eher von einer maximalen Korrosionsrate von ca 0,2 bis 0,25 mm/a auszugehen". Wobei völlig offen bleibt, welche "Untersuchungen" und "Erfahrungen" das sein sollen, die die vorher mehr als doppelt so hohen Korrosionswerte hinfällig werden lassen. Und zum anderen soll nach dem "Technischen Regelwerk" plötzlich eine "Mindestwanddicke von 2 mm" ausreichend sein, die der TÜV großzügig wegen möglicher Molchfehler auf 2,5 mm erhöht. (Blatt 164) Warum aber das "Technische Regelwerk" im Juli 2013 noch eine Wanddicke von mindestens 3,6 mm als "Mindestrohrstärke" für erforderlich hielt (Blatt 153), jetzt im Dezember aber 2,5 mm für ausreichend erhält, bleibt völlig offen, - oder auch nicht: Denn inzwischen waren ja schon 3,1 mm gemessen worden...
Diese Methoden des TÜV, innerhalb von fünf Monaten drastisch die
Sicherheits-Anforderungen so zu senken, dass BAYER die CO-Pipeline weiter betreiben kann, sind mehr als fragwürdig. Die Bezirksregierung hätte als Aufsichtsbehörde dies erkennen, sofort überprüfen und bis zur endgültigen Klärung einen sofortigen Stopp des CO-Transports veranlassen müssen. Dieser Pflicht ist sie nicht nachgekommen.
Welche Rolle BAYER bei diesem Vorgang gespielt hat, wird zu untersuchen sein. Nicht unerwartet ist auf jeden Fall, zu registrieren, dass BAYER sich durch 4 mm Rost und einer Wanddicke von nur noch 3,1 mm nicht im Transport von hochgiftigem CO hat hindern lassen....
Mit freundlichen Grüßen
Gottfried Schweitzer
Hierzu noch ein Interview mit Gottfried Schweitzer
im Aktuellen Online-Flyer vom 13. Januar 2016 unter
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14168
Online-Flyer Nr. 545 vom 13.01.2016
Druckversion