NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

zurück  
Druckversion

Arbeit und Soziales
Feminismus im Spannungsfeld von Patriarchat und Kapital
Was haben wir gewollt, was ist daraus geworden? (2)
Von Maria Mies

Die internationale Frauenbewegung ist der Geburtsort revolutionärer Ideen. Samenkörner, die aufzugehen in diesem kapitalistischen System zu verhindern gesucht werden. Warum gibt es auf der ganzen Welt Gewalt gegen Frauen, in allen Kulturen, in allen Gesellschaftsschichten? Was für Zusammenhänge finden sich in einem Gesellschaftssystem, das nur Ware und Konsum als glücklich machend verheißt, in dem Menschen selbst zu Waren und Konsumgütern werden? Wir eröffnen eine Reihe mit Texten der Soziologie- und Gesellschaftswissenschaftlerin, Prof. Maria Mies, deren wichtigstes Buch „Patriarchat und Kapital“ erst kürzlich neu aufgelegt worden ist. Die einleitenden drei Artikel (in Folge) erschienen in dem von Maria Mies gegründeten „Infobrief gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik“. Hier Teil 2:

Ein neuer Forschungsansatz: Aktionsforschung

Der Kampf um das Kölner Frauenhaus hatte mir nicht nur die Augen geöffnet über den wahren Zustand unserer Gesellschaft, vor allem darüber, wie viel Gewalt sich hinter der angeblich friedlichen Fassade der bürgerlichen Familien verbarg, insbesondere Gewalt gegen Frauen, die bis zu unseren Aktionen total tabuisiert war, aber auch Gewalt gegen Kinder. Darüber hinaus begriff ich aber auch, dass das, was gemeinhin die objektive Wissenschaft genannt wurde und wird, diese Realität bisher überhaupt nicht erfasst hatte, ja gar nicht erfassen konnte, weil die Opfer häuslicher Gewalt, die Frauen, den ForscherInnen nichts von ihren Gewalterfahrungen erzählten, erstens, weil sie sich schämten und zweitens, weil ihnen von der Polizei und auch oft von den Ärzten nicht geglaubt wurde.

Als Sozialwissenschaftlerin versuchte ich darum, meine Betroffenheit über die Gewaltgeschichten, die ich Tag und Nacht von den Frauen im Frauenhaus zu hören bekam, "wissenschaftlich zu Ende zu denken und dann zu Ende zu handeln", wie ich es in einem späteren Aufsatz ausdrückte. Ich merkte bald, dass das mit den herkömmlichen Methoden der quantitativen Sozialforschung nicht ging, denn diese schließen jede Parteilichkeit und Solidarität mit den Betroffenen, jede Subjektivität auf Seiten der ForscherInnen aus. Das war für mich aber unmöglich. Ich entwickelte einen eigenen methodologischen Ansatz für eine engagierte Frauenforschung. Er bestand aus einer Kritik an der herrschenden uninvolvierten "Zuschauerforschung" mit ihrem falschen Anspruch auf Objektivität und gipfelte in sieben grundlegenden methodischen Postulaten zur neuen Frauenforschung. Diese Postulate waren aus den Erfahrungen unseres Kampfes um das Frauenhaus erwachsen.

Dieser Ansatz entstand jedoch keineswegs am grünen Tisch, sondern mitten aus unseren Kämpfen heraus, Frauen insgesamt mehr Raum in den Hochschulen zu verschaffen. Denn dort waren sie bis zur neuen Frauenbewegung quasi ein Fremdkörper, zwar geduldet als Dekoration, aber nicht ernstgenommen.

Als wir auf dem deutschen Soziologentag im Herbst 1976 in Bielefeld feststellen mussten, dass die "Frauenfrage" in keiner Sektion und keiner Arbeitsgruppe behandelt wurde, stellten Claudia von Werlhof und Veronika Bennholdt-Thomsen einen Tisch mit einem Plakat ins Foyer, wo wir zur Gründung einer Sektion Frauenforschung im Rahmen der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie" aufriefen. Siebzig Soziologinnen versammelten sich und verfassten einen entsprechenden Antrag an die Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Er wurde natürlich abgeschmettert. Wir aber gaben nicht auf, sondern beschlossen einen Verein zu gründen, der den Namen bekam: "Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen". Im Winter nächsten Jahres wollten wir uns wieder treffen, und bis dahin verteilten wir "Hausaufgaben" untereinander, z.B.: "Was heißt Theorie im Lichte der Frauenbewegung?", "Welche Forschungsmethoden sind im Kontext der Frauenbewegung angebracht?".

Ich wählte das zweite Thema. Da ich total damit beschäftigt war, mit meinen Studentinnen für ein autonomes Frauenhaus in Köln zu kämpfen, hatte ich keine Zeit, einen "wissenschaftlichen" Aufsatz zu produzieren. Als wir – Carola Möller und ich – im Februar 1977 gemeinsam nach Frankfurt fuhren, schrieb ich im Auto schnell die Stichpunkte auf, die mir aufgrund meiner Praxiserfahrung in der Frauenhausinitiative am wichtigsten schienen. Ich nannte sie "Methodische Postulate der Frauenforschung" und trug sie in Frankfurt vor. Später erst schrieb ich sie auf. Sie wurden einem größeren Publikum im Herbst 1977 bei den "Heksencollegen" in Nijmegen vorgetragen und dort auch erstmalig in der Dokumentation dieser Heksencollege veröffentlicht. 


Erstveröffentlichung in "INFOBRIEF gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik", Titel: "Frauen, die letzte Kolonie", Ausgabe 24, November 2006

Das Netzwerk gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik ist im August 1999 aus dem Komitee "Widerstand gegen das M A I" entstanden. Das erste Ziel des Netzwerkes bestand darin, über die sog. Milleniumrunde der Welthandelsorganisation (WTO) Ende November bis Anfang Dezember 1999 in Seattle zu informieren und dagegen zu mobilisieren. Die Betreiber dieser Millenniumrunde verfolgten und verfolgen immer noch die gleichen anti-demokratischen Ziele wie im vorher zu Fall gebrachten M A I. Die Konzernherrschaft in allen Ländern der Welt soll durch weitere Liberalisierungen, Deregulierungen und Privatisierungen auf Dauer etabliert werden. Längst werden diese Bestrebungen - nach dem Desaster in Seattle - auf anderen Ebenen fortgeführt (z.B. auf EU-Ebene, national und lokal). Daher ist es unerlässlich, weiterhin über diese Vorgänge zu informieren, dagegen zu mobilisieren und vor allem lokal "vor Ort" dagegen zu kämpfen. Zur Information und Mobilisierung gab das Netzwerk in unregelmäßigen Abständen (zwei bis dreimal jährlich) bis 2012 den "Infobrief gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik" heraus. Heute geht es mit dem Kampf gegen TTIP, CETA und TISA weiter.



Teil 1 (zur Fragestellung: was haben wir gewollt?):
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22628

Online-Flyer Nr. 554  vom 23.03.2016

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FILMCLIP



Video von Georg Maria Vormschlag
FOTOGALERIE