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Aktueller Online-Flyer vom 03. Dezember 2024  

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Krieg und Frieden
Debatte um das Thema "Feindbild Putin"
Putin betreibt keine imperialistische Politik
Von Hartmut Barth-Engelbart

In der Friedensbewegung und der Linken ist das Verhältnis zu Russland und seinem Präsidenten Putin eine umstrittene Frage. Klar ist, dass Putin wegen seiner eigenständigen Politik und des Zurückdrängens kolonialer Strukturen vom "Westen" und seinen Medien als Feindbild aufgebaut wird. Teile der Friedensbewegung und der Linken stimmen in diesen Kanon ein. In diesem Kontext stellt sich die Frage, wie Äußerungen Putins zu bewerten sind - wenn er z.B. sagt: „Mir gefielen und gefallen kommunistische und sozialistische Ideen noch immer.“ Oder wenn er mit Bezug auf Lenin äußert: „Auch, wenn die Idee an sich richtig ist. Im Endergebnis führte dieses Denken zum Zerfall der Sowjetunion, genau daran lag es. Es gab viele Überlegungen solcher Art: Autonomisierung und so weiter – die legten eine Atombombe unter das Gebäude, das Russland heißt, und die zerriss es dann auch.“ Dietrich Schulze sieht in Putins Äußerung "eine folgenschwer verlogene Geschichtsinterpretation des Präsidenten Russlands". Auf Dietrich Schulzes Darlegungen nimmt Hartmut Barth-Engelbart Bezug.


Aufmacher von de.sputniknews.com am 21. Januar 2016

Zunächst sollte man nicht den Fehler machen, jemanden, der sagt: „Mir gefielen und gefallen kommunistische und sozialistische Ideen noch immer!“ für einen Kommunisten zu halten und ihn mit dieser falschen Messlatte zu beurteilen. Putin mag auch Lenin mögen, nur ist Putin kein Leninist und die Russische Föderation ist nicht die frühere UdSSR.

Dass Putin die konterrevolutionäre Schnapsnase Jelzin museal ehrt, das spricht nicht dafür, dass er dessen Beitrag zur Auflösung, zur Zerstörung der UdSSR feiert, sondern eher dafür, das er alle Bemühungen unternimmt, um wenigstens die russische Föderation und in ihr alles zusammenzuhalten, was „vaterländisch“, „patriotisch“, „nationalistisch“ ist. Für Putin spielt die Klassenfrage, wenn überhaupt - dann eine nachgeordnete Rolle. Meiner Einschätzung nach ist die russische Föderation ein Land des etwas anderen Staatsmonopolismus gemischt mit stark verselbständigten Elementen / Ergebnissen, wie sie die NÖP unter Stalin hervorgebracht hat und wie sie noch deutlicher sich in der VR China entwickelt haben. In der VR China weiß man nicht so recht, ob nun die KP Chinas den Tiger reitet oder umgekehrt. In der Russischen Föderation hat es unter Putin den Versuch gegeben, die Tiger wieder einzufangen und zum Teil zu reiten. Der drohende komplette Ausverkauf des Landes und seiner Bodenschätze, seiner Wald- und Agrarflächen an ausländisches Kapital wurde von Putin – im Gegensatz zur Ukraine - zum großen Teil gestoppt.

Das Putin Russlands führt keine Eroberungskriege

Die Regierung Putin betreibt keine imperialistische Politik, führt keine Eroberungskriege. Was nicht heißt, dass russisches Kapital nicht versucht und es zum Teil geschafft hat, im Spiel der global Player zwar bescheiden aber dennoch mitzumischen.

Putin begeht einen groben Fehler, wenn er sagt, der „Leninismus“ habe unter Russland eine Atombombe gelegt und die habe Russland in die Luft gejagt. Unter der Bedingung, der äußerst schweren Bedingung des Aufbaus des Sozialismus in einem – zumal belagerten und bis tief ins Innere durch weiße von Briten, US-Amerikanern, Finnen, Deutschen usw. unterstützte Terroristen verwüsteten – Land, unter dieser Bedingung war die Zusicherung der Bolschewiki an die einzelnen Sowjetrepubliken, sich jederzeit von dieser Union trennen zu können, die einzige zukunftweisende Möglichkeit, die fragile Einheit der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken zu retten und zu festigen .

Man muss Dietrich Schulze schon dafür danken, dass er dabei die Rolle Stalins so hervorgehoben hat. Denn dem Georgier wurde ja alles Mögliche an Kapitalverbrechen angehängt. Josef Stalin stand für das Recht auf Loslösung von der UdSSR – mit Ausnahme der Zeit des „Kriegskommunismus“.

Erst mit der Verfestigung der Nomenklatura in Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionen und der damit einhergehenden Umwandlung der KPdSU sowohl in Moskau als auch in vielen einzelnen Republiken in einen Machtapparat einer neuen Bourgeoisie (ähnlich wie in Jugoslawien mit der defacto-Abschaffung der Rotation in den Betrieben) entwickelten die Autonomie-Optionen ihre Sprengkraft. Eine Kraft, die sich durch die Verlockungen der Weltmarktpreise für Rohstoffe, durch Verlockungen der „Preise“ für geostrategische Lagen ergaben und sich nur auf dem Hintergrund des sich aus dem Partei- und Staatsapparat entwickelnden Oligarchentums entfalten konnte. (Die Rolle der Weltbank und des IWF muss ich hier nicht weiter ausführen.) Die Regierung Putin muss jetzt froh sein über jede dieser Figuren, die nicht zurückgekauft werden muss.

Erst in einer solchen Lage kann man davon sprechen, dass die Autonomie-Optionen eine solche „atomare“ Sprengkraft entwickeln, die Putin zu meinen scheint.

Auf Putins Äußerung nicht mit dem Vorschlaghammer reagieren

Das Bild der „neuen Zaren“ ist schon so oft reaktionär gegen die UdSSR benutzt worden, es beinhaltet auch eine völlig unhistorische Kritik an den Zaren. Aber man könnte durchaus von der Entstehung eines neuen Zarentums im Zusammenhang mit der Umwandlung der KPdSU ab Mitte der 1940er sprechen. Auch der Spruch vom Fisch, der vom Kopf her beginnt zu faulen, stimmt. Ein Anzeichen für die gefährliche Entwicklung der Autonomie-Optionen ist der große Akt der Schenkung der Krim an die Ukraine durch Nikita Chruschtschow im Jahre 1954. Das ist ein nahezu monarchisch-feudalistischer Akt, ein quasi zaristischer Willkürakt, ein Land und seine Einwohner ungefragt zu verschenken.

Der Russischen Föderation bleibt in der aktuellen Lage nichts weiter übrig, als in Zusammenarbeit mit den BRICS, mit Iran und Syrien, mit allen nicht unipolar handelnden Ländern ihre ökonomisch-soziale Situation zu verbessern und gleichzeitig von außen befeuerte sezessionistische Bestrebungen auch militärisch zu bekämpfen.

Aus dieser Zwangslage heraus kann man die Äußerung Putins auch verstehen und muss nicht gleich mit dem Vorschlaghammer sie "eine folgenschwer verlogene Geschichtsinterpretation des Präsidenten Russlands" taufen, wie das Dietrich Schulze tut.

Online-Flyer Nr. 548  vom 10.02.2016

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